Francesca Woodman (Denver (Colorado, USA) 3.4.1958–19.1.1981 New York) war eine jung verstorbenen, amerikanischen Fotokünstlerin der jüngeren Vergangenheit. Ihr Werk umfasst zahlreiche kleine, schwarz-weiße, quadratische Fotografien, Videos, großformatige Blaudrucke (Cyanotypien), Zeichnungen und einige Künstlerbücher.1
Das Ausnahmetalent hatte bereits als Studentin an der Rhode Island School of Design (RISD) in Providence 1976 ihre erste Einzelausstellung und galt als aufstrebender Stern der New Yorker Kunstszene, als sie im Jänner 1981 freiwillig aus dem Leben schied. Schon früh hatte Francesca Woodman ein eigenes Studio, arbeitete in verlassenen, unbewohnten Fabrikräumen mit hohen, großen Fenstern, da sie stets mit Tageslicht fotografierte.
Woodmans fotografische Werk entstand im Dialog ihres Körpers mit leerstehenden Räumen und literarischen Vorbildern wie Marcel Proust aber auch der griechischen Mythologie. Vieler ihrer Bilder inszenieren ihren Körper als ein sich auflösendes Objekt, als ob er Teil der verfallenden Ausstattung wäre. So stellte sich Woodman der Vergänglichkeit und machte diese im Medium Fotografie spürbar. Ihre höchst atmosphärisch aufgeladene Schwarz/Weiß-Aufnahmen durchweht ein Hauch von Nostalgie und Geheimnis.
Francesca Woodman wurde am 3. April 1958 in Denver, Colorado, USA, geboren. Sie war die Tochter des Künstlerpaares Betty und George Woodman, das sich sehr für Italien interessierte. Daher erhielt Francesca einen italienischen Vornamen.2
Das Interesse an Italien veranlasste die Eltern immer wieder nach Italien zu fahren und sich dort immer wieder niederzulassen. 1959/60 hielt sich Francesca Woodman ein Jahr in Italien auf.
Francesca Woodman besuchte die 1. Klasse der Volksschule in Boulder, Colorado, und nahm Klavierunterricht (1964/65). Darauf folgte erneut ein einjähriger Aufenthalt in Florenz, wo Francesca Woodman die 2. Klasse Volksschule besuchte und Italienisch lernte (1965/66).
Die Familie Woodman kehrte nach Boulder zurück, wo Francesca die Schule besuchte und weiterhin Klavierunterricht bekam (1966–1972).
Sommer 1968 Im Sommer 1968 hielt sich Francesca in Fiesole auf (I). Woodmans Eltern kauften ein altes Bauernhaus in Antella bei Florenz. Im folgenden Sommer hielten sie sich zum ersten Mal in Antella auf.
Vom Herbst 1972 bis zum Sommer 1973 besuchte Francesca Woodman die Abbott Academy in Andover, Massachusetts, ein privates Mädcheninternat und eine der wenigen amerikanischen Highschools, die Kunstunterricht anboten. Die junge Woodman begeisterte sich für die Romane der Colette und entdeckte die Fotografie. Machte aus ihrem Zimmer ein Fotostudio, das Bett wurde in einen Schrank verbannt. In dieser improvisierten Dunkelkammer machte Francesca Woodman die ersten Abzüge ihrer Fotografien. Während des Sommeraufenthalts in Antella 1973 entstand die Fotografie „Self portait at thirteen“.
Die Abbott Academy schloss im Jahr 1973. Ausgewählte Studentinnen, darunter Francesca Woodman, wurden eingeladen, an die Phillips Academy in Andover, Massachusetts, zu wechseln. Sie erkannte, dass die Schule nicht ihren Interessen entsprach, und beschloss nach ihrem zweiten Internatsjahr, nicht mehr dorthin zurückzukehren.
