Anselm Reyle. Urban Waste transformed
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Anselm Reyle Urban Waste Transformed

Anselm Reyle, Untitled, 2011.

Anselm Reyle, Untitled, 2011.

Der derzeit interessanteste Berliner Künstler, der die Szene mit seinen unangepassten Bildern zu den losen „Enden der Moderne“ (zit. Anselm Reyle, * 1970) aufrüttelt, transformierte für das Arken „urban waste“ in eine Kunstausstellung. An der Stuttgarter und Karlsruher Akademie ausgebildet, hat er seit 2009 eine Professur an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg inne. Reyle lebt und arbeitet in Berlin.

Die Skulpturen, Gemälde und Wandobjekte werden in der Ausstellung in eine dunkle Landschaft des Verfalls gehängt. Computerschrott, Blechtonnen, Leuchtstoffröhren, alte Möbel, zerbrochenes Glas stehen im starken Gegensatz zur Perfektion der Objekte Reyles. Bekannt wurde der Berliner vor allem durch seine Folien-Bilder: abstrakte Werke, in denen die „Geste“ der Falte, die Verführungskraft des schimmernden Materials und die Präsentation in monströsen Acryl-Kästen beeindruckend wirken. Funkelnde, scheinbar pompöse Materialien werden von Reyle auch zu Streifenbildern und Objekten verarbeitet, immer sind Objekte aus dem Alltag bzw. künstlerische Strategien der Moderne Ausgangspunkt dafür.

Reyles Arbeiten wirken durchaus kitschig: zu schrill in ihren Neon-Farben und ihrem Licht, zu banal in ihren Formen, zu dekorativ mit ihren Spiegeln und ihrem Glitzerstaub. Die seit der Moderne verpönte Funktion von Kunst als Dekoration wird von Reyle z.B. mit den „Malen-nach-Zahlen“-Bildern humorvoll zur Diskussion gestellt. Sein Erfolg lässt sich demnach so interpretieren, dass das Sammler-Publikum durchaus ein Bedürfnis nach ästhetisch ansprechenden, witzigen Werken hat, deren formale Ähnlichkeiten mit den „Meisterwerken“ der Kunst der 60er und 70er Jahre bei Reyle auch das Repräsentationsbedürfnis erfüllen (→ Diskursive Malerei von Albers bis Zobernig).

Reyles Arbeiten stellen jedoch auch die Frage nach der Objektivität nicht-figurativer Abstraktion und nach dem Zwang permanenter Neuschöpfung. Ist ein horizontales Streifen-Bild „nur“ eine Anordnung geometrischer Muster oder kann es auch an einen romantischen Sonnenuntergang erinnern? War mit Streifen-Bildern nicht bereits in den 70ern alles gesagt? Recycelt werden in dieser Ausstellung also nicht nur der urbane Müll, sondern auch wichtige Merkmale der modernen Kunst. Humorvoll, überraschend, mit verführerischen Oberflächen und Materialien, psychedelisch, kitschig, zu romantisch um als straight oder konkret durchzugehen - alles Eigenschaften von Reyles Werken - und vor allem immer mit der Frage verbunden, ab wann ein Objekt zum Kunstwerk wird.

Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.