Cady Noland

Wer ist Cady Noland?

Cady Noland (* 1956, Washington, DC) ist eine US-amerikanische Künstlerin und die Tochter des Farbfeld-Malers Kenneth Noland (1924–2010). Cady Noland arbeitet seit Anfang der 1980er Jahre mit Collage, Skulptur und Installation. Gewalt, Angst und Ausgrenzung, die Schattenseiten des amerikanischen Traums, Anti-Cowboys und Psychopathen gehören neben Dingen, die zu Machtausübung, Zwang und Einschränkung designt wurden, zu den wichtigsten Themen Nolands. Sie lebt und arbeitet in New York.

Frühe Werke: Cowboys und die amerikanische Seele

Nach ihrem BA am Sarah Lawrence College in Bronxville, New York, ließ sie sich in Manhattan nieder. Sie begann 1983 mit Fundstücken zu arbeiten und hatte ihre erste Einzelausstellung fünf Jahre später bei White Columns in New York. Ihre Collagen, Skulpturen und Mixed-Media-Installationen untersuchen die Schattenseiten der amerikanischen Psyche, insbesondere die Faszination für Berühmtheiten, Gewalt und psychopathologisches Verhalten. Ihr ästhetisches Vokabular integriert Strategien, die auf Konzepte der Pop Art, des Minimalismus und des Post-Minimalismus aufbauen, darunter skulpturale Neuerungen wie der Anti-Form oder Robert Morris‘ „Scatter Piece“ (1968).

Nolands frühe Arbeiten schließen Pressefotos, Zeitungskopien und Anzeigen ein. „Guns“ (1986/87) ist ein schwarzweißes fotokopiertes Bild einer Pistole, das an einer mit Einschusslöchern übersäten Diät-Pepsi lehnt. Eine Bildcollage am rechten Rand bietet Anweisungen zum Nachladen der Waffe. 1987 faste Cady Noland ihre Überlegungen im Aufsatz „Zu einer Metasprache des Bösen“ zusammen und beschrieb die US-amerikanische Gesellschaf als „empathielos wie ein Psychopath“.1

Cady Nolands Cowboys

Wer kennt es nicht das Klischee der immer lächelnden US-Bevölkerung mit adretten Vorstadthäusern und getrimmten Vorgärten, Zahnpastalächeln und High-School-Kredit inklusive (vgl. das Werk von Alex Katz). Dann gibt es noch die Vorstellung von hyperaktiven Börsenspekulanten, Gangster-Rappern, Schönheitsköniginnen, Sport- oder Actionfilm-Superhelden. Letztere haben ihren Ursprung im amerikanischen Mythos von der unendlichen Weite des zu erobernden Westens und einer vermuteten Freiheit der Kuhhirten. Letztere sind als Cowboys zum nationalen Symbol einer vermeintlich genuin amerikanischen Kultur geworden. Vor allem in der Reagan-Ära der 1980er Jahre Hut, Stiefeln, Revolver und Lasso machen den Cowboy zu einer Figur, die mehr als jeder Trapper, Felljäger oder Pastor das Ideal des amerikanischen Mannes verkörpert. Außerdem spricht er wenig und hat das engste Verhältnis zu seinem Pferd. Soweit, so mythenhaft, so archetypisch.

Ende der 1980er Jahre wurde Cady Noland berühmt mit messerscharfen Analysen der amerikanischen Traumwelt, in der Cowboys stolz und unabhängig sind. Sie setzte lange vor „Brokeback Mountain“ (2005) dem Mythos eine gebrochene Version seiner selbst entgegen. Nolands Cowboy-Skulpturen, aus Aluminiumblech ausgeschnitten und mit Siebdrucken bedruckt, . „Cowboy Blank With Showboat Costume“ (1990) präsentiert die silhouettierte Figur eines durch vier Löcher punktierten Cowboys. Das Klischee des männlichen Ideals wird von Cady Noland immer wieder unterlaufen, so durch modische Details oder Verletzungen.

Was haben Bierdosen und die US-Flagge gemeinsam?

Ende der 1980er Jahre setzte sich Cady Noland in einer Serie von Skulpturen und Installationen mit dem Bierkonsum männlicher Amerikaner auseinander. „Crate of Beer“ oder eine titellose Installation in der Mattress Factory in Pittsburgh (beide 1989) verbinden Sixpacks mit Budweiser Dosen und Metallgerüsten miteinander. Für die Künstlerin sind Bierdosen ein ebenso starkes amerikanisches Symbol wie die Fahne („Old Glory“ genannt), sind beide doch Rot, Weiß und Blau. Die Fahne taucht zeitgleich in Nolands Werk auf, wo sie drapiert oder aufgehängt, verstümmelt oder zerstückelt wird – wie ihre Cowboys.

Abscheu vor Gewaltbegeisterung

Ein weiteres dominantes Thema in Cady Nolands Werk ist das öffentliche Interesse an Gewalt, das sie in der medialen Darstellung von prominent gemachten Kriminellen aufspürt. Die Künstlerin sieht darin ein Charakteristikum der amerikanischen „Psyche“. Die Schausucht hat zur Folge, dass in der amerikanischen Kultur, Individuen zu Unterhaltungszwecken objektiviert werden (siehe: „Tanya as a Bandit“ und „Untitled Patty Hearst“, beide 1989). Cady Noland glaubt, dass der männliche Psychopath das ultimative Ergebnis der amerikanischen Kultur ist, in der man sich gegenseitig manipuliert und objektifiziert. Zu Nolands. In den frühen 1990er Jahren beschäftigte sie sich intensiv mit Charles Manson und dessen „Familie“ bzw. deren Darstellung in den Medien.

Neuer Formalismus und konstante Kulturkritik

Während der 1980er Jahre nutzte Cady Noland die Bildsprache der Massenmedien. Seit Anfang der 1990er zeigen ihre Werke verstärkt eine an der Skulptur des Minimalismus und Post-Minimalismus geschulte Formlösung. Dem Formalismus der historischen Stile setzt sie ihre Untersuchungen zur amerikanischen Psyche entgegen. Immer wieder schwingen Anspielungen auf Folter, öffentliche Demütigung und körperliche Gefangenschaft mit.

Ausstellungen

Einzelausstellungen von Cady Nolands Werk wurden in der Paula Cooper Gallery in New York (1994), im Museum Boijmans Van Beuningen in Rotterdam (1995), im Wadsworth Atheneum in Hartford, Connecticut (1996) und im Museum moderner Kunst in Frankfurt a. M. („Mutated Pipe“ 2010 und 2018/19) gezeigt. Zwischen 1996 bis 2018 – also 22 Jahre – erlaubte Cady Noland keine Ausstellung ihrer Werke. Sie lässt sich weder fotografieren noch interviewen oder von einer Galerie vertreten.

Ihre Arbeiten waren in den Gruppenausstellungen „Strange Abstraction: Robert Gober, Cady Noland, Philip Taaffe, Christopher Wool“ im Tokio Museum of Contemporary Art in Tokyo (1991), der Whitney Biennial im Whitney Museum of American Art in New York City (1991), auf der Documenta 9 (1992) und „MONO: Olivier Mosset, Cady Noland“ im Migros Museum für Gegenwartskunst in Zürich (1999) zu sehen.

  1. Cady Noland, Towards a Metalanguage of Evil/ Zu einer Metasprache des Bösen (geschrieben 1987, überarbeitet 1992), Ostfildern-Ruit und Kassel: documenta IX 1992.