Die Kunst der 90er Jahre – oder: Was kam nach der Postmoderne? Diese Frage zu beantworten fällt so schwer, dass das MUSA 2018 eine Ausstellung in drei verschiedenen Zusammensetzungen dazu plant. Fixstarter sind Gerwald Rockenschaub (* 1952), Lois Weinberger (* 1947) und die Art Party Gang, bestehend aus Gertraud Presenhuber und Carola Dertnig (* 1963). Heterogenes zusammenbringen, ist die Maxime der Schau!
Österreich | Wien:
Wien Museum, MUSA
26.4.2018 – 21.1.2019
Lois Weinberger etwa wurde 1997 auf der documenta X international bekannt, als er sich Ruderalpflanzen, umgangssprachlich als Unkraut bezeichnet, als „Material“ bediente. Weinberger hatte in einem ungenutzten Gleisbett am Kulturbahnhof Kassel Neophyten, d.h. in dieser Region nicht heimische Pflanzen, aus Süd- und Südosteuropa angesiedelt. Die „Wegmarken“ führten durch das Gelände der Karlsaue und beinhalteten Samen zum Entnehmen und im Stadtraum ausstreuen. Der in Tirol geborene Weinbergers steht keineswegs mit der Ökologiebewegung der 70er und 80er Jahre oder gar dem jüngsten Trend Urban Gardening in Verbindung. Stattdessen betont er die politische Dimension, und die mit Bedacht ausgewählten Ruderalpflanzen werden als Metaphern für Migrationsbewegungen der jüngsten Dezennien interpretiert. Die Pflanzen sind integraler Bestandteil eines Nachdenkens über Zeit, Raum, Veränderung und die wichtigen Dinge im Leben.
Gerwald Rockenschaub (*1952) hatte sich schon in den 80ern einen Namen als Maler und DJ gemacht. In diesem Siebdruck verbindet er beides miteinander und schafft ein Bild, das zwischen ungegenständlicher Abstraktion und Strichgrafik, die einen Plattenspieler von oben zeigt, changiert. Der im Siebdruck „fehlende“ Pinselstrich unterstreicht die zurückhaltende, reflektierte Haltung des Künstlers und wurde zu seinem Markenzeichen, mit dem er sich von der Gruppe der Neuen Wilden deutlich unterschied.
Performance und Feminismus verband die Art Party Gang, bestehend aus Gertraud Presenhuber und Carola Dertnig (* 1963). Man darf gespannt sein, wie die dritte Welle feministischer Forderungen mit Kunst und Party fusioniert werden konnte.
Mit der Ausstellung „Die 90er Jahre2 aus der Sammlung der Stadt Wien-MUSA kommt die Reihe der Jahrzehnteausstellungen, die einen Querschnitt durch eine der größten Sammlungen zeitgenössischer Kunst Österreichs darstellt, zu ihrem vorläufigen Ende.
Nacheinander werden drei Settings gezeigt. Werke von über 100 Künstlerinnen und Künstlern aus dem Sammlungskonvolut dieser Periode, bestehend aus ca. 4.000 Arbeiten – Malerei, Skulptur, Performance- oder Videokunst – von etwa 1.100 Kunstschaffenden werden vorgestellt.
Wie schon bei den vorangegangenen Jahrzehnte-Ausstellungen des MUSA wird wieder ein umfangreicher Katalog mit ca. 1000 Abbildungen erscheinen, und damit die bisher umfangreichste Literatur zur Kunst der „90er“ in Österreich liefern. Hochrangige Autorinnen und Autoren wie Dieter Bogner, Wolfgang Drechsler, Alexandra Hennig, Petra Unger u.a.m. werden darin Aspekte der „Neue Reduktion“, der Malerei, der Film- und Videokunst sowie der Queer- und Genderthematik in ihren Beiträgen bearbeiten.
Kuartiert von Brigitte Borchhardt-Birbaumer und Berthold Ecker.