Das Museum der Moderne Salzburg zeigt mit 278 Blättern eine repräsentative Auswahl des Bilderzyklus „Leben? oder Theater?“ von Charlotte Salomon (geboren 1917 Berlin, DE, verstorben 1943 Auschwitz, PL), der ein einzigartiges Dokument eines deutsch-jüdischen Lebens im Berlin der 1920er und 1930er Jahre darstellt.
Österreich | Salzburg: Rupertinum
11.7. – 18.10.2015
Die insgesamt 1325 Gouachen des Zyklus sind zwischen 1940 und 1942 im französischen Exil entstanden, wenige Jahre bevor die 26-jährige Salomon deportiert und ermordet wurde. Leben? oder Theater? von Charlotte Salomon besticht nicht nur durch seine besondere Geschichte, sondern auch wegen der Verflechtung von Bild, Text und Musik sowie der leuchtenden Farbigkeit der Gouachen. Salomon selber nannte dieses Werk ein „Singespiel“, weil das Stück immer wieder Hinweise auf bekannte Musikstücke enthält. In der Ausstellung wird dem Rechnung getragen, indem viele dieser Musikstücke in Zusammenhang mit den jeweiligen Gouachen zu hören sein werden. 2012 war ein Teil des Bilderzyklus auf der documenta (13) zu sehen; 2014 wurde das Werk im Auftrag der Salzburger Festspiele von Marc-André Dalbavie als Oper vertont und 2015 als Ballett mit Musik von Michelle DiBucci im Musiktheater im Revier Gelsenkirchen aufgeführt. An die Aufführung bei den Festspielen 2014 wird mittels Fotografien und Kostümen der Oper erinnert.
In ihrem Lebenswerk „Leben? oder Theater?“ verarbeitete Salomon ihre Familiengeschichte und ihre Erfahrungen als jüdisches Mädchen in Berlin. Es besteht aus drei Teilen: einem Vorwort, in dem es um ihre Jugend in Berlin geht, einem Hauptteil, der von ihrer Liebe zum Gesangspädagogen Alfred Wolfsohn erzählt, sowie einem Nachwort, das ihre Exilzeit in Südfrankreich zwischen 1939 und 1942 zusammenfasst. Die Gouachen sind in einem freien, farbenfrohen Stil geschaffen, der von Einflüssen zeitgenössischer Kunst zeugt. Personen werden mit wenigen Linien charakterisiert. Sind die Szenen am Anfang noch recht detailgenau ausgearbeitet, so wird der Malstil zunehmend nervöser, als wusste Salomon, dass ihr nicht viel Zeit bleiben würde. Die Darstellungsweise erinnert teilweise an ein Storyboard für einen Film – mit verschiedenen Szenen in einer Darstellung, Ansichten von oben und plötzlichen Nahaufnahmen.
Im Juni 1943 heiratete Charlotte Salomon den österreichischen Emigranten Alexander Nagler. Einige Monate später wurden beide deportiert; die schwangere Salomon wurde bei der Ankunft in Auschwitz ermordet. Nach dem Krieg gelangte ihr Bilderzyklus in die Hände ihres Vaters und der Stiefmutter, die in den Niederlanden überlebt hatten; sie stifteten das Werk dem Jüdischen Historischen Museum in Amsterdam, wo es sich bis heute befindet.
Kuratiert von Beatrice von Bormann, Leiterin Sammlung; mit Barbara Herzog, Kuratorische Assistentin, Museum der Moderne Salzburg.
Quelle: Pressetext