Pirelli HangarBicocca präsentiert mit „Jean Tinguely“ die umfassendste Retrospektive, die seit dem Tod des Künstlers in Italien stattgefunden hat. Ziel der Ausstellung ist es, den radikalen und experimentellen Charakter von Jean Tinguely (1925–2025) hervorzuheben, der die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts geprägt hat. Darüber hinaus soll seine zeitgenössische Relevanz und sein aktueller Status unterstrichen werden.
Italien | Mailand:
Pirelli HangarBicocca
10.10.2024 – 2.2.2025
Die Ausstellung ist Teil des Veranstaltungsprogramms zum 100. Geburtstag des Künstlers. Sie umfasst mehr als 30 Werke aus den 1950er bis 1990er Jahren, die auf einer Fläche von 5.000 Quadratmetern im riesigen Navate-Saal des Pirelli HangarBicocca zu sehen sind. Viele seiner wichtigsten Werke, von seinen bahnbrechenden experimentellen Skulpturen bis hin zu seinen monumentalen kinetischen Maschinen laden die Besucher:innen in eine einzigartige und fesselnde audiovisuelle Umgebung ein.
„Ich bin ein Künstler der Bewegung. Ich habe mit der Malerei begonnen, bin aber stecken geblieben, in einer Sackgasse.“1 (Tingueyl, 1982)
So hat sich der Künstler, eine der subversivsten Persönlichkeiten des letzten Jahrhunderts, selbst beschrieben. Tinguely konzentrierte alle seine Experimente auf die Überwindung der Zweidimensionalität, erforschte unermüdlich die Bewegung der Materie und der Objekte, den ständigen Wandel, um die Idee einer dauerhaften und endgültigen Komposition zu untergraben. Diese künstlerische Haltung wirft existenzielle Fragen auf, wie die Unsicherheit und Vergänglichkeit der menschlichen Existenz und die Entwicklung sozialer und politischer Zusammenhänge.
Jean Tinguely gilt als einer der großen Pioniere des 20. Jahrhundert. Als einer der wichtigsten Vertreter der kinetischen Kunst hat er den Begriff des Kunstwerks revolutioniert. Im Zentrum seines Schaffens steht die Auseinandersetzung mit der Maschine, ihrer Funktion und Bewegung, ihren Geräuschen und Klängen und der ihr innewohnenden Poesie. Als einer der ersten Künstler verwendete Tinguely Fundstücke, Zahnräder und andere Materialien, die er zu lauten, kakophonischen Arbeitsmaschinen mit echten Motoren zusammenschweißte. Seine Skulpturen haben auch eine performative Qualität, da sie in ständiger Bewegung sind und das Publikum auf besondere Weise einbeziehen. Das Zahnrad, insbesondere das Rad, ist oft das Grundelement in Tinguelys Werken. Er bricht bewusst mit ihrer konventionellen Funktion, befreit die Maschine von der Tyrannei der Zweckmäßigkeit und fördert das Unerwartete und Vergängliche in seinen absurden und überraschenden Apparaturen.
Die Ausstellung umfasst Meilensteine in der Entwicklung von Jean Tinguelys Schaffen, wie die experimentellen méta-mecanique-Skulpturen aus der Mitte der 1950er Jahre, „Gismo“ (1960), eine imposante mechanische Skulptur mit Rädern und Motor, „Ballet des Pauvres“ (1961), das aus Haushaltsgegenständen besteht, und große Maschinen wie „Requiem pour une feuille morte“ (1967); „Plateau agriculture“ (1978), das aus verschiedenen landwirtschaftlichen Maschinen besteht; die Serie der Philosophen (1988 und 1989), die antiken und modernen Philosophen gewidmet ist, die den Antimaterialismus begründet haben; Musikmaschinen wie „Méta-Maxi“; und Werke wie „Pit-Stop“ (1984) und „Shuttlecock“ (1990), die die große Leidenschaft des Künstlers für die Formel 1 und Autorennen offenbaren. Diese Werke erzeugen eine einzigartige akustische und visuelle Choreografie. Außerdem haben sie verschiedene Formate, einige davon sind monumental, und vereinen die Komponenten Klang, Dynamik und Farbe mit der expressiven Kraft Tinguelys.
Die Retrospektive, die mit dem 100. Geburtstag des Künstlers im Jahr 2025 zusammenfällt, ist auch eine Gelegenheit, die enge Beziehung Jean Tinguelys zu Mailand in Erinnerung zu rufen, wo er einige seiner ehrgeizigsten Projekte realisierte, darunter „La Vittoria“ (1970), eine ikonische Performance vor dem Mailänder Dom. Die letzte große Hommage an Jean Tinguely in einer italienischen Institution fand 1987 mit der von Pontus Hultén kuratierten Ausstellung „Una magia più forte della morte [Eine Magie, die stärker ist als der Tod]“ statt, die erstmals in Venedig im Palazzo Grassi gezeigt wurde. Hultén war ein bedeutender Kurator und Museumsdirektor (er leitete in seinem Leben sechs Institutionen, darunter das Museum Tinguely in Basel) und ein großer Freund und Förderer des Künstlers.
mit Beiträgen von Béatrice Joyeux-Prunel, Camille Morineau, Lucia Pesapane, Renzo Piano, Annalisa Rimmaudo, Vicente Todolí und Melissa Warak.
italienisch und englisch
Marsilio Arte
Kuratiert von Camille Morineau, Lucia Pesapane und Vicente Todolí mit Fiammetta Griccioli.
Die “Jean Tinguely”-Ausstellung wird organisiert von Pirelli HangarBicocca in Zusammenarbeit mit dem Museum Tinguely in Basel.