Im Sommer 2024 starten das H'ART Museum und das Centre Pompidou ihre Zusammenarbeit mit einer großen Ausstellung über Wassily Kandinsky (Moskau 1866 – Paris 1944). Das Centre Pompidou verfügt über eine der weltweit renommiertesten Sammlungen des Künstlers und stellt.
Niederlande | Amsterdam:
H’ART Museum
19.6. – 10.11.2024
Mit mehr als 60 Werken aus der Sammlung des Centre Pompidou bietet die Ausstellung einen Überblick zu Kandinskys künstlerisches Schaffen von seinen ersten Jahren in Moskau über seine Münchner Erfahrungen, die ihn zu einem der wichtigsten Pioniere der abstrakten Kunst machten.
Zu den absoluten Höhepunkten der Kandinsky-Ausstellung gehört die Rekonstruktion des Empfangssaals der „Juryfreien Kunstausstellung Berlin“ im Jahr 1922. Bis Ende 1921 hatte sich der Künstler noch in Moskau aufgehalten, nun lehrte er am Bauhaus. Hatte Kandinsky im Februar 1919 noch die Direktion des Museums für Malkultur angetreten, so stellten sich ihm die Vertreter:innen des Konstruktivismus in der Folge immer stärker in den Weg. Als er im Juni 1921 zu einer „objektiven“ Analyse der Malerei zurückkehrte, stellte er den elementaren geometrischen Formen der Suprematist:innen und Konstruktivist:innen seine eigenen Beobachtungen zu den Grundelementen der Komposition gegenüber.1 Kandinskys Kunst wurde in der sich formierenden Sowjetunion als zu subjektiv empfunden und rundweg abgelehnt! Zudem war Kandinisky kein Mitglied der kommunistischen Partei, was 1921 dazu führte, dass er zwar in den Vorsitz des Gründungskomitees einer Russischen Akademie für Kunstwissenschaften (RAKhN) berufen aber bei der Wahl des Präsidenten übergangen wurde. Im Laufe dieses Jahres reifte in ihm der Entschluss, Russland zu verlassen. Ende Dezember war Kandinsky mit seiner Ehefrau Nina bereits in Berlin.
Die ersten Monate des Jahres 1922 verbrachte Kandinsky zurückgezogen in Berlin. Im März besuchte ihn Walter Gropius und überbrachte die offizielle Berufung an das Bauhaus. Am 1. Juli trat Kandinsky in den Lehrkörper in Weimar ein. Wie Paul Klee wurde ihm ein Teil der Grundausbildung übertragen: Er unterrichtete „Gestaltungslehre Farbe“ und „Analytisches Zeichnen“, dazu übernahm er die künstlerische Leitung der Werkstatt für Wandmalerei. Bereits wenige Wochen später war Kandinsky mit seinen Schülern und einer monumentalen Wandmalerei bei der „Juryfreien Kunstschau“ in Berlin vertreten.
Kandinsky gab die Staffeleimalerei zugunsten einer in ein architektonisches Ensemble integrierten Malerei auf und entwarf die Dekoration der Eingangshalle eines Museums für zeitgenössische Kunst in einem achteckigen Raum – zu sehen auf der „Juryfreien Kunstschau Berlin“, die im Herbst 1922 im Landaustellungsgebäude (Glaspalast) stattfand. Angesichts der Not und sozialen Unruhen, die in dieser Stadt nach dem Versailler Vertrag herrschten, erscheint ein solches Projekt utopisch. Doch zum Kernprogramm des Bauhaus gehörte das gemeinschaftliche Arbeiten an der funktionalen und humanen Durchgestaltung aller Lebensbereiche.
Der Maler arbeitete die Entwürfe in Gouache auf schwarzem oder braunem Karton aus: vier Skizzen für die Hauptwände, ein Blatt für die Eckpaneele.2 Die Gemälde wurden im Sommer 1922 von Bauhaus-Student:innen auf großen schwarzen Vorhängen ausgeführt. Es war das erste Gemeinschaftswerk der Wandmalerei-Werkstatt, als deren „Meister der Formen“ Kandinsky auftrat.
Das Foto einer der großen Tafeln dokumentiert, dass die Umrisse der geometrischen Formen nach der Übertragung deutlicher hervortraten als in den Skizzen Kandinskys. Die monumentale Dekoration – ein abstraktes Gesamtkunstwerk – ist seit Ausstellungsende verloren, da der Plan, sie dauerhaft in der Eingangshalle eines Kunstmuseums zu installieren an fehlender Mittel scheitern. Allerdings beeindruckte sie eine berühmte Besucherin, die Gründerin der New Yorker Künstlervereinigung „Société Anonyme“ Katherine S. Dreier. Bei einem Besuch am Bauhaus lernte Dreier im Oktober Klee und Kandinsky auch persönlich kennen. Das Raumerlebnis erwähnte sie in der Kandinsky-Ausstellung von 1923 in New York, die sie organisierte. Wenn dieses Schlüsselwerk die „Dekantierung der Formen“ ankündigt, die durch die Lehre des Künstlers am Bauhaus kodifiziert wurde, so sah Will Grohmann es in seiner Kandinsky-Monografie von 1931 doch eher als individuelles Werk denn als eine Ausstrahlung des Instituts:
„Diese Gemälde sind wie eine letzte Erinnerung an das Moskau, das er [Kandinsky] verlassen hat, eine sehr individuelle Kombination einer orientalischen Melodie aus Farben und Formen, die eher an Mussorgski als an Strawinsky erinnert. Beliebt und unendlich reich an Klängen und einer Steigerung der Leidenschaft, die der Mystik entspringt.“3
Ende des Jahres publizierte Kandinsky die Grafikmappe „Kleine Welten“, die ebenfalls zur Gänze in der Sammlung des Centre Pompidou liegt.
Quelle: H'ART Museum, Amsterdam