Rembrandt (1606–1666) setzte sich während seines Lebens mehrfach mit der Auferweckung des Lazarus auseinander. In dieser 1632 entstandenen Radierung aus der Albertina, die in zehn Zuständen bekannt ist, übernimmt er mehrere Bildelemente, die er schon einige Jahre zuvor in einem Gemälde des Los Angeles County Museum of Art entwickelt hatte. Die frühe Entstehung der Radierung legt zudem nahe, dass ihre Varianten und Zustände gänzlich eigenhändig von Rembrandt ausgearbeitet wurden. Zehn Jahre später wandte sich der Maler-Radierer erneut dem Thema zu und schuf „Die Auferweckung des Lazarus“ in einer kleinen Platte zu 15 mal 11,4 Zentimetern.
Österreich / Wien: Albertina
„Als Jesus hörte, dass Lazarus, der Bruder von Maria und Martha, gestorben war, reiste er nach Bethanien. Dort erweckte er Lazarus, den man schon vier Tage zuvor begraben hatte, wieder von den Toten.“ (Joh. 11,1–44)
Das Wunder soll sich in einer Höhle zugetragen haben. Rembrandt zeigt Christus mit erhobener Rechten im verlorenen Profil. Er steht auf der Grabplatte, vor ihm das geöffnete Grab mit Lazarus, der seinen Mund geöffnet hat. Die Umstehenden reagieren mit Staunen und Schrecken auf das Ereignis. Die um 1632 entstandene Radierung ist die bis dahin größte Druckgrafik im Werk des nunmehr in Amsterdam wohnenden Künstlers. Über den Zeitraum von mehreren Monaten überarbeitete er die erste Fassung immer wieder und veränderte das Figurenpersonal, dessen Kopfbedeckungen, aber auch die theatralische Lichtstimmung. Hierin zeigt sich die Auseinandersetzung Rembrandt mit den Utrechter Caravaggisten, allen voran mit der Malerei von Hendrick Ter Brugghen.
„Die Auferweckung des Lazarus“ gilt als erster Druck in einer Reihe von großformatigen, bildhaften Radierungen, mit denen Rembrandt sich in direkte Konkurrenz zu Peter Paul Rubens stellte. Der schwarze Rahmen, mit dem er die Radierung einfasst, wirkt wie ein Bilderrahmen. Gleichzeitig positionierte er sich auch im Verhältnis zu Jan Lievens und dessen Interpretation der Auferweckung des Lazarus. In der Radierung ging Rembrandt jedoch weit über die in den Gemälden erprobten Kompositionen hinaus, indem er Christus nicht mehr von vorne, sondern als Rückenfigur im verlorenen Profil zeigt.
Rembrandt radierte von etwa 1628 bis 1661, also seinen Anfängen in Leiden bis zu seiner späten Amsterdamer Zeit. Heute werden etwa 290 Druckgrafiken dem Barockmaler zugeschrieben. In der Übersicht fällt auf, dass sich Rembrandt – im Gegensatz zu seiner Malerei – in der Druckgrafik mit allen Gattungen auseinandersetzte. Charakteristisch für Rembrandts Druckgrafiken ist der freie Zeichenstil, der sich manchmal in einer skizzenhaften Linienführung zeigt. Er zeichnete fast immer seinen Entwurf direkt auf die Platte, allerdings gibt es zu vielen Druckgrafiken Vorstudien, die allerdings nie einen hohen Grad an Vollendung haben. Zudem konnte er als Erster der Technik malerische Qualitäten abringen, was unzählige Künstler im 18. und 19. Jahrhundert dazu bewog, Rembrandts Stil zu studieren und danach zu arbeiten. Neben Hercules Seghers (auf dem Gebiet der Landschaftsradierung) ist Rembrandt van Rijn der experimentierfreudigste niederländische Druckgrafiker des 17. Jahrhunderts.
Rembrandt verwendete als Druckform eine dünne Kupferplatte, die sogenannte Ätzplatte. Nachdem er diese gereinigt hatte, trug er einen säurefesten Ätzgrund auf (vorne wie hinten!). Dieser bestand meist aus einer Mischung von Asphalt, Harz und Wachs. Rembrandt mischte sich seinen eigenen sehr weichen, pastosen Ätzgrund an. In diese Schicht wird mit der Radiernadel das Bild gezeichnet. Wichtig ist, dass nur dort die Platte geätzt wird, wo das Kupfer freigelegt und zu sehen ist. Von diesen Druckplatten sind nur sehr wenige erhalten geblieben.
Nach dem Einritzen der Zeichnung in den Ätzgrund wird die Kupferplatte in ein Bad mit Säurelösung – Rembrandt verwendete eine verdünnte Salzsäurelösung – gelegt. Die säurebeständige Schicht schützt die Platte, wo sie weggeritzt wurde, kann die Säure das Kupfer angreifen. Je länger das Säurebad andauert, desto tiefer sind die Einkerbungen. Rembrandt ließ die Säure langsam einwirken, damit die dünnen, teils skizzenhaften Linien nicht grob werden. Stattdessen sind Rembrandts Radierungen durch ihre vielen Zustände berühmt. Je dunkler eine Linie bzw. eine Fläche erscheinen soll, desto öfter muss sie nachgeätzt werden. Für die „Auferweckung des Lazarus“ sind zehn Zustände dokumentiert, welche die Arbeitsschritte des Künstlers nachvollziehbar machen. Erst mit dem dritten Zustand hatte er die Komposition zufriedenstellend gelöst. Ab nun veränderte er nur noch die Haltungen und Gestik der Zuschauer.
Eine weitere Möglichkeit, die Rembrandt intensiv ausnutzte, war der Einsatz von Kaltnadel und Grabstichel. Mit beiden wird direkt auf die Kupferplatte gezeichnet. Die Kaltnadel lässt auf der Platte Linien mit Graten entstehen. An diesen bleibt beim Auswischen etwas Farbe haften, wodurch der Druck an diesen Stellen samtig und unscharf erscheint. Nachteil ist, dass nur etwa 15 gute Drucke von einer solchen Platte abgezogen werden können, da die Grate sehr schnell unter dem Druck der Presse nivelliert werden. Erst ab etwa 1640 nutzte Rembrandt dieses Verfahren häufiger. Einige Drucke sind gänzlich mit Kaltnadel und Grabstichel gestaltet worden, wie die berühmten Drucke „Ecce homo“ (1655) und „Die drei Kreuze“ (1653). Zusätzliche Vielfalt erzielte Rembrandt durch die Wahl unterschiedlicher Papiersorten.
Das Drucken erfolgt in einer Druckerpresse, nachdem der Ätzgrund entfernt worden war. Die Druckerschwärze wird mit einem Stofftampon oder einem Roller auf die Platte aufgetragen. Anschließen wird mit dem Handballen die Platte sauber gewischt – das sogenannte „Auswischen“ –, damit nur in den vertieften Linien die Druckerschwärze haften bleibt. Je tiefer die Linie geätzt wurde, desto mehr Druckerschwärze kann sie aufnehmen, was sie im Druck dunkler aussehen lässt. Wenn man etwas Druckerschwärze auf der Platten stehen lässt, ergibt das im Druck den sogenannten „Plattenton“. Das angefeuchtete Papier wird auf die Druckerplatte aufgelegt und durch die Druckerpresse hindurchgedreht. Der gerade hergestellte Druck lässt sich noch einmal auf ein weißes Papier umdrucken, wodurch eine seitenrichtige Variante der Druckgrafik entsteht (siehe der vierte Zustand der „Drei Kreuze“).