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Günther Oberhollenzer über „Die Zukunft der Malerei“ Ein Gespräch anlässlich der gleichnamigen Ausstellung im Essl Museum

Vika Prokopaviciute, Table, 2014, Öl und Ölkreide auf Leinwand / Oil and oil crayon on canvas, 180 x 200 cm, Foto und ©: Vika Prokopaviciute

Vika Prokopaviciute, Table, 2014, Öl und Ölkreide auf Leinwand / Oil and oil crayon on canvas, 180 x 200 cm, Foto und ©: Vika Prokopaviciute

Ein Gespräch mit Günther Oberhollenzer, Kurator am Essl Museum in Klosterneuburg bei Wien, über die kommende Schau „die zukunft der malerei. eine perspektive“ aus der Reihe „emerging artists“. Wir trafen einander im Depot und den Ausstellungsräumen des Museums am 23.9.2014 um 16 Uhr 35, um über die kommende Gruppenausstellung, die Neubewertung der (klassischen) Malerei und die Bedeutung der Originale zu sprechen.

Alexandra Matzner: Wir stehen hier jetzt gemeinsam im Depot des Essl Museums, wo einige Werke aus der kommenden Ausstellung „die zukunft der malerei. eine perspektive“ gelagert sind.

Günther Oberhollenzer: Ja, morgen, übermorgen werden die Arbeiten in die Ausstellungsräume kommen. Wir machen alle zwei Jahre eine „emerging artist“-Ausstellung – 2012 war sie der New Yorker Szene gewidmet, 2010 kamen die Künstler_innen aus Indien, und 2008 zeigten wir mit „AUSTRIA conTEMPORARY“ bereits einmal die österreichische Kunstszene. Heuer haben wir uns auf Malerei und Grafik konzentriert. Dafür gibt es drei Gründe: Einerseits steht das Essl Museum sehr stark für Malerei. Andererseits hat es uns grundsätzlich interessiert, zu sehen, was sich in diesen beiden Techniken tut, gerade weil sie immer wieder kritisch beäugt werden. Im letzten Jahr stand z. B. das „curated by“ Galerienprojekt im Rahmen der VIENNAFAIR unter dem Motto „Why Painting Now?“, mit dem die Zeitgemäßheit dieses traditionellen Mediums hinterfragt wurde. Mit unserer Ausstellung ist es uns ein Anliegen zu erfahren, was sich in der österreichischen Malerei- und Grafikszene gerade tut – auch da man von diesen Medien in der zeitgenössischen Kunstszene zu wenig sieht.

Alexandra Matzner: Du meinst damit in den Ausstellungen? In den Galerien?

Günther Oberhollenzer: Ja, beide sind gemeint, die Institutionen wie die Galerien. Der dritte Punkt ist, dass man mit einer Konzentration auf Malerei und Grafik in einer Gruppenausstellung mehr in die Tiefe gehen kann. 2008 haben wir alle Medien gezeigt, wodurch nur einige wenige Positionen aus jeder Gattung vorgekommen sind.

Alexandra Matzner: Bedeutet Grafik in diesem Zusammenhang Handzeichnung oder auch Druckgrafik?

Günther Oberhollenzer: Durchaus auch Druckgrafik. Die Grenzen sind überhaupt fließend. Wo hört die Malerei auf, wo beginnt die Grafik? Ein gutes Beispiel dafür ist etwa Thomas Riess, er zeichnet, collagiert und malt. Es gibt in der Ausstellung aber auch ganz klassische zeichnerische Positionen, die nicht malerisch wirken wollen, wie z.B. Patrik Roman Scherer. Ich fand es interessant, auch das grafische Element hineinzunehmen. Das bereichert die Schau ungemein.

Alexandra Matzner: Wie viele Werke von wie vielen Künstler_innen wird es in der Schau zu sehen geben?

