Geheimnisvoll leuchten Christus, Maria und unzählige Heilige aus den spätbarocken Schöpfungen von Martin Johann Schmidt, genannt Kremser Schmidt (1718–1801). Der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts äußerst populäre Maler von Altar- und Andachtsbildern erzeugte stimmungsvolle Kompositionen, in denen sogar nahsichtige Todesszenen, Visionen, ja das heilige Geschehen insgesamt als emotional berührende, selten schreckenserregende Ereignisse präsentiert werden. Dabei bedient sich Kremser Schmidt einer ausgeklügelten Lichtregie und eines subtilen Kolorits.
Österreich / St. Pölten (Niederösterreich): Diözesanmuseum
5.5. – 31.10.2018
Aus dem nahezu sechzigjährigen Schaffen des in Stein an der Donau lebenden Barockmalers zeigt das Diözesanmuseum St. Pölten nahezu 200 Werke – Gemälde, Zeichnungen und Radierungen. Die dichte Schau konzentriert den Blick auf das sakrale Werk des barocken Malerstars, der in nahezu jeder Pfarr-, Stifts- und Wallfahrtskirche der Umgebung seine Spuren hinterlassen hat. Obwohl sich Kremser Schmidt dazu entschlossen hat, in der Provinz zu arbeiten, waren seine Werke überregional bis Slowenien begehrt.
Drei Gemälde am Beginn der Ausstellung „Kremser Schmidt: Out of the Dark“ führen in das religiöse Werk des Malers ein: Das signierte Frühwerk „Hl. Familie“ (um 1747, Pfarre Krems, St. Pölten), der „Hl. Florian über dem brennenden St. Pölten“ (1753, Diözesanmuseum St. Pölten) und eine „Immaculata“ (1762, Pfarre Waidhofen/Ybbs) lassen Kremser Schmidt bereits als Maler mit Vorliebe für Dunkelheit und Lichteffekt erkennen.
Aus dem unbestimmten Dunkel heben sich die teils skizzenhaft, immer aber virtuos konzipierten Figuren hervor. Große Figuren in den Zentren der Kompositionen ziehen die Blicke auf sich, wenig Handlung aber umso mehr himmelnde Blicke oder versunken meditative Stimmungen werden verteilt. Hingebungsvolles Schauen auf den Kruzifixus, gottesfürchtiges Sterben und in ihrer Dramatik eingeschränkte Opferszenen – wie beispielsweise „Die Opferung Isaaks“ und „Das Opfer Noahs“ (um 1782, Benediktinerstift Kremsmünster) – sind zentrale Kategorien seiner Kunst – und spiegeln gewisse Strömungen der Glaubensauffassung des späten 18. Jahrhunderts wider. Die Suche nach Innerlichkeit, persönlicher Frömmigkeit und Meditation war offensichtlich ein Anliegen von Kremser Schmidts Auftraggebern, womit der Künstler eine gänzlich andere Situation vorfand als noch zu Beginn des Jahrhunderts seine Vorgänger. Diese waren noch mit großen Freskoausstattungen betraut worden, während Kremser Schmidt vorwiegend im Staffeleibild brillierte.
Die Besonderheit von Johann Martin Schmidt besteht zum einen in seiner schier unüberschaubaren Produktivität (mehr als 1.000 Werke in 60 Jahren Schaffenszeit!) – zum anderen im Stil des tenebroso, des Dunkeln, das seine Kunst mit den Auffassungen von Francesco Solimena genauso verbindet wie mit Rembrandt van Rijn, der wohl ein persönlicher Favorit des Malers aus Stein war. Zeitlebens wohnte Kremser Schmidt in Stein an der Donau am Beginn der Wachau. Reisen sind nicht dokumentiert. Allerdings sammelte der Maler Druckgrafiken berühmter Vorbilder, darunter, wie bereits angedeutet, die revolutionär experimentellen Radierungen Rembrandts. Zudem bot der Meister aus Amsterdam ein Vorbild für überaus realistische Genreszenen. Rembrandts Grafiken inspirierten Kremser Schmidt zu eigenen Studien nach einem „Orientalen [Der Astronom]“ (um 1753, Privatsammlung) und kleinformatige Genreszenen. Diese ergänzen Reproduktionsgrafiken nach Kremser Schmidt berühmtesten Altarbildern, was er wohl von Peter Paul Rubens gelernt haben dürfte.
Mit einer dicht gehängten Abfolge von zweifarbigen Zeichnungen des Kremser Schmidt setzt die Ausstellung an. Schwarz-weiße, kleinformatige Skizzen zu später großformatigen Altarbildern auf blauem Papier geben einen Einblick in die Werkstattpraxis des Malers. In der Wallfahrtskirche am Sonntagberg befindet sich etwa eine über fünf Meter hohe „Aufnahme Mariens in den Himmel“ (1767): Wo Kremser Schmidt allerdings die größten seiner Hochaltarbilder ausführte, ist bis heute nicht bekannt, verfügte er in seinem Haus nicht über einen entsprechend hohen Raum.
Die Malerei des Kremser Schmidt fällt durch ihre stilistische Heterogenität auf, die nicht durch eine zeitliche Entwicklung begründet werden kann. Arbeitete der Maler vielleicht mit unterschiedlichen Stilmodi? Zweifellos nimmt seine am niederländischen und italienischen Barock geschulte Malerei, in der das Licht inhaltlich als Unterstützung christlicher Inhalte eingesetzt wird, eine Sonderstellung in der österreichischen Malerei des späten 18. Jahrhunderts ein. „Das Licht ist“, so Werner Telesko, „zudem die Basis für eine Vielzahl von künstlerisch Experimenten, wie sie sonst in der österreichischen Barockmalerei nicht vorkommen.“ Gleichzeitig orientierte sich Kremser Schmidt nur zu einem geringen Ausmaß an internationalen Stilentwicklungen seiner Gegenwart (Klassizismus), sondern hielt bis zu seinem Lebensende 1801 an den für ihn charakteristischen, jedoch für die Zeit um 1800 fast anachronistischen Stilmerkmalen fest.
Insgesamt ergibt das ein innerhalb seiner Geschlossenheit hochkomplexes Werk, das Wolfgang Huber, Direktor des Diözesanmuseum St. Pölten und Kurator der Ausstellung zum 300. Geburtstag des Malers, im Katalog in Hinblick auf Lichtregie und Rembrandt-Rezeption analysiert. Monika Dachs-Nickel schließt mit dem „Versuch einer Standortbestimmung – Der Kremser Schmidt und seine Zeitgenossen“ an. Werner Telesko untersucht in „Heiligenglorie und Arbeitsökonomie“ einige ikonografische Aspekte in den sakralen Werken des Kremser Schmidt. Generell stellt er darin fest, dass dessen monumentale Altarbilder traditionsverhafteter sind und die Leistung des Künstlers in der „Popularisierung“ der reichen visuellen Kultur des katholischen Barock in Österreich liegt. Kremser Schmidt, ein „antimoderner, verzopfter“ Maler mit großer Ausdruckskraft!