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Tintoretto in der Scuola Grande di San Rocco, Venedig

Jacopo Tintoretto, Kreuzigung, Detail, 1565, Öl/Lw, 535 x 224 cm (Sala dell’Albergo, Scuola di San Rocco, Venedig)

Jacopo Tintoretto, Kreuzigung, Detail, 1565, Öl/Lw, 535 x 224 cm (Sala dell’Albergo, Scuola di San Rocco, Venedig)

Die Scuola di San Rocco trug sich 1564 mit dem Gedanken ihren Neubau künstlerisch ausstatten zu lassen. Wie für ein solches Unternehmen üblich, wollte die Bruderschaft einen Wettbewerb ausloben, dessen Gewinner der Auftrag zugesprochen werden sollte. Jacopo Tintoretto malte innerhalb von nur drei Wochen die „Apotheose des heiligen Rochus“ und ließ das Gemälde vor Ort anbringen. Der flinke Maler schenkte das Werk der Bruderschaft des hl. Rochus (ital. Rocco), im Gegenzug würde er den Auftrag für die restlichen Werke erhalten. Der Geniestreich ging auf, und Tintorettoin die Bruderschaft aufgenommen. Der „Schnellmaler“, wie ihn seine Zeitgenossen spöttisch nannten, arbeitete ab 1564 bis in die 1590er Jahre an der Umsetzung der Gemälde. Dass ihm dieses Verhalten in der venezianischen Künstlerischaft auf eine ganze Reihe von Feindschaften einbrachte, liegt auf der Hand.

Tintoretto erhielt den Auftrag für die Ausstattung der Scula Grande di San Rocco 1564. In Summe malte er, unterstützt durch seine Werkstatt, 30 großformatige Leinwände, die in drei Sälen in die Wände und Decken eingelassen wurden.

  • Sala dell'Albergo (Herberge): Passion Christi, 1564-1567: Kreuzigung (1565, Öl/Lw, 535 x 224 cm), Christus vor Pilatus, Die Dornenkrönung
  • Sala Grande: Szenen aus dem Alten und Neuen Testament, 1575-1581
  • Sala Inferiore: Marienleben und Kindheit Jesu, 1582-1587

In den 1560er Jahren setzte Tintoretto die Szenen mit steil in die Tiefe fluchtenden Architekturprospekten um, die stark an seine Arbeit als Bühnenbildner erinnern. Zudem hatte er schon in den Jahrzehnten zuvor mit dem aus dem Zentrum gerückten Fluchtpunkt experimentiert. Die ausholenden Gesten der Protagonisten leiten den Blick in die Tiefe.

Kreuzigung

Die über fünf Meter lange und zwei Meter hohe „Kreuzigung“ ist das Hauptwerk der ersten Ausstellungsphase in der Scuola di San Rocco und 60 Quadratmeter groß. Der Tod Christi findet zwischen zwei „Bewegungen“ statt. Zum einen leitet etwa die Leiter links in den Bildraum und führt zum Horizont, zum anderen bildet das Terrain eine Gegenbewegung, die nach vorne zur Mariengruppe zuläuft. Vom Gekreuzigten gehen kreisförmig Lichtstrahlen aus, die weiters den Raumeindruck stören. Das Göttliche mit Hilfe von Licht darzustellen, wird Tintoretto in den folgenden Jahren vor allem an den Lichtkörpern von Engeln erproben (siehe „Letztes Abendmahl“, 1594, San Giorgio Maggiore). Die Expressivität von Tintorettos Figuren ist genauso ein Garant für die Überwältigung des Publikums wie die Öffnung der Komposition in Richtung der Betrachterinnen und Betrachter.

Tintoretto erhielt für die „Kreuzigung“ am 9. März 1566 eine Bezahlung von 250 Dukaten. Das präzise vorbereitete Werk, zu dem sich Vorzeichnungen und Studien in Florenz, London und Rotterdam erhalten haben, festigte den Ruf des als Exzentriker gehandelten Künstlers. 1582 fertigte Agostino Carracci eine Stich für Kardinal Ferdinando de' Medici an. Maler wie Peter Paul Rubens und Anthonis van Dyck studierten die Komposition.

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Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.