Günther Oberhollenzer: Über hundert Werke von 23 Künstlerinnen und Künstlern sind in der Ausstellung zu sehen. Die Gruppenausstellung ist das Ergebnis einer Ausschreibung ohne Alterslimit und ohne eingeforderte akademische Ausbildung. Das war uns sehr wichtig.

Alexandra Matzner: Wie passt das mit dem Begriff des „emerging artist“ zusammen?

Günther Oberhollenzer: Ich glaube, dass jemand auch noch mit 50 oder 70 Jahren ein „emerging artist“ sein kann. Das Alter hat damit gar nichts zu tun. Im Gegenteil finde ich es problematisch, dass wir oft auch in der Kunst einen Jugendwahn pflegen, dass manche Galerien, Sammler und auch Institutionen, junge Künstler_innen so gierig aufnehmen. Doch jemand mit 35, 40 oder 50 Jahren, der schon ein gewisses Curriculum hat, aber noch nicht den Durchbruch geschafft hat, ist ebenso entdeckens- und zeigenswert. Daher haben wir kein Alterslimit. Das gibt Menschen eine Chance, die bisher im Verborgenen gearbeitet oder auch schon eine gewisse Ausstellungsgeschichte haben, aber noch nicht in einem Museum etwa in einer großen Einzelausstellung zu sehen waren. Es wurde auch keine akademische Ausbildung gefordert und Autodidakten aufgenommen. Wir haben zwei Autodidaktinnen in der Ausstellung.

Alexandra Matzner: Wie ging der Auswahlprozess vor sich?

Günther Oberhollenzer: Von Mitte Februar bis Ende April haben sich 756 Künstler_innen online beworben, eine beeindruckende Bandbreite an Positionen! Gemeinsam mit meinen Kollegen Andreas Hoffer und Johanna Langfelder-Hain habe ich mir das alles angesehen. Zuerst wählten wir ca. hundert Künstler_innen aus, dann reduzierten wir nochmals auf 46 Positionen. Diese 46 Künstler_innen haben wir dann in den Ateliers besucht, um ihre Werke im Original zu sehen und die Künstler_innen persönlich kennenzulernen. Bei dieser Ausstellung gibt es keine klassische Jury. Wir haben manche Positionen auch deshalb ausgewählt, weil sie etwas aus dem Rahmen fallen und wir glauben, dass sie es bei den meisten Juryen sehr schwer hätten.

Alexandra Matzner: Lass uns die Statistik der Ausstellung noch einmal kurz rekapitulieren! Es geht um die „Zukunft der Malerei“ aus einer österreichischen Perspektive, aber nicht alle Beteiligten sind in Österreich geboren, oder? Wie viele Künstler_innen aus welchen Ländern werden gezeigt?

Günther Oberhollenzer: In der Ausstellung sind 23 Künstler_innen die zwischen 26 und 72 Jahre. Viele sind in Wien ansässig aber einige kommen auch aus anderen Bundesländern. Zwei österreichische Künstler leben momentan in Berlin. In Österreich lebend, stammen mehrere aus anderen Ländern: aus Syrien, Litauen, Russland, Bulgarien und aus Deutschland. Neben schon bekannteren Künster_innen gibt es auch solche, die es zu entdecken gilt, die man bisher leider noch kaum gesehen hat. Es ist eine gute, sehr vielseitige Mischung mit spannenden Dialogen.

Alexandra Matzner: Könnte man das Konzept dieser Ausstellung wie folgt beschreiben: Künstler_innen aus dem „Unsichtbaren“ holen und vor den Vorhang einer breiteren Öffentlichkeit bitten?

Günther Oberhollenzer: Durchaus! Nur weil man etwas nicht sieht, heißt das nicht, dass es nicht passiert. Was die Malerei und die Grafik betrifft, gibt es ein viel größeres, kreatives Potenzial in Österreich als in Ausstellungen und Galerien zu sehen ist.

Alexandra Matzner: Woran, glaubst du, liegt das?

