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Automatisches Schreiben, Assemblieren und die Aura 55. Biennale von Venedig: Il Palazzo Enciclopedico - Teil 8

Thierry De Cordier (* 1954) und Richard Serra (* 1939), Pasolini, 1985, Installationsfoto: Alexandra Matzner.

Thierry De Cordier (* 1954) und Richard Serra (* 1939), Pasolini, 1985, Installationsfoto: Alexandra Matzner.

Harry Smith (1923-1991) in seinem collageartig aufbereiteten Stop-Motion-Film mit dem Titel „Film No. 12 (Heaven and Earth Magic)“ (1959-61) wird die surreale Geschichte einer Heldin erzählt – wie sie nach dem Verlust einer sehr wertvollen Wassermelone Zahnweh bekommt, ihre Behandlung, ihr Aufstieg in den Himmel und ihre Rückkehr auf die Erde.

Enrico David

Enrico David (* 1966) installiert verschiedenste, titellose Werke in einem Raum – Wandteppiche, Gemälde, Skulpturen, Design, allesamt zwischen 2012 und 2013 entstanden. Kaum eine Arbeit ähnelt der anderen stilistisch oder materialtechnisch, die skulpturale Figurine erhält als drittes Bein eine Rasierklinge, die Teppiche scheinen von afrikanischen Mustern beeinflusst zu sein, und das Gemälde lässt einen Kopf mit leeren Augen und Knebel denken. Liebes- und Todestrieb sind hier wohl ganz nah beisammen!

Andra Ursuta

Unheimliche Räume in Puppenhausformat entwickelte Andra Ursuta (* 1979) für die 55. Biennale von Venedig. In der Serie „T. Vladimirescu #5“ (2013) stellt sie die Räume ihrer Kindheit im transsilvanischen Dorf  Salonta nach: Küche, Schlafzimmer, Speisekammer geben einen Einblick in die ärmliche Vergangenheit der Künstlerin.

Thierry De Cordier und Richard Serra

Düster und gefährlich wirken auch die Seestücke von Thierry De Cordier (* 1954). Die beiden seit 2011 entstandenen Serien „MER HAUTE“ und „MER MONTÉE“ des Belgiers stellt Gioni mit Richard Serras (* 1939) zweiteiliger Arbeit „Pasolini“ aus dem Jahr 1985 zusammen. Die beiden geschlossenen Blöcke Serras, einer stehend einer liegend, wirken m.E. hieratisch und kühl im Vergleich mit den Bilder der aufgewühlten See. Wenn man ironisch sein möchte, könnte man hier anmerken, dass der aufbrausende, unbezwingbare Charakter Pasolinis vielleicht sogar besser durch die wilde See symbolisiert wird als durch Serras strenge Formgebung.

James Lee Byars

Die Aura des Geheimnisses umgibt auch die beiden vergoldeten Marmorstelen von James Lee Byars (1932-1997) mit den Titeln „The Figure of Interrogative Philosophy“ sowie „The Figure of the Question  of Death“ (beide 1987/1995). Die angebrachte Schrift lässt sich auf dem gleißenden Gold kaum entziffern – die Antwort auf die Fragen bleibt aus.

Bilder

  • Thierry De Cordier (* 1954) und Richard Serra (* 1939), Pasolini, 1985, Installationsfoto: Alexandra Matzner.
  • Enrico David (* 1966), Installationsfoto: Alexandra Matzner.
  • Enrico David (* 1966), Installationsfoto: Alexandra Matzner.
  • Enrico David (* 1966), Installationsfoto: Alexandra Matzner.
  • Harry Smith (1923-1991), Film No. 12 (Heaven and Earth Magic), 1959-61, Shot: Alexandra Matzner.
  • Andra Ursuta (* 1979), T. Vladimirescu #5, 2013, Installationsfoto: Alexandra Matzner.
  • Andra Ursuta (* 1979), T. Vladimirescu #5, 2013, Installationsfoto: Alexandra Matzner.
  • Thierry De Cordier (* 1954), MER MONTÉE, 2011, Installationsfoto: Alexandra Matzner.
  • Thierry De Cordier (* 1954), MER HAUTE, Installationsfoto: Alexandra Matzner.
  • Thierry De Cordier (* 1954) und Richard Serra (* 1939), Pasolini, 1985, Installationsfoto: Alexandra Matzner.
  • James Lee Byars (1932-1997), "The Figure of Interrogative Philosophy" sowie „The Figure of the Question of Death“, beide 1987/1995, Installationsfoto: Alexandra Matzner.

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Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.