Kunst in Wien der 90er: Von Rockenschaub zur Art Party Gang
0

Kunst in Wien der 90er

Art Party Gang, Can you handle success (Serie 3: Bräute), 1992, Farbfoto, 32,3 x 23,3 cm (Wien Museum)

Art Party Gang, Can you handle success (Serie 3: Bräute), 1992, Farbfoto, 32,3 x 23,3 cm (Wien Museum)

Die Kunst der 90er Jahre – oder: Was kam nach der Postmoderne? Diese Frage zu beantworten fällt so schwer, dass das MUSA 2018 eine Ausstellung in drei verschiedenen Zusammensetzungen dazu plant. Fixstarter sind Gerwald Rockenschaub (* 1952), Lois Weinberger (* 1947) und die Art Party Gang, bestehend aus Gertraud Presenhuber und Carola Dertnig (* 1963). Heterogenes zusammenbringen, ist die Maxime der Schau!

Lois Weinberger etwa wurde 1997 auf der documenta X international bekannt, als er sich Ruderalpflanzen, umgangssprachlich als Unkraut bezeichnet, als „Material“ bediente. Weinberger hatte in einem ungenutzten Gleisbett am Kulturbahnhof Kassel Neophyten, d.h. in dieser Region nicht heimische Pflanzen, aus Süd- und Südosteuropa angesiedelt. Die „Wegmarken“ führten durch das Gelände der Karlsaue und beinhalteten Samen zum Entnehmen und im Stadtraum ausstreuen. Der in Tirol geborene Weinbergers steht keineswegs mit der Ökologiebewegung der 70er und 80er Jahre oder gar dem jüngsten Trend Urban Gardening in Verbindung. Stattdessen betont er die politische Dimension, und die mit Bedacht ausgewählten Ruderalpflanzen werden als Metaphern für Migrationsbewegungen der jüngsten Dezennien interpretiert. Die Pflanzen sind integraler Bestandteil eines Nachdenkens über Zeit, Raum, Veränderung und die wichtigen Dinge im Leben.

Gerwald Rockenschaub (*1952) hatte sich schon in den 80ern einen Namen als Maler und DJ gemacht. In diesem Siebdruck verbindet er beides miteinander und schafft ein Bild, das zwischen ungegenständlicher Abstraktion und Strichgrafik, die einen Plattenspieler von oben zeigt, changiert. Der im Siebdruck „fehlende“ Pinselstrich unterstreicht die zurückhaltende, reflektierte Haltung des Künstlers und wurde zu seinem Markenzeichen, mit dem er sich von der Gruppe der Neuen Wilden deutlich unterschied.

Performance und Feminismus verband die Art Party Gang, bestehend aus Gertraud Presenhuber und Carola Dertnig (* 1963). Man darf gespannt sein, wie die dritte Welle feministischer Forderungen mit Kunst und Party fusioniert werden konnte.

Die 90er im MUSA

Mit der Ausstellung „Die 90er Jahre2 aus der Sammlung der Stadt Wien-MUSA kommt die Reihe der Jahrzehnteausstellungen, die einen Querschnitt durch eine der größten Sammlungen zeitgenössischer Kunst Österreichs darstellt, zu ihrem vorläufigen Ende.

Nacheinander werden drei Settings gezeigt. Werke von über 100 Künstlerinnen und Künstlern aus dem Sammlungskonvolut dieser Periode, bestehend aus ca. 4.000 Arbeiten – Malerei, Skulptur, Performance- oder Videokunst – von etwa 1.100 Kunstschaffenden werden vorgestellt.

Wie schon bei den vorangegangenen Jahrzehnte-Ausstellungen des MUSA wird wieder ein umfangreicher Katalog mit ca. 1000 Abbildungen erscheinen, und damit die bisher umfangreichste Literatur zur Kunst der „90er“ in Österreich liefern. Hochrangige Autorinnen und Autoren wie Dieter Bogner, Wolfgang Drechsler, Alexandra Hennig, Petra Unger u.a.m. werden darin Aspekte der „Neue Reduktion“, der Malerei, der Film- und Videokunst sowie der Queer- und Genderthematik in ihren Beiträgen bearbeiten.

Kuartiert von Brigitte Borchhardt-Birbaumer und Berthold Ecker.

Die 90er im MUSA: Bilder

  • Art Party Gang, Can you handle success (Serie 3: Bräute), 1992, Farbfoto, 32,3 x 23,3 cm (Wien Museum)
  • Gerwald Rockenschaub, O.T. (Plattenspieler), 1999, Siebdruck auf Alucore, 1/3, 60 x 74 cm (Wien Museum)
  • Lois Weinberger, Das über Pflanzen/ist eins mit ihnen, 1997, Farbfoto, kaschiert auf Museumskarton, Ex.2/5, 73,7 x 108,5 gerahmt (Wien Museum)

Weitere Beiträge zur Zeitgenössischen Kunst

21. April 2024
Kiki Smith, Sky, Detail, 2011, Jacquard-Tapisserie, 287 x 190,5 cm (© Kiki Smith, courtesy Pace Gallery, Foto courtesy the artist and Magnolia Editions, Oakland)

Remagen | Arp Museum: Kiki Smith Verwobene Welten | 2024

Die in enger Zusammenarbeit mit der Künstlerin entwickelte Schau vereint rund 50 Werke, im Zentrum stehen ihre großformatigen, gewebten Wandteppiche.
20. April 2024

Venedig | Biennale 2024 Foreigners everywhere / Stranieri ovunque

Adriano Pedrosa zum künstlerischen Leiter der „60. Biennale von Venedig 2024“ ernannt.
18. April 2024
Beatriz Milhazes, 0 Diamante, 2002 (Contemporary Art Collection "la Caixa" Foundation. Photo Vicente de Mello. © Beatriz Milhazes Studio)

St. Ives | Tate St. Ives: Beatriz Milhazes: Maresias Erster Überblick zur brasilianischen Künstlerin | 2024

2024 präsentiert die Tate St. Ives „Maresias“, eine große Ausstellung zum Werk der brasilianischen Künstlerin Beatriz Milhazes (*1960, Rio de Janeiro), einer der führenden abstrakten Künstlerinnen der Gegenwart.
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.