Günther Oberhollenzer: Ich glaube, dass das oft auch mit einem verzerrten Blick auf die zeitgenössische Kunst zu tun hat. Ich erlebe immer wieder, dass „klassische“ Medien wie Malerei und Grafik als zu wenig „zeitgenössisch“ wahrgenommen werden. Gleichzeitig bieten gerade Malerei und Grafik dem Publikum häufig einen leichteren Zugang als etwa die Neuen Medien, ein Film, eine Installation, eine konzeptionell reduzierte Arbeit. Manche sind vielleicht dadurch verschreckt, weil sie glauben, dass Malerei und Grafik zu wenig elitär und zu wenig intellektuell wären. Das ist ein völliges Missverständnis! Nur weil eine Arbeit im ersten Moment eine visuelle Wirkung hat, heißt das noch lange nicht, dass sie deshalb oberflächlich oder trivial sein muss. Wenn ich manchen Kunstdiskurs verfolge, habe ich – etwas polemisch formuliert – den Eindruck, je komplizierter und komplexer eine Arbeit erscheint, desto besser ist sie. Das stimmt natürlich nicht.

Alexandra Matzner: Geht es bei deinen Überlegungen also um eine Konkurrenz zwischen Textproduktion und Kunstproduktion?

Günther Oberhollenzer: Bei vielen Bildern braucht man nicht viel erzählen, sondern man kann sie einfach auf sich wirken lassen. Anderer brauchen unterstützende Informationen. Das kann man natürlich nie generalisieren. Ich möchte auch nicht die klassischen Medien gegenüber den Neuen Medien ausspielen. Die Neuen Medien sind eine große Bereicherung für die zeitgenössische Kunst. Das Problem ist, dass manchmal geglaubt wird, dass in dem Moment, in dem etwas Neues auftaucht, das Alte verschwinden müsse.
Vielleicht steckt dahinter auch eine Unkenntnis der Kunstgeschichte: Als die Fotografie vor bald 200 Jahren aufkam, wurde gemutmaßt, dass die Malerei verschwinden würde. Eigentlich ist genau das Gegenteil passiert! Die Malerei konnte sich von ihrer Abbildfunktion befreien und völlig neue Wege gehen. Die gesamte Malereigeschichte des 20. Jahrhunderts wäre ohne das Aufkommen der Fotografie vermutlich ganz anders verlaufen.

Alexandra Matzner: Der oft zitierte „Tod der Malerei“, unter anderem durch den amerikanischen Kritiker Donald Crimp in den 1980er Jahren, ist für dich also irrelevant?

Günther Oberhollenzer: Der „Tod der Malerei“ ist Unsinn! Schon im 19. Jahrhundert wurde davon gesprochen, dann im 20. Jahrhundert mit der Erfindung der Abstraktion und der Zerstörung des Tafelbildes. Nach dem Zweiten Weltkrieg sprach man dann stärker von der Irrelevanz der Malerei. Das Spannende ist, dass immer dann, wenn die Malerei als vernachlässigbar gehandelt wurde, sie mit ungeheurer Kraft ein Lebenszeichen von sich gab, so z.B. mit den „Jungen Wilden“ in den 1980er Jahren oder mit der „Leipziger Schule“ in der zweiten Hälfte der 90er Jahre. Das Abwenden von der Malerei hat genau den gegenteiligen Effekt ausgelöst. Ich glaube, gerade in der heutigen Zeit, in einer multimedialen Gesellschaft, in der wir täglich mit tausenden Bildern bombardiert werden, die morgen schon wieder vergessen sind, kann ein Malerei, eine Zeichnung über den Moment hinauswirken und damit auch die Sehnsucht von vielen Menschen erfüllen.

Alexandra Matzner: Wie schaffen es die „emerging artists“ in der Ausstellung, um diese Relevanz zu postulieren? Welche Wege gehen sie?

