Die iranische Foto- und Filmkünstlerin Shirin Neshat zeigt im Museo Correr 26 der 55 Fotografien umfassenden Serie „The Home of My Eyes“ (2014/15) und stellt ihren aktuellsten Film „Roja“ (2016) vor.
Italien | Venedig: Museo Correr
13.5. – 24.11.2017
Die 26 schwarz-weißen Porträts zeigen Menschen aus Aserbaidschan. Die Künstlerin mit Lebensmittelpunkt in New York begann sich vor Jahren für das Land und seine Bewohner zu interessieren, weil es sie so sehr an ihre alte Heimat erinnerte. Politisch wurde Aserbaidschan erst im frühen 19. Jahrhundert vom Iran abgespalten. Alle Porträtierten blicken frontal in die Kamera, mit leicht unterschiedlichen Gesten, alle Prints sind ähnlich groß (152 bis 205 cm hoch). Shirin Neshat überschrieb die aus unterschiedlichen Regionen des Landes stammenden Aserbaidschaner mit arabischen Texten, die sich aus der Entfernung wie gleichmäßige Linien ausmachen, beim Nähertreten aber schnell als Kalligraphie erkennbar sind. Der Inhalt setzt sich aus Gesprächen der Künstlerin mit den Abgebildeten und Gedichten von Nizami Ganjavi (1141–1209) zusammen. Der iranische Dichter des 12. Jahrhunderts lebte in einer Region, die heute zu Aserbeidschan gehört.
„The Home of My Eyes“ ist der Titel der Serie, die gleichzeitig eine Vermessung des Landes sein möchte. „Lange Zeit war Aserbaidschan ein Kreuzungspunkt für Ethnien, Religionen und Sprachen“, erzählt Neshat. Die abgelichteten Menschen gehören alle unterschiedlichen Religionen an. Indem Shirin Neshat das Verbindende herausarbeitet, versucht sie, die Personen als Teil einer Gemeinschaft darzustellen.
Dass die Porträts an einer Wand des Museo Correr gleichsam rund um eine Schutzmantelmadonna gruppiert sind, mag erstaunen. Die iranische Künstlerin widmet sich aber jüngst verstärkt dem Dialog zwischen Orient und Okzident und bezeichnete die Porträts als ihre „Wandteppiche aus menschlichen Köpfen“.
Die Sehnsucht nach der Heimat spiegelt sich auch im Film „Roja“ wider, in dem die Künstlerin selbst mitspielt. Auf der Basis eines Traums begibt sich Neshat auf eine surreale, weil keinem logischen Handlungsstrang unterworfene Suche nach der „Wahrheit“. Was ist Heimat? Erde, der man sich verbunden fühlt? Betrügt die im Westen lebende Künstlerin vielleicht sogar ihre „Scholle“? Kann man im Alter die Jugend wiederfinden? Der schwarz-weiß Film setzt auf die Gefühlsebene, ohne je narrativ zu sein. Vergangenes und Gegenwart sind schlussendlich nicht mehr zu trennen. Anklage und Schuld begleiten die Protagonistin. Das Theater weicht der Sandgrube (oder etwas Ähnlichem), der bequeme Sessel dem Schlamm. Der Blick in Gesichter, die Augen als Fenster der Seelen verbinden die filmische mit den fotografischen Arbeiten.