Elfie Semotan
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Elfie Semotan Modefotografin und die Kunst

Elfie Semotan in der Kunsthalle Krems, Foto: Alexandra Matzner.

Elfie Semotan in der Kunsthalle Krems, Foto: Alexandra Matzner.

Der international renommierten Modefotografin Elfie Semotan (* 1941) wird in Krems die erste Österreich-Retrospektive ihrer Karriere gewidmet: Neben Modefotografien, die die außergewöhnliche Stellung der Fotografin belegen, finden sich Landschaftsbilder, Künstlerporträts aber auch jüngere, konzeptuelle Arbeiten. Insgesamt werden ca. 170 Fotografien gezeigt, viele davon in Serien gehängt. Die gesamte Ausstellung lässt das Werk Semotans als Auseinandersetzung mit kunsthistorischen Vorbildern und subversives Vorgehen in der Modeszene erkennen.

Wie reagiert ein Art Director eines Modejournals, wenn die Modefotografin Elfie Semotan anstelle des teuer betuchten Modells vor allem die Landschaft (in diesem Fall die Puszta) und die heimische Bauernbevölkerung ablichtet? Vom Modell Cordula Reyer schwenkt der Blick auf eine Pferdeherde, den Hirten samt Hirtenhund, einfache Bauernhäuser und alte Bäuer_innen in ihren traditionellen Trachten. In der Ausstellung reihen sich die Fotografien der Puszta-Serie (1990) in verschiedenen Formaten, schwarz-weiß und grobkörnig ohne Abstände aneinander. Einziges Kontinuum ist der Horizont, der sich wie ein endloser, horizontaler Strich durch alle Bilder zieht. Je länger die Aufmerksamkeit auf die Bäuer_innen fällt, desto mehr wirkt das Modell wie ein Alien in einer fremden Welt. Nun, der Art Director zeigte sich nicht erfreut, zu wenig verwertbar schienen die Fotografien, zu wenig den Stereotypen der Modefotografie folgend. Aber vielleicht ist das gerade der Grund für Semotans Erfolg, Rollenmuster der Modelle zu unterlaufen, die Anforderungen der Modeindustrie ständig auf die Probe zu stellen, mehr ihrem eigenen Blick zu folgen als „Verwertbares“ zu produzieren?

Eigentlich ist die in Wels geborene Fotografin, die selbst Modedesign studierte und als Model in Paris gearbeitet hat, in einer fantastischen Situation. Sie produziert seit Mitte der 70er Jahre Kunst und keine Reklame, denn ihre Bilder sind Zeitzeugen für das Lebensgefühl der vergangenen Dezennien. Als eine der wenigen in der Branche kennt sie alle Seiten des Berufs, weiß, was Designern wichtig ist, wie ein Modell in Szene gesetzt werden kann, wie eine Fotografie oder eine Serie als Geschichte funktioniert. Im letzten Raum der Ausstellung, wo die Künstlerporträts von Freunden und Atelieraufnahmen gezeigt werden, wird deutlich, woher Semotan dieses Unangepasste und den frischen Blick hat. Wenn sie für Liska in Pelz gehüllte Modelle durch Vorstadtgärten stolzieren lässt, in den späten 80ern selbstbewusste Frauen rauchend porträtiert (für die Serie „Helmut Lang Smoking“, Wien 1989), 2000 Sophie Dahl als tollpatschige Sekretärin inszeniert („Secretary`s Day“, New York 2000), dann sind es außergewöhnliche Momente fernab üblicher Präsentationsbilder. Diese Freiheit beansprucht Semotan für sich, interessiert sie sich nicht nur für Kunstgeschichte, sondern bewegt sich unter Künstlerfreunden. Diese lassen sich von ihr ablichten oder gestatten sogar einen Blick ins Atelier. Besonders witzig ist die Aufnahme mit Heimo Zobernig, der sich als Vertikal-Liegestütz-Macher ablichten hat lassen. Dahinter steckt seine Bewunderung für den Bildhauer Wotruba, der im hohen Alter noch Liegestütz auf den Daumen machen konnte. Der Konzeptkünstler Zobernig arbeitet heute offensichtlich mehr mit dem Kopf als mit dem Bizeps und findet seine persönliche Variante der Kraftübung.

Künstler und Kunstwerke spielen im Leben von Elfie Semotan eine herausragende Rolle – beruflich wie privat. Besonderes Interesse bringt sie den englischen Präraffaeliten entgegen, klassischen Madonnen-Darstellungen der Renaissance und auch eine Anspielung auf Rubens' „Pelzchen“ lässt sich finden (für den Liska Pelzkatalog New York, 1998). Zeitgenössische Kunstwerke – wie die Installationen von Vanessa Beecroft (* 1969) – nutzt Semotan ebenso als Inspirationsquellen. Und darf dann auch die italienische Performance-Künstlerin selbst in viel zu engen Modelkleidern ablichten.

Die Ausstellung in der Kunsthalle Krems zeigt nicht nur das Werk der Fotografin, sondern auch eine variantenreiche Art der Präsentation. Die „kunsthistorischen“ Bilder werden z.T. als großformatige Tableaus vor karmesinroter Wand gehängt, die Modefotografien sind vor der Nüchternheit des White Cube platziert. Die Doppelfotografie „o.T.“ aus der Serie „French Girl in New York“ (New York, 1998) ließ Semotan in einer Ecke installieren und den Raum des New Yorker Zimmers durch einen echten Neo-Rokoko-Sessel erweitern.

Neue Tendenzen: Eine filmische Struktur weist die Serie „Division Street“ (2001-2013) auf. Seit Jahren fotografier Semotan die Straßenecke vor ihrem New Yorker Atelier. Als Beobachterin und Analystin gelingt ihr, mit wenigen ausgewählten Fotografien die Veränderung in ihrer nächsten Umgebung zu dokumentieren. Die jüngsten, künstlerischen Arbeiten, die Semotan unter dem Titel „Wegwerffotos“ zusammenfasst und riesig printen hat lassen, hängen wie auf einer Pinnwand (wenn sie einander auch nicht überschneiden) und sollen mehr Atmosphäre geben als wiedererkennbare Strukturen zeigen.

In Summe eine abwechslungsreiche Schau fernab üblicher Modefotoklischees!

Biografie von Elfie Semotan (* 1941)

1941 in Wels geboren
Ausbildung zur Modedesignerin
Semotan arbeitete bis Ende der 1960er Jahre in Paris als Fotomodell
1969 Rückkehr nach Wien
Mitte 1970er Jahre Kampagnen für Römerquelle und Palmers („Trau dich doch“), die sie berühmt machen
1973-1992 verheiratet mit dem Maler Kurt Kocherscheidt, mit dem sie zwei Söhne – Ivo und August – hat.
seit 1985 erscheinen Elfie Semotans Fotografien in internationalen Modemagazinen wie Vogue, Harper`s Bazaar, Elle und Marie Claire
seit 1986 Beginn der Zusammenarbeit mit Helmut Lang
1994 Übersiedelung nach New York
1996 bis 1997 verheiratet mit dem Maler Martin Kippenberger (→ Martin Kippenberger: XYZ)
2003 Gastprofessur an der Universität für angewandte Kunst in Wien
Elfie Semotan lebt in New York, Wien und Jennersdorf

Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.