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Jacopo Tintoretto: Biografie Leben und Werke des venezianischen Manieristen

Tintoretto, Die Geißelung Christi, um 1585–1590, Öl auf Leinwand, 118 x 105 cm (Kunsthistorisches Museum, Wien)

Tintoretto, Die Geißelung Christi, um 1585–1590, Öl auf Leinwand, 118 x 105 cm (Kunsthistorisches Museum, Wien)

Jacopo Tintoretto (1518/19–Venedig 1594) wurde – je nach Auslegung der historischen Dokumente – 1518 oder 1519 in Venedig geboren. Tintorettos Spitzname leitet sich vom Beruf seines Vaters Giovanni Battista oder Giambattista Robusti ab, der als Färber [tintore] arbeitete. Sein Sohn nannte sich daher der „kleine Färber“, „Tintoretto“. Damit betonte er, dass er den politisch machtlosen popolani angehörte. Diese Gruppe stellte zwar 80°% der Bevölkerung Venedigs und setzte sich aus Handwerkern zusammen, sie war allerdings nicht in die Leitung der Markusrepublik eingebunden.

Über die Ausbildung von Tintoretto ist nichts überliefert. Carlo Ridolfi, der 1642 erstmals über Tintoretto publizierte, berichtet über einen sehr kurzen, jäh beendeten Aufenthalt des blutjungen Tintoretto im Atelier Tizians. Dieser hätte den begabten Schüler hinausgeworfen, nachdem er dessen Zeichnungen gesehen hatte. Ob man das glauben darf oder als Mythos abtun muss, wird in der Forschung (siehe Katalog) stark in Zweifel gezogen. Allerdings ist die sowohl auf persönlicher wie beruflicher Ebene ausgefochtene Antipathie zwischen den beiden Malern verbürgt.

1539 eröffnete Jacopo Tintoretto Tintoretto eine Werkstatt, ab den 1540er Jahren sind datierte Gemälde von seiner Hand bekannt. Das Frühwerk des Venezianers, das zwischen etwa 1537 und 1555 entstand, zeigt Tintorettos Weg zu einem der angesehensten und umstrittensten Maler der Lagunenstadt. Am 22. Mai 1539 siedelte sich Tintoretto mit einer Werkstatt am Campo San Cassiano an, wo er in den 1540er Jahren eine Reihe spektakulärer Werke für die Scuole Venedigs schuf. Hochdramatische Bilder mit reichen Bewegungen in vielfigurigen Kompositionen, in die Tiefe fluchtende Perspektiven, weich gemalte Farbflächen.

„Il disegno di Michelangelo e’l colorito di Tiziano [die Zeichnung Michelangelos und das Kolorit Tizians]“[noe]Zitiert nach Ausst.-Kat., S. 66.[/note] (Tintoretto schrieb dieses Motto angeblich auf seine Werkstattwand, berichtet Ridolf, 1642)

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Biografie von Jacopo Tintoretto (1518/19–1594)

  • 1518 oder 1519

    Errechnetes Geburtsjahr von Jacopo Robusti, genannt Tintoretto, der in seiner Sterbeurkunde als 75-jährig bezeichnet wurde. Tintoretto war der Sohn des Färbers [ital. tintore] Battista, sein Künstlername kann mit „kleiner Färber“ übersetzt werden. Die Familie des Künstlers stammte ursprünglich wohl aus Brescia und trug den Nachnamen Comino. Der angebliche Ehrenname „Robusti“ geht vermutlich auf die Hartnäckigkeit und Energie zurück, mit der Vater und Onkel Tintorettos im Jahr 1509 bei der Belagerung Paduas durch die kaiserlichen Truppen ein Tor der Stadt verteidigten.
  • 1537

    Der noch nicht zwanzigjährige Künstler mietete für 20 Dukaten „Wohnung und Werkstatt“ im Kirchsprengel von San Cassiano an.
  • 1538

    Spätestens in diesem Jahr war Tintoretto als Meister gelistet. Manches deutet darauf hin, dass er dort zunächst nicht nur auf eigene Rechnung arbeitete, sondern auch als Subunternehmer für andere Maler wie Bonifacio oder Tizian.
  • 1539