1974/75 schloss Francesca Woodman die Highschool in Boulder, Colorado, ab. Die Eltern verbrachten das Jahr in Antella, und Francesca Woodman wohnte bei einer Kollegin von Betty Woodman. Aufgrund zusätzlicher Kurse und eines Sommerstudiums konnte Francesca Woodman die Highschool ein Jahr früher beenden. Besuchte einige Fotografiekurse an der University of Colorado, Boulder, bei Kollegen ihrer Eltern.
Woodman schrieb sich 1975/76 an der Rhode Island School of Design (RISD) in Providence, Rhode Island, ein. Sie besuchte Lyrikklassen und wurde von Aaron Siskind unterrichtet. Bald zog sie für zwei Jahre in ein Atelier in Pilgrim Mills, einer ehemaligen, weitgehend ungenutzten Textilfabrik in Providence.
Auf dem Bewertungsbogen ihres Fotografieprofessors Douglas Prince heißt es:
„Dank Ihrem Hintergrund und künstlerischen Engagement sind Sie zu einer interessanten Studentin in Photo II geworden. Ihre Konzepte übertreffen das Niveau der Klasse bei weitem […]. Ich glaube, die größte Herausforderung für Sie wird darin bestehen, Disziplin und Freiheit miteinander zu verbinden, um das Bestmögliche aus Ihren Ideen herauszuholen und die Erwartungen an sich selbst aufrechtzuerhalten, ohne allzu selbstkritisch zu werden oder Angst davor zu haben, Fehler zu machen. Ihr Werk ist geistvoll, und sie sollten zulassen, dass es so weit wie möglich wächst.“
Im März 1976 hatte Francesca Woodman ihre erste Einzelausstellung in der Addison Gallery of American Art, Andover, Massachusetts. Im selben Jahr nahm sie auch erstmals an einer Gruppenausstellung – „Juried Competition“ in der Woods-Gerry Gallery, RISD, Providence, Rhode Island – teil. Es folgte eine Teilnahme an der Gruppenausstellung „Womanspace“ in Boulder, Colorado (April 1977).
Francesca Woodman hielt sich zwischen Mai 1977 und August 1978 in Rom auf, wo sie am römischen Campus der RISD im Palazzo Cenci Kurse besuchte. Die Fotografin schloss Freundschaft mit italienischen Künstler:innen. Woodman mietete eine Wohnung in der Via dei Coronari an der Piazza San Salvatore in Lauro in der Nähe der Piazza Navona.
Woodman frequentierte die Libreria Maldoror in der Via di Parione, die im selben Jahr von Giuseppe (Cristiano) Casetti und Paolo Missigoi gegründet worden war. Die Libreria Maldoror war auf Bücher künstlerischer Avantgardebewegungen wie Futurismus und Surrealismus spezialisiert und stellte auch Kunst aus. Im Jahr 1977 funktionierte der Künstler Giuseppe Gallo die leere, heruntergekommene Pastificio Cerere, eine alte Pastafabrik, in der Via degli Ausoni in einen Kunstraum um. Es wohnte und arbeitete dort seit den 70er Jahren die Gruppe San Lorenzo, darunter Marco Tirelli, Nunzio, Pizzi Canella u.a. Francesca Woodman inszenierte dort die Serie „Angel“.
In der Fassi-Bar auf der Piazza Fiume entstand in Zusammenarbeit mit Sabina Mirri auch die „Glove Series“ (1977), die sich auf Max Klingers „Phantasien über einen gefundenen Handschuh, der Dame, die ihn verlor, gewidmet“ (1881) bezieht. In Rom schaffte Woodman außerdem im Souterrain des vom RISD genutzten Palazzo Cenci die Serien „Eel“ und „Self deceit“.
Woodmans erste europäische Einzelausstellung fand im Souterrain der Libreria Maldoror statt (März 1978). Den Einladungskarten fügte sie neben der Adresse jeweils einen originalen Kontaktabzug bei. Am 30. März 1978 erschien die erste, von Edith Schloss verfasste Rezension in der „International Herald Tribune“:
„Diese junge amerikanische Fotografin, die auch Malerin ist, sagte, sie wolle mit der Fotografie das einfangen, was sich auf keine andere Weise einfangen lässt.“
Im Mai 1978 nahm Francesca Woodman an der Gruppenausstellung „Groupshow“ in der RISD-Galerie im Palazzo Cenci teil, und im Juni/Juli 1978 wurden ihre Fotografien zusammen mit jenen von Bruno Ceccobelli, Gianni Dessi, Giuseppe Gallo und Angelo Segneri in der Gruppenausstellung „Cinque Giovani Artisti“ in der Galerie Ugo Ferranti gezeigt.
Im Herbst 1978 kehrte Francesca Woodman nach Providence, Rhode Island, zurück, um dort ihr letztes Semester an der RISD zu absolvieren. Ihre dritte Einzelausstellung in der Woods-Gerry Gallery, RISD, Providence, Rhode Island trug den Titel „Swan Song“ (16.–22. November 1978).
Im Januar 1979 zog Francesca Woodman nach New York City in eine Wohnung an der Second Avenue um; die Wohnung war zugleich ihr Atelier, und es entstanden darin zahlreiche Fotografien. Im Herbst zog sie in der 12th Street im East Village, die sie auch als Atelier benutzte. Die Künstlerin funktionierte das Badezimmer in eine Dunkelkammer um und entwickelte ihre Schwarzweißfotografien in einer Badewanne. Erste Farbfotografien, die in einem kommerziellen Fotolabor ausgearbeitet wurden.
Francesca Woodman jobbte als Sekretärin, als Fotoassistentin und als Modell für Maler. Stellte Portfolios zusammen, die sie an verschiedene Modefotografinnen und Modefotografen schickte, darunter die von ihr geschätzte Deborah Turbeville.
In der Gruppenausstellung „Beyond Photography ’80“ im Alternative Museum, New York zeigte Francesca Woodman „Blue Print for a Temple“, eine großformatige fotografische Rekonstruktion der Fassade eines griechischen oder römischen Tempels (19.4.–17.5.1980). Dabei verwendete sie Bilder von sich selbst und ihren Freunden als Karyatiden neben Details von Badezimmern im klassischen Stil. Der Einsatz von Blaupausen, die normalerweise Architekten verwenden, war Ausdruck ihres Wunsches, im großen Maßstab zu arbeiten. Im selben Jahr nahm sie in der Daniel Wolf Gallery in New York an zwei weiteren Gruppenausstellungen, „Pictiorialism“ und „Friends of the Gallery“, teil.
Im Juli 1980 war Francesca Woodman Fellow (Artist in Residence) in der MacDowell Colony in Peterborough, New Hampshire. Die Fotografin entwickelte dort eine Serie von Kontaktbögen, die Korrespondenzen zwischen ihrem Körper und Naturgegenständen schildern. Für „Tree Piece“ fotografierte sie die Beine des hölzernen Esstisches im New Yorker Loft ihrer Eltern und machte Abzüge als großformatige sepiafarbene Diazotypien. Diese installierte sie während ihres Aufenthalts in MacDowell im Wald von Peterborough und brachte auf diese Weise ein Stück Natur zurück zu seiner Quelle. Weiters entstanden Fotografien, die den griechischen Mythos um Daphne thematisieren.
Im Herbst 1980 überlebte Francesca Woodman einen Suizidversuch und zog zu ihren Eltern, die ebenfalls in Manhattan wohnten. Während ihrer Genesungsphase las sie Marcel Proust. Im Januar 1981 veröffentlichte ein Verlag in Philadelphia Francesca Woodmans Künstlerbuch „Some Disordered Interior Geometries“. Sie klebte ihre Fotografien in ein altes Geometrie-Übungsheft und versah sie mit Notizen. Das Künstlerbuch war eines von sieben existierenden Heften.
Francesca Woodman nahm sich am 19. Januar 1981 im Alter von 22 Jahren in New York das Leben.