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Art Cologne 2018: Reizüberflutung, Plattitüden und Synergien-Overkill Ein Rückblick

Zuzanna Czebatul, Teppich für die Art Cologne 2018, Foto: Nora Höglinger

Zuzanna Czebatul, Teppich für die Art Cologne 2018, Foto: Nora Höglinger

Im Rheinland startet der Kunstfrühling gewohnt mit der 52. Art Cologne und dieses Jahr geballter denn je. Alle erdenklichen Synergie-Effekte mit Museen und Auktionshäusern werden genutzt und auch ansässige Galerien und Ausstellungshäuser, die nicht auf der Messe vertreten sind, profitieren von dem internationalen Publikum, das anlässlich der Messe nach Köln reist. Neben Previews, Empfängen, Dinners und Eröffnungen hat sich vor allem die Preisverleihung als unerlässliches Rahmenprogramm-Event herauskristallisiert: einer Person wird aufgrund ihrer künstlerischen, kuratorischen, kunstkritischen oder sammlerischen Leistung mit einem Preisgeld belohnt, das im Idealfall gleich wieder vor Ort ausgegeben wird. Konsumlust und ihr Gegenspieler, der wirtschaftliche Opportunismus, sind in der Art Cologne-Woche in der Luft spürbar, was bereits der Teppich im Eingangsbereich der Messe verrät.

Entrée mit Plattitüden

Ein bunter Pop-Kitsch-Teppich in Ed Hardy-Optik von Zuzanna Czebatul (* 1986) sorgt für einen ersten optischen Reiz und eine gute Stiletto-Dämpfung. In Bannern werden die Schlagworte „Cash“, „Mega“, „Drugs“, „Hype“ und „Now“ propagiert, die vielleicht auf den ersten Blick zum Image einer Kunstmesse passen, sich aber umgehend als bloße Plattitüden entpuppen. Ein selbstkritischer Moment bereits am Eingang der Messe? Womöglich. Wünschenswert allemal. Ein zweites Mal begegnet man der polnischen Künstlerin noch im Neumarkt, wo ein ausgestopfter gelber Plüsch-Fuchur-Kopf, der wie eine Leihgabe der Bavaria Filmstudios wirkt, zentral den Stand der polnischen Piktogram-Galerie ziert. Pop-Ästhetik, die in den Augen schmerzt und die Aufmerksamkeit zu bündeln vermag.

Internationales Renommee der Messe

Auch dieses Jahr in drei Hallen aufgeteilt, sind erwartungsgemäß die Stammgalerien sowie deren künstlerische Zugpferde vertreten. Direkt beim Eingang der Haupthalle der etablierten zeitgenössischen Kunst versammeln sich die Kunstmarktgiganten Zwirner, Gagosian, Buchholz, Munro, Sprüth Magers, Hauser + Wirth, Ropac sowie Regionalgrößen Capitain und Greve rund um den sogenannten „Plaza“. Der auch dieses Jahr kommunizierte Jubel über die „Rückkehr“ nun einige Jahre Messe-absenter Galerien wie Lisson und Lelong sind nur seitens der Messebetreiber nachvollziehbar, deren internationales Renommee und Impact-Faktor sich über die Ausstellerliste bestimmt.

Mehr ist mehr

Was die Haupthalle betrifft, so ist diese zwar überschaubar, aber wirkt unheimlich vollgeräumt. Selbst die einzelnen Messestände in sich, erwecken den Eindruck eines wahllosen bunten Neben- und Übereinanders. Kuratorische Überlegungen sind nur in Ausnahmefällen zu erkennen. Frei nach dem Motto „Mehr ist mehr“ bestimmt ein Überangebot an visuellen Reizen, welche die Kauflust stimulieren soll, das Gesamtbild.

Eine wahrlich angenehme Abwechslung stellt der Stand der Piero Atchugarry Gallery aus Uruguay dar, die sehr feine, sensible, zurückhaltende Arbeiten von Marco Maggi (* 1957), Artur Lescher (* 1962) und Verónica Vásquez (* 1970) präsentiert und zu einem visuellen Ruhepol auf der Messe wird.