Günther Oberhollenzer: Das Schöne ist, dass manche kuratorischen Erwartungshaltungen auch nicht erfüllt wurden. Ich habe im Leitfaden der Bewerbung geschrieben, dass ich es spannend finden würde, malerische Positionen zu entdecken, welche die Grenzen der Malerei ausloten, mit der Malerei in den Raum gehen, eine Verbindung von Neuen Medien und Malerei herstellen. In dieser Hinsicht hatten wir erstaunlicherweise wenige Einsendungen! Zwei spannende Künstler vertreten in der Schau diese Richtung: Alfredo Barsuglia, der sehr spielerisch mit Raum, Illusion und dem klassischen Tafelbild umgeht, sowie Peter Nachtigall, der das an die Spitze treibt und ein paar tausend Einzelbilder als Objekte im Raum installativ arrangiert.
Insgesamt hatte ich aber den Eindruck, dass sehr viele Künstler_innen der eigentlichen Qualität von Malerei und Grafik vertrauen, nämlich auf einem Blatt Papier oder auf einer Leinwand, eine Welt entstehen zu lassen. Das ist wunderbar! Es muss die Malerei nicht mehr neu erfunden werden. Es wäre ein Missverständnis zu glauben, dass man beim Ausstellungsbesuch plötzlich etwas entdeckt, das einer Neuerfindung der Malerei gleichkommt. Dennoch glaube ich, dass die Künstler_innen vielfältig wie kreativ die besonderen Qualitäten der Malerei und Zeichnung auf immer wieder überraschende und spannende Weise variieren.

Alexandra Matzner: Gibt es spezielle Themen, mit denen sich die ausgewählten Künstler_innen beschäftigen? Wenn es nicht um die Malerei als Malerei geht, was macht diese Gemälde, Zeichnungen und Drucke aktuell und zeitgenössisch?

Günther Oberhollenzer: Der syrische Künstler Adel Dauood thematisiert sein Leben als Flüchtling, Lena Göbel beschäftigt sich mit dem ländlichen Leben ihrer Kindheit und Jugend, Larissa Leverenz erfindet surreale wie nostalgische Traumwelten, Alfons Pressnitz malt Naturlandschaften, die an postapokalyptische Szenarien erinnern: Die Themen sind äußerst unterschiedlich und vielseitig. Und natürlich kann auch die Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten der Malerei, wie z. B. bei Robert Muntean oder Martin Veigl, ein zeitgenössisches Thema sein. Wenn man so eine Ausschreibung macht, hofft man, auf diese Weise gewissen Tendenzen in der Malerei in Österreich auf die Spur zu kommen. Gleichzeitig muss man sich immer eingestehen, dass die Auswahl eine sehr subjektive ist, und dass man das nicht zu sehr verallgemeinern sollte. Eine Tendenz glaube ich aber schon entdeckt zu haben, nämlich dass die Figuration stark vorherrschend ist.

Alexandra Matzner: Lässt sich daraus schlussfolgern, dass man mit der Abstraktion heute nichts mehr sagen kann?

Günther Oberhollenzer: Nein, es gibt auch starke abstrakte Positionen, wie z. B. jene von Vika Prokopaviciute. Sie ist noch Studentin in der ehemaligen Klasse von Johanna Kandl an der Angewandten. Prokopaviciute geht vom Gegenstand aus, abstrahiert ihn aber immer mehr. Ihr unverwechselbarer malerischer Stil hat uns sehr beeindruckt. Wir haben nur relativ wenige Bilder gesehen, aber schnell war klar, dass wir sie zeigen möchten.
Auch Suse Kravagna geht vom Gegenstand aus, von Architekturformen aus dem Alltag, abstrahiert diese aber völlig und malt Variationen davon als Serie. Ich glaube grundsätzlich, dass ein figurativer Zugang heute generell beliebter ist. Beliebt ist das Spiel, die Figuration in Richtung Abstraktion zu treiben oder aus Abstraktionen Figuratives zu entwickeln, wie z. B. bei Matthias Lautner, Christiane Wratschko oder den bereits genannten Robert Muntean und Martin Veigl.

Alexandra Matzner: Gibt es einen künstlerischen Zugang, den ihr nicht erwartet habt?

Günther Oberhollenzer: Ja, natürlich. So z. B. die „altmeisterliche“ Malerei von Leo Mayer. Der Künstler hat bei Wolfgang Hollegha in den 1970er-Jahren studiert und war bei Schmalix und Mikl Assistent. Ich hatte von ihm noch nie gehört und noch nie etwas gesehen. Das letzte Jahrzehnt, so erzählte er uns, habe er im Verborgenen gearbeitet. Mayer malt Landschaftsmotive aus seiner Wiener Umgebung, die Trapprennbahn in der Krieau, die Donau mit Badenden, getaucht in flirrendes Sommerlicht…

Alexandra Matzner: Wer vertritt die Druckgrafik bei den „emerging artists“?

Günther Oberhollenzer: Wir zeigen z. B. Holzschnitte von Lena Göbel. Ihr gelingt es spielend, dieser traditionellen Technik einen zeitgenössischen Ausdruck zu verleihen. Sie druckt Bilder auf Papier, kaschiert diese auf Leinwand und bemalt sie dann noch mit Schellack und Expoxidharz. Teilweise stellt sie auch die Druckstöcke aus. Bilder von archaischer Schönheit. Larissa Leverenz, die einen Lehrauftrag an der Angewandten hat, zeichnet, malt, collagiert und druckt auf Holzplatten Sie erfindet wundersame Wesen und Geschichten. Ganz feine Arbeiten.

Alexandra Matzner: Gibt es auch die Kombination Malerei-Fotografie?

Günther Oberhollenzer: Das Künstlerpaar marshall!yeti zeigen kleine Polaroids. Auf den Bildern sind die zwei Künstler Gerald Y Plattner und Ferdinand „Marshall“ Karl in unterschiedlichen Settings zu sehen. Diese wurden dann in vielfältiger Art malerisch behandelt. Wir haben viele Großformate in der Ausstellung, gerade deshalb finde ich es schön, auch einige so kleinformatige Werke zu zeigen.

Alexandra Matzner: Auf dem Wagen liegen aber auch noch Zeichnungen, Collagen in interessant geformten Rahmen.

Günther Oberhollenzer: Die aus Russland stammende Akademie-Studentin Victoria Vinogradova erschuf diese Zeichnungen und Collagen. Ich finde, man kann in ihren meisterhaften Zeichnungen noch den Sozialistischen Realismus erahnen, wobei sie dem gegenüber aber sehr rätselhaft und vieldeutig bleiben.

Alexandra Matzner: Diese Zeichnungen sehen aus wie aus dem späten 19. Jahrhundert, wenn ich das sagen darf!

Günther Oberhollenzer: Auch bei ihr kann ich mir durchaus vorstellen, dass vielleicht manche meinen, diese Art zu zeichnen sei zu traditionell. Aber ich sehe hier eine große künstlerische Qualität.

Alexandra Matzner: Wir stehen jetzt vor einigen Paletten von Gemälden, die etwas lapidar in IKEA-Säcken verpackt sind. Was ist das?

Günther Oberhollenzer: Das ist – oder besser wird – die Arbeit von Peter Nachtigall. Das sind rund 2.800 Arbeiten, die er gemalt hat.

Alexandra Matzner: Arbeitet er im Akkord – wie ein chinesischer Fließband-Maler?

Günther Oberhollenzer: Nein, er hat ein paar Jahre dafür gebraucht. Er bezeichnet die Arbeit als malerisches Archiv und hat sie im Atelier wie Bücherreihen geordnet. Jedes Bild trägt eine Nummer. Er möchte sie in der Ausstellung wie Bücherreihen präsentieren aber auch im Raum aufbauen.

Alexandra Matzner: Wenn die Gemälde so am Boden arrangiert werden, sieht man die Motive nicht mehr.

Günther Oberhollenzer: Darum geht es Nachtigall auch. Die Gemälde werden so zu Objekten und sind keine zweidimensionalen Bilder mehr.

Alexandra Matzner: Gibt es einen Rhythmus, in dem er diese Bilder arbeitet? Beispielsweise pro Tag ein Bild wie ein Tagebucheintrag?

Günther Oberhollenzer: Nein! Er steht seiner Arbeit auch sehr unprätentiös gegenüber. Da er einen Ganztagsjob hat, malt er z. B. abends vor dem Fernseher, und meint dazu, das wäre wie stricken. Er malt in allen möglichen Stilen. Es sind Bilder darunter, die sehen aus wie von Gerhard Richter, anderer erinnern an abstrakte Schüttbilder, sind geometrische Abstraktionen, expressive Figuration.

Alexandra Matzner: Die Tagesverfassung lässt sich so herauslesen?

Günther Oberhollenzer: Nein, das glaube ich nicht. Es geht ihm weniger darum zu zeigen, was er kann, sondern was alles ein Bild sein kann. Er malt alles Mögliche, was bildwürdig ist. Dabei beschäftigt er sich mit der Bilderflut unserer Zeit und überflutet uns mit seiner Malerei. Doch 95% der Arbeiten wird man in der Ausstellung nicht sehen, sondern nur die Rahmen!
Hier sehen wir auch noch Arbeiten von Eric Kressnig, eine sehr reduzierte geometrisch-konkrete Position. Sein Farbenrepertoire ist unverwechselbar, die Gemälde sind aufgrund ihrer Tiefe schon fast Objekte.
Die fast weißen Gemälde stammen von Isabella Langer. Die Motive sind im ersten Moment kaum erkennbar. Sie malt mit Ei-Tempera, das sie selbst anrührt. Ihre Themen sind Seelandschaften, Strandlandschaften, manchmal Menschen. Die Gemälde sind so zart gemalt, dass man die Figuration oft erst beim zweiten Blick entdeckt – und dann auch immer wieder verliert.

Alexandra Matzner: Diese Art zu malen hat etwas vom Zen-Buddhismus?

Günther Oberhollenzer: Es hat etwas sehr Meditatives, Kontemplatives und Ruhiges. In einem Katalog sind diese Werke nur sehr schwer abbildbar. Dieser Aspekt ist durchaus erhellend, weil er uns die Grenzen der heutigen Technik aufzeigt. Es ist fast poetisch, dass Malerei – wie viele Kunst – einfach immer nur bedingt abbildbar ist. Bei der online-Bewerbung mussten wir uns gestehen, dass wir die Arbeit aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht bewerten konnten. Wir waren dann sehr froh, dass wir uns im Atelier die Originale angesehen haben! Das Original ist das Wesentliche in der Kunst!

Alexandra Matzner: Das ist doch ein schöner Schlusssatz! Einige Originale müssen an den Wänden des Museums noch entstehen, darunter eine Wandzeichnung von Ines Agostinelli und eine installative Arbeit von Alfredo Barsuglia. Viel Erfolg für die weiteren Vorbereitungen und Danke, dass ich einen so frühen Einblick in die Ausstellung bekommen konnte!

Die Gruppenausstellung „die zukunft der malerei. eine perspektive“ wird am 2. Oktober 2014 eröffnet.

Beteiligte Künstlerinnen und Künstler

Ines Agostinelli, Alfredo Barsuglia, Adel Dauood, Cäcila Falk, Irina Georgieva, Lena Göbel, Suse Kravagna, Eric Kressnig, Isabella Langer, Matthias Lautner, Larissa Leverenz, Leo Mayer, Robert Muntean, Peter Nachtigall, Alfons Pressnitz, Vika Prokopaviciute, Thomas Riess, Bianca Maria Samer, Patrick Roman Scherer, Martin Veigl, Victoria Vinogradova, Christiane Wratschko, marschall!yeti.

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Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.