Robert Franks (1924-2019) zwischen Juni 1955 und Mai 1957 aufgenommene Werkgruppe „The Americans“ schrieb Fotogeschichte: Während eines Road Trips durch die USA aufgenommen, beleuchtete Frank in 28.000 grimmigen schwarz-weiß Bildern den „American way of life“ der Nachkriegszeit als von Rassismus, Gewalt, Religion, Nationalismus und Konsumkultur geprägt. Seine Fotos entsprechen damit nicht dem Selbstbild der USA, das gleichnamige Fotobuch mit 83 Aufnahmen konnte zunächst nur in Europa veröffentlicht werden: Robert Delpire druckte „Les Américains“ in Paris im November 1958. Der Fotoband enthält Beiträge von Simone de Beauvoir, Erskine Caldwell, William Faulkner, Henry Miller und John Steinbeck. In der 1959 erschienenen englischen Fassung schrieb Jack Kerouac das Vorwort. Mit „The Americans“ (1958) gelang dem schweizerisch-amerikanischen Fotografen Robert Frank eine der einflussreichsten Foto-Arbeiten der Nachkriegszeit, die die Street-Photography nachhaltig erneuerte.
Österreich / Wien: Albertina
25.10.2017 – 28.1.2018
„Der Humor der Schwermut, das Allumfassende und Amerikanische dieser Bilder!“ (Jack Kerouac in seiner Einleitung zu „The Americans“, 1959)
Wie einen Fotografen ausstellen, der sein Werk selbst in Form von Fotobüchern veröffentlichte? Walter Moser zeigt auf einer Stellwand Reproduktionen des ersten, selbst veröffentlichen Buchs „Black, White And Things“ (1951) in Form von Doppelseiten.1 Moser nutzt dabei die Ästhetik des Kontaktbogens, verdeutlicht den Rhythmus der 1959 erschienenen Publikation. Die Aufnahmen sind mal links, mal rechts, höchst selten zwei auf einer Doppelseite gedruckt. Hier zeigt sich Robert Franks Inspiration am Free Jazz, am Denken in Synkopen innerhalb von formalen Entsprechungen. Mit einer 35-mm-Leica konnte Robert Frank, den Direktor Klaus-Albrecht Schröder durchaus mit dem Zeichner Pieter Bruegel den Älteren vergleichen möchte (→ Eva Michel: „Bruegel gelang ein neuer Blick auf die Landschaft, ein neuer Realismus“), spontan und unmittelbar die Realität einfangen. Intuition statt Komposition, Unschärfe, starke Kontraste und Dynamik gehören zu den wichtigsten Stilmitteln dieses Buches – und auch der Fotografie von Robert Frank. Manchmal hätte er dabei nicht einmal durch den Sucher der Kamera geblickt, um den Moment authentisch einfangen zu können, wie Walter Moser betont.
Der 1941 in Zürich geborene Frank, der 1947 in die USA emigrierte, brachte einen sozialkritischen Blick in die Neue Welt mit. Er reagierte auf die Gesellschaft der Nachkriegszeit, auf das Selbstbild der Amerikanerinnen und Amerikanern mit Neugier auf Alles und Alle: Wunderbar die Großstadt Cowboys Im Stil des Marlboro-Mannes. Ergreifend, wie er eine junge, stillende Mutter auf indigene Familien treffen lässt. Das Bild der USA, das Robert Frank entwirft, ist ein höchst heterogenes. Die amerikanische Flagge verbindet, was gesellschaftlich, ökonomisch nicht zusammenzupassen scheint.
Das Schweizer Werk, mit dem die Ausstellung in der Albertina beginnt, ist nur in Form von Kontaktbögen erhalten. In der Alpenrepublik erhielt Robert Frank seine Ausbildung und hier begann er, sich der Dokumentarfotografie zu widmen. Schweizer Motive, vom Staat protegiert, umfassten Alpen oder das Bauernleben, doch das interessierte den als Sohn eines deutschen Juden in Zürich geborenen Frank nicht. Erst kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs hatte er die Schweizer Staatsbürgerschaft erhalten, zeitlebens sozialisierte er sich mit sozialen Randgruppen.
Neben kommerziellen Fotografien für Harper’s Bazar begann Robert Frank auf eigene Faust Sozialreportagen zu machen, quasi seine Außenwahrnehmung auf Film zu bannen. Frank reflektiert in seinen Bildern Reichtum und Armut, Paris erscheint ihm hingegen als lyrisch-romantische Stadt. Anfang der 1950er Jahre hielt er in London am späten Nachmittag bzw. am Abend die kontrastreiche Gesellschaft fest. Den Bankern und ihren Chauffeuren folgte eine Reportage über den Waliser Minenkumpel Ben James (1953). Dessen Alltag in „banalen“ Szenen festgehalten, ist charakteristisch für Franks radikale Bildsprache. Diese Sozialgeschichte des Alltäglichen lässt sich genauso gut als Mikrohistorie für die Umbrüche des Bergbaus der Fünfziger Jahre lesen wie als subjektiv geprägtes Leben eines Einzelnen.
Mit diesen Erfahrungen ausgestattet, erhielt Robert Frank ein Reisestipendium des Guggenheim Museums. Das ermöglichte ihm zwischen 1955 und 1957 die Vereinigten Staaten zu bereisen und jene 28.000 Fotos zu schießen, die schlussendlich in ihrer Summe „The Americans“ ergaben. Welche Sprengkraft die Bilder Ende der 1950er hatten, lässt sich heute bestenfalls erahnen. Deutlich wird aber die Größe des Landes, die Unterschiede zwischen Metropolen und Peripherien, zwischen Stadt- und Landleben, zwischen Mann und Frau, zwischen verschiedenen Ethnien. Über Allem weht der Sternenbanner!
Kuratiert von Walter Moser
Das Filmmuseum Wien zeigt vom 10. bis 27. November 2017 in Kooperation mit der Albertina eine umfassende Retrospektive zu Robert Frankf filmischem Werk.
Robert Frank verstarb am 9. September 2019.