Arrivierte Moderne, luftiger Neumarkt

Im Untergeschoss lädt wiederum die Moderne mit Hochpreisigem, direkt daneben Zeitgenössisches. Max Ernst, Joan Miró und Co. sind zwar weniger geeignet, um Laufkundschaft zu befriedigen, doch immer noch der Markt, wo am meisten Geld fließt. Wer sich für diese Art von Kunst rein unkommerziell interessiert, ist bei einem Museumsbesuch sicher besser aufgehoben.

Etwas mehr Luft und (Denk-)Raum bleibt den Besuchern sowie der Kunst im Neumarkt und Collaborations. Hier gibt es noch die eine oder andere Entdeckung zu machen und die Chance, sich tatsächlich einen Moment mit einer künstlerischen Position zu befassen – abgesehen von den „New Positions“, welche zwischen die Messestände gequetscht wurden. An dieser Stelle ist der Stand von Maubert zu nennen, der Arbeiten von Joachim Bandau (* 1936), Agnès Geoffray (*1937) und Adrien Couvrat (* 1981) zeigt, drei spannende Positionen mit Tiefgang, die eine nähere inhaltliche Auseinandersetzung lohnen.

Synergien-Overkill

Der Terminkalender der Art Cologne Woche war geprägt von einem Synergien-Overkill an Kooperationen. Bereits am Dienstag ging es los mit der Wolfgang-Hahn-Preisverleihung im Museum Ludwig an Haegue Yang (* 1971 → Haegue Yang im Museum Ludwig, Köln: Wolfgang-Hahn-Preis 2018), welche auch im Neumarkt auf dem Stand von Barbara Wien eine Einzelpräsentation hat. Dafür sind ihre Galeristen aus New York, Mexiko, Seoul, Paris und Berlin eigens angereist. Donnerstag erhielten Yilmaz Dziewior und Stephan Diederich den ART-Kuratorenpreis 2017 für die James Rosenquist-Ausstellung (→ James Rosenquist: Eintauchen ins Bild oder amerikanischer Größenwahn?) im Van Ham Auktionshaus Köln. Weiters wurde der ADKV-Art-Cologne-Preis für Kunstkritik an Radek Krolczyk und für Kunstvereine an die Temporary Gallery in Köln vergeben. Der Award for New Positions aus den 21 von der Beauftragten für Kultur und Medien geförderten Einzelpräsentationen auf der Messe ging an Lito Kattou (* 1990), und Julia Stoschek erhielt den diesjährigen Art-Cologne-Award für ihre Sammeltätigkeit im Bereich Medienkunst. Es ist sehr wohl interessant, dass mehr als die Hälfte der Preise nicht an jene Personen vergeben werden, die Kunst produzieren, sondern welche die Kunst für ihre eigene Sache instrumentalisieren.

Der verhüllte Kölner Dom

Ein anderes interessantes Spektakel findet nicht in, sondern vor dem Messegelände statt: die riesige 600 Mio. Euro-Baustelle für die MesseCity Köln bekommt langsam ein Gesicht und wächst zusehends in die Höhe. War letztes Jahr noch die Sicht zum Dom und den Baumsaum am Rheinufer frei, so sind dieses Jahr nur mehr Dach und Domspitzen zu erkennen. Ein nostalgischer Moment ist an dieser Stelle angebracht – so mag das Verhüllungsprojekt „Project for Cologne“ (1992) von Christo und Jean-Claude, das als Lithografie ebenfalls auf der Messe zu erwerben ist, im übertragenen Sinne schlussendlich doch noch Realität werden.

Nora Höglinger
* 1987 in Rohrbach/OÖ, Studium der Kunstgeschichte und Theater-, Film- und Medienwissenschaft in Wien und Paris. Seit 2009 im Bereich der zeitgenössischen Kunst tätig. Publikationen u.a. für die Sammlung Verbund Wien, BOZAR Brüssel, Hamburger Kunsthalle und Kunst im öffentlichen Raum Wien. Lebt und arbeitet als freie Autorin in Köln.