    Eröffnung einer Werkstatt am Campo San Cassiano (22.5.)
  • 1544

    In einer von Jacopo Robusti unterschriebenen Urkunde nannte er Name und Beruf seines Vaters: Giambattista Robusti arbeitete als Färber, weshalb sein (vielleicht wirklich klein gewachsener) Sohn „Tintoretto“, der kleine Färber, genannt wurde.
  • 1545

    „Bildnis des Nicola Doria“ (unbekannter Standort, datiert) und „Bildnis eines 25-jährigen Edelmannes“ (Royal Collection, datiert). Pietro Aretino dankte Tintoretto in seinem Schreiben für zwei Bilder, die Tintoretto für die Wohnung des Schriftstellers gemalt hatte: „Apoll und Marsyas“ (heute gemeinhin identifiziert mit dem Gemälde im Wadsworth Atheneum, Hartford, Connecticut) sowie „Argus und Merkur“. Darin bemerkte er die Schnelligkeit, mit der Tintoretto den Auftrag ausgeführt hatte.
  • 1546

    „Bildnis eines bärtigen Mannes“ (Uffizien, datiert)
  • 1547

    „Letztes Abendmahl“ (San Marcuola, Venedig, datiert), „Bildnis eines 26-jährigen Edelmannes“ (Rijksmuseum Kröller-Müller, Otterloo, datiert)
  • 1548

    Brief des Dichters Aretino an Tintoretto (April), in dem er sein „Sklavenwunder des hl. Markus“ für die Scuola Grande di San Marco (ehemals Kapitelsaal, heute: Gallerie dell’Accademia, Venedig) lobte (April). Am 8. Mai 1548 Anzahlung für das Altarbild „Der hl. Martialis mit den Aposteln Petrus und Paulus“ (San Marziale). Auftrag für die Dekoration der Orgelflügel in der Kirche Madonna dell’Orto. „Bildnis eines 28jährigen Edelmannes“ (Stuttgart, datiert)
  • 1549

    Zahlung für das Altarbild in der Kirche San Marziale (12.12.). „Der hl. Rochus heilt die Pestkranken“ für die Kirche San Rocco.
  • 1551

    Bezahlung einiger Gemälde für die Procuratia [Prokuratorenpaläste] (26.2.); im gleichen und den nächsten Jahren folgten weitere Aufträge.
  • 1552

    Schriftliche Verpflichtung, die noch nicht begonnenen Orgelflügel für die Kirche Madonna dell’Orto mit Gemälden zu schmücken (20.4.). „Bildnis eines jungen Edelmannes“ (Metropolitan Museum, New York, datiert).
  • 1553

    Bezahlung für ein Gemälde im Großen Ratssaal des Dogenpalastes, das im Brand 1577 vernichtet wurde. „Bildnis des Lorenzo Soranzo“ (Kunsthistorisches Museum, Wien, datiert)
  • 1554

    Wahrscheinliches Geburtsjahr von Jacopo Tintorettos erster Tochter Marietta, die ihrem Vater als Malerin in den Beruf folgte. Ihre Mutter dürfte nicht Faustina de’ Vescovi sein, sondern eine unbekannte Deutsche. Um 1554 lösten Jacopo und Giovanni Galizzi ihre Ateliergemeinschaft. Tintoretto warb ab nu andere (manchmal aus den Niederlanden stammende) Assistenten an.
  • 1555

    Jacopo Tintoretto wohnte im Stadtbezirk San Marziale (13.1.).
  • 1556

    Restzahlung für die Orgelflügel in der Kirche Madonna dell’Orto (14.5.): „Der Tempelgang Mariä“, „Die Kreuzvision des hl. Petrus“, „Die Enthauptung des hl. Paulus“.
  • 1559

    An- und Restzahlung für „Die Heilung des Gichtbrüchigen“ in der Kirche San Rocco (2.4. und 15.8.); „Das Letzte Abendmahl“ (31.8.1559 datiert, ehemals San Felice, Venedig; heute Saint-François Xavier, Paris)
  • 1560

    Geburtsjahr des Sohnes Domenico, der später die Werkstatt des Vaters übernahm.
  • 1561

    „Giovanni Paolo Cornaro (datiert), „Scipio Clusone mit seinem Zwergknappen“ (datiert)
  • 1564

    Beginn der Ausmalung des Sala dell’Arbergo in der Sculoa Grande di San Rocco: „Verklärung des hl. Rochus“ ist im Mittelteil der Decke positioniert.
  • 1565

    „Kreuzigung“ in der Sala dell’Albergo (datiert) der Scuola di San Rocco; „Der auferstandene Christus mit den hll. Cassianus und Cäcilia“ in der Kirche San Cassiano.
  • 1566

    Jacopo Tintoretto wurde in die Accademia del Disegno von Florenz aufgenommen (Oktober). Bezahlung der noch nicht vollendeten Wandbilder der Sala dell’Albergo in der Scuola di San Rocco (3.11.).
  • 1567

    Zahlung für „Der hl. Rochus im Gefängnis, vom Engel getröstet“ in der Kirche San Rocco. „Bildnis des Ottavio Strada“ (datiert).
  • 1568

    Bezahlung der Mosaik-Entwürfe in der Basilica di San Marco (9.12.): Bis zu seinem Lebensende setzte Jacopo Tintoretto diese Entwurfstätigkeit fort.
  • 1571

    Bezahlung für die „Philosophen“ und weitere Gemälde für die Libreria Marciana.
  • 1573

    „Männliches Bildnis“ (Scuola Grande di San Rocco, datiert)
  • 1574

    Jacopo Tintoretto kaufte ein Haus im Bezirk San Marziale, Fondamenta die Mori, das noch immer besteht. Hier wohnte Tintoretto mit seiner Familie bis zu seinem Lebensende.
  • 1575

    Beginn der Arbeit an „Die Aufrichtung der ehernen Schlange“ an der Decke des oberen großen Saals in der Scuola di San Rocco.
  • 1577

    Vereinbarung mit der Scuola Grand di San Rocco über die Fertigstellung der Deckengemälde, die Wandgemälde und das Altarbild im oberen großen Saal – sowie weitere Aufträge für die Dekoration des Palastes und der Kirche der Bruderschaft (2.12.).
  • 1578

    Beschluss (10.11.) der Salinenverwaltung zur Bezahlung für vier „Allegorien“ (heute: Sala dell’Anticollege, Dogenpalast).
  • 1579/80

    Vier der acht Wandgemälde des „Gonzaga-Zyklus“ waren am 28. März 1579 bereits fertiggestellt. Die für den Herzogpalast in Mantua bestimmten Bilder befinden sich heute in der Alten Pinakothek in München. Abschluss der letzten vier Gemälde (10.5.1580) und persönliche Ablieferung der Werke durch Tintoretto in Mantua (zwischen dem 16.8. und 29.9.).
  • 1580

    „Hl. Justina mit drei Schatzmeistern und drei Sekretären“ (Museo Correr, Venedig, datiert)
  • 1581

    Tintoretto erhielt das Jahresgehalt, das die Scuola di San Rocco für drei soeben abgelieferte Bilder für den großen oberen Saal festgesetzt hatte (27.8.).
  • 1583

    Arbeit an den Wandgemälden für das Erdgeschoss des Scuola Grande (22.7.).
  • 1585

    Tintoretto malte Porträts der japanischen Botschafter (Juni).
  • 1588

    Die Bruderschaft San Rocco zahlte Tintoretto die Farben für das Altarbild mit der „Erscheinung des hl. Rochus“ im oberen großen Saal und für die „Heimsuchung“ (15.5.).
  • 1594

    Am 31 Mai 1594 verstarb Jacopo Tintoretto (Robusti). Einen Tag zuvor hatte er sein Testament gemacht, in dem er als 75-jährig beschrieben wird.
  • 1642

    Carlo Ridolfi publizierte die erste gedruckte Tintoretto-Biographie, die später (mit Änderungen) in seine „Maraviglie dell ’arte“ von 1648 Eingang fand. Hierin bezeichnete er den Maler allerdings als venezianischen „cittadino“, was aber vermutlich nicht im Sinne des 16. Jahrhunderts ein Mitglied jener schmalen Kaste privilegierter, nicht von ihrer Hände Arbeit lebender Bürger meint. Heute tendiert die Forschung dazu Tintoretto als Mitglied der Handwerker zu sehen.
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.