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Emil Orlik in Japan Farbholzschnitt und neue Themen

Emil Orlik (1870-1932), Rast im Gebirge (Rast), Detail, 1900, Farbholzschnitt, 21,9 x 31 cm, Foto: Maria Thrun.

Emil Orlik (1870-1932), Rast im Gebirge (Rast), 1900, Farbholzschnitt, 21,9 x 31 cm, Foto: Maria Thrun.

Emil Orlik (21.7.1870-28.9.1932) gehörte zu den wenigen europäischen Künstlern des Jugendstils, denen das Studium der exotischen Werke auf den Weltausstellungen und den Galerien sowie der Bücher zu Hause nicht genug war. Wie vor ihm nur Franz Hohenberger reiste Orlik von 1900 bis 1901 für zehn Monate nach Japan, um sich vor Ort mit der originalen Technik des Farbholzschnittes zu beschäftigen. Das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe widmet dem aus Prag stammenden Maler und Grafiker anlässlich seines 80. Todestages eine Ausstellung, in der diese fruchtbare Reise erstmals intensiv nachgezeichnet und die entstandenen Werke präsentiert werden.

Japan und Europa

Bekannt wurde die japanische Kunst erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts, als die seit 1639 existierende Abschottung des Landes 1853 durch amerikanische Kanonenboote politisch erzwungene und der Handel mit Nippon ermöglicht wurde. Auf den Weltausstellungen in London (1862), Paris (1867) und Wien (1873) feierten japanische Künstler und Kunsthandwerker sogleich riesige Erfolge. Ab 1888 publizierte der Pariser Kunsthändler Samuel Bing „Le Japon artistique“ und präsentierte dem interessierten Publikum Originale in seiner Galerie. Claude Monet, Edouard Manet und mit ihnen die französischen Impressionisten bis Henri Toulouse-Lautrec, der Amerikaner James McNeil Whistler oder der Wiener Gustav Klimt sammelten Druckgrafiken (ukiyo-e), Stofffärbeschablonen (katagami) und studierten Bücher über japanische Kunst (→ Monet, Gauguin, van Gogh …. Inspiration Japan). Wie ein frischer Wind aus dem Osten brauste die Kenntnis der japanischen Kunst über den alten Kontinent. Neue Bildausschnitte, keine Zentralperspektive, ungewohnte Posen, die Reduktion auf das Wesentliche  und die Eleganz der Linie faszinierten die bildenden Künstler, während die Kunsthandwerker sich für außergewöhnliche Materialwahl und Naturmotive begeisterten. Erst mit der Kenntnis der japanischen Kunst entwickelte sich die internationale Bewegung des Jugendstils.

 

 

Ukiyo-e, „Bilder aus der fließenden Welt“, in Europa

Während in der Tuschemalerei und der Kalligraphie die hochintellektuelle Ästhetik des Momentanen und die Spiritualität gepflegt wurden, entwickelte sich während der Edo-Zeit (1615-1868) eine farbintensive Bildkunst für das Volk, Ukiyo-e genannt. Vor allem als Farbholzschnitte erreichten diese Bilder vom Alltag in Edo, so der alte Name von Tokyo, Europa. Sie erzählen von berühmten Schauspielern, elegant gekleideten Prostituierten, erotischen Szenen und Landschaften.

 

 

Die Produktion von Farbholzschnitten war stark arbeitsteilig organisiert: Verleger finanzierten die Projekte und wählten die Themen. Sie engagierten Künstler für Vorzeichnungen. Diese wurden von Holzschneidern mit der Zeichnung nach unten auf Holzblöcke aufgeklebt. Danach wurde das Papier sacht gewässert und abgelöst, so dass nur noch die Zeichnung spiegelverkehrt auf dem Block zu sehen war. Nachdem die Flächen zwischen den Linien weggeschnitten waren, färbten die Drucker den Zeichnungsblock zum ersten Mal mit schwarzer Farbe ein und druckten ihn ab. Diesen ersten Druck erhielt wieder der Künstler, der seine Farbvorstellungen auf den Druck vermerkte, sodass je nach Anzahl der verwendeten Farben, für jede ein eigener Holzstock hergestellt werden konnte. Durch das Übereinanderdrucken mit Hilfe von Passmarken wurde schlussendlich der Vielfarbdruck hergestellt.

Dass gerade dieses, von den Japanern selbst als minderwertige Massenware klassifizierte Medium die europäischen Künstler faszinierte, lag wohl an der im Westen kaum verstandenen Exotik der Tuschemalerei. Wenn auch deren Schönlinigkeit und Reduktion hoch geschätzt wurden, so fanden die Impressionisten vor allem in den narrativeren und leichter zugänglichen Ukiyo-e-Drucken, und hier in den Werken von Utamaro, Hiroshige und Hokusai, das was sie suchten. Das Japan-Bild selbst bewegte sich dabei zwischen Mode, Fantasie und Kunstverständnis. Um diesem Geheimnis auf die Spur zu kommen, ließ es sich der in Prag geborene Maler und Grafiker Emil Orlik nicht nehmen, fast ein Jahr in Japan zu verbringen, um vor Ort die Technik des Farbholzschnittes zu erlernen. Resultat ist, dass die ornamentale Stilisierung in L`Art Nouveau und Jugendstil ohne den Einfluss aus Fernost nicht denkbar ist.

 

 

Emil Orliks Japanerfahrungen

Emil Orlik wurde 1904 an die Staatliche Lehranstalt des Berliner Kunstgewerbemuseums berufen und zog 1905, nachdem er mit der Klimt-Gruppe aus der Secession ausgetreten war, nach Deutschland um. Bis zu seinem Tod am 28. September 1932 lebte Orlik in Berlin. Bereits davor pflege er intensiven Kontakt mit Max Lehrs am Kupferstichkabinett in Dresden, weshalb sich die meisten Sammlungsbestände auch heute noch in Deutschland befinden, darunter v.a. die japonisierenden Drucke aus Orliks Frühzeit. Der die Ausstellung begleitende Katalog führt erstmals die während und kurz nach der ersten Japanreise 1900/01 entstandenen Arbeiten auf Papier zusammen – insgesamt handelt es sich hierbei um 65 Holzschnitte, Radierungen, Lithographien, ergänzt durch eine Reihe von Vorzeichnungen. Katalog und Ausstellung belegen das auch heute noch anhaltende Sammlerinteresse, sind beide doch aus der Privatsammlung von Peter Voss-Andreae zusammengestellt.

Obwohl Orlik die Reise nach Japan unternommen hat, um sich mit der Technik des Farbholzschnittes im Ursprungsland zu beschäftigen, hat er nur 20 Blätter in dieser Technik vor Ort angefertigt. Er beschäftigte sich auch mit Farblithographien, von denen er nach seiner Rückkehr sechs in Japan gedruckte mit neun zwischen 1901 und 1904 entstandenen Farbradierungen zur Mappe „Aus Japan“ zusammenstellte (1904, 50 Exemplare). Orliks Drucke sind meisterhaft in ihrer technischen Ausführung, der pastelligen Farbgebung und der Motivwahl. Der bildende Künstler aus Europa wandte in manchen Bildern gewagte, ostasiatische Kompositionsmethoden an, schilderte das Alltagsleben fernab der touristischen Exotik oder auch von architektonischen Sehenswürdigkeiten. Die beiden Aufsätze von Birgit Ahrens und Rüdiger Joppien entwerfen ein lebendiges Bild von den Sehnsüchten des reisenden Künstlers, indem sie ihre Analysen mit vielen Zitaten aus der Korrespondenz Orliks mit Max Lehrs spicken. So endet auch Joppiens Text mit der Erkenntnis Orliks, der Holzschnitt habe „bei uns unter dem suggestiven Einfluß (sic!) des großen nordischen Meisters Edvard Munch, sehr entsprechend einer Zeit, die, nach starken Wirkungen strebend, alles Zarte zu schwach zu finden geneigt ist, einen anderen Weg eingeschlagen. Die frühesten primitiven Drucke, Bauern- und Negerkunst haben eingewirkt; das feine Schneidemesser rostet.“ Dass sich der Künstler unter diesen Prämissen mehr der Malerei zuwandte und der Radierung und der Lithographien den Vorzug gab, mag man verstehen. Die Poesie der „Aus Japan“-Mappe oder auch so manches einzelne Blatt sprechen wahrlich eine andere Sprache. Dem Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe ist mit dieser Schau und dem Katalog ein wunderbarer Einblick in ein – in Österreich leider – fast vergessenes Werk geglückt.

 

 

Emil Orlik: Bilder

  • Emil Orlik, Maler, Holzschneider und Drucker in Japan, 1900/01
  • Emil Orlik, Der Drucker, 1900/01, Farbholzschnitt
  • Emil Orlik, Pilger, 1900
  • Emil Orlik, Der japanische Maler Kano Tomonobu, 1901
  • Emil Orlik (1870-1932), Ein Windstoß (Der Windstoß), 1901
  • Emil Orlik, Rast im Gebirge (Rast), 1900
  • Emil Orlik, Japanerin in Winterkleid (Profil), 1901
  • Emil Orlik, Am Abend, 1901
  • Emil Orlik, Japanisches Mädchen unter Weidenbaum,1902

 

Wien ein Traum! Emil Orlik in Japan: Ausstellungskatalog

Peter Voss-Andreae (Hg.)
mit Textbeiträgen von B. Ahrens und R. Joppien
140 Seiten, 28,6 x 21,3 cm mit 84 farbigen Abb.
ISBN: 978-3-927840-62-I
Edition Klaus Raasch

Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.