Charlotte Bonham-Carter und David Hodge legen mit „Die Kunst der Gegenwart“ einen Versuch vor, auf 250 Seiten die wichtigsten Protagonisten der zeitgenössischen Kunst vorzustellen. Ihre Methode ist dabei keine neue: Anhand von 200 Künstler_innen-Portfolios soll der Leser einen Einblick erhalten, was gegenwärtiges Kunstschaffen alles ausmachen kann. Die beiden Autoren überlassen in der Einleitung Richard Cork das Wort, der jedoch seinem Ruf in diesem Text nicht gerecht wird und stattdessen sehr allgemein über den fehlenden Kampfgeist der neuen Kunst (keine Manifeste, Ismen wären schwer zu erkennen, keine Verunglimpfung der Tradition), die zunehmende Akzeptanz derselben beim Publikum, die Offenheit der Künstler neuen Medien gegenüber und dem Wandel des Status der Künstlerinnen schreibt. Diese Allgemeinplätze verraten noch wenig über die Künstlerauswahl der folgenden 240 Seiten. Information dazu findet man auf der Rückseite des Buches, auf dem sämtliche im Buch vertretene Künstler_innen aufgezählt sind: Die Reihung führt die 200 am häufigsten Ausgestellten der letzten 40 Jahre von A bis Z an.
256 Seiten, 26 x 31 cm, 310 farbige Abb.
€ 39,90 / CHF 64,90 /A € 41,10
ISBN 978-3-7630-2550-3
BELSER
Die 200 am häufigsten ausgestellten Künstlerinnen und Künstler also – der letzten 40 Jahre (!) – sollen mit jeweils einem „Schlüsselwerk“ einen Rahmen für die Definition der „Kunst der Gegenwart“ liefern. Zugegeben, das Problem dieses Buches beginnt bereits mit der Frage, was überhaupt mit dem Zeitrahmen „Gegenwart“ gemeint sein könnte. Nach Bonham-Carter und Hodge erstreckt er sich bis in die 70er Jahre zurück und schließt bereits verstorbene Künstler mit ein. Es finden sich Kurztexte zu Francis Bacon, Joseph Beuys, Marcel Brothaers, Robert Smithson, Andy Warhol u.a., die fraglos zu den bedeutendsten Künstlern der Nachkriegszeit zählen und auch heute noch Künstlerinnen und Künstler inspirieren. Ob für eine Darstellung der Kunst der Gegenwart jedoch derart verkürzte Präsentationen ihrer Œuvres nötig sind, möchte ich hier in Zweifel ziehen. Dass die Ausstellungspräsenz scheinbar als einziges wichtiges Auswahlkriterium angeführt wird, macht einzig die Bedeutung der Institutionen in der Gegenwartskunst augenfällig, kann jedoch nicht als kritischer Ansatz gewertet werden. Nach www.artfacts.net müsste dann nämlich auch Picasso einen Platz in diesem Buch erhalten, da er derzeit im Ranking Platz 2 nach Andy Warhol einnimmt. Der Brite Howard Hodgkin wäre mit Platz 1123 überhaupt nicht vertreten. Er verdankt seine Nennung in dem Buch wohl dem Umstand, dass er in Großbritannien in den letzten Jahren verstärkt gezeigt worden ist.
Unabhängig von den Schwierigkeiten in Bezug auf eine repräsentative Auswahl gegenwärtigen Kunstschaffens ist indes die ausnehmend schlechte Qualität der Kurztexte. Hier scheinen sich Welten zwischen britischer und deutschsprachiger Tradition aufzutun. Darüber hinaus mag auch viel bei der Übersetzung verloren gegangen sein. Ein Beispiel zu Sarah Morris zeigt dies deutlich: „Durch die Weigerung der Gemälde, irgendeine Spur von Morris` Handwerk zu verraten, da keine Pinselstrich (!) sichtbar sind, sind sie auch ziemlich unpersönlich gemacht.“ (S. 161) Aha – Gemälde weigern sich, etwas zu verraten und sind dadurch unpersönlich?! Oder zu Keith Harings „Tree of Life“ (1985): „Tree of Life verbindet diese Technik (?) durch das Verschmelzen menschlicher Figuren und Ästen mit Naturalismus (?), was besagt, dass ursprüngliche Energie von unseren natürlichen Wurzeln herstammt (??).“ Wer fühlt sich bei solchen Sätzen nicht an eine Bubblefish-Übersetzung erinnert? Zumindest hätte das Lektorat merken müssen, dass die Grammatik völlig falsch verwendet wurde.
Fazit: KEINE Kaufempfehlung!