Canaletto (Giovanni Antonio Canal) (1697–1768) ist der unbestrittene Hauptmeister der Vedutenmalerei in Venedig. Gemeinsam mit seiner Werkstatt etablierte er ab 1721 das Genre der Vedute als venezianische Leitgattung. Der Ruhm des Künstlers erreichte bereits Ende der 1720er Jahre England, da die Lagunenstadt im frühen 18. Jahrhundert eine wichtige Destination für adelige Reisende auf der Grand Tour war. Bei der Vermarktung seiner Gemälde wurde Canaletto von seinem Förderer und Agenten Joseph Smith, der Stiche von Antonio Visentini anfertigen ließ, maßgeblich unterstützt. Der Österreichische Erbfolgekrieg (1740–1748) führte zum Einbruch der Verkäufe. In dieser Zeit wurde Canaletto von seinem Neffen Bernardo Bellotto unterstützt und malte in Rom und Padua. Zwischen 1746 und 1755 hielt sich Canaletto neun Jahre in England auf, sonst verbrachte er nahezu sein gesamtes Leben in Venedig. Das Spätwerk des venezianischen Meisters ist weniger „realistisch“ als seine frühen Gemälde, in denen er die Topografie der Stadt zu idealisierten Ansichten mit Staffagefiguren verarbeitete. Die nach 1755 entstandenen Werke sind phantasievolle Capricci, die Eindrücke der Reisen und der Lagune miteinander verweben. Gemälde wie und ausformulierte Zeichnungen bezeugen die viel diskutierte Detailverliebtheit ihres Schöpfers.
The Queen's Gallery, Buckingham Palace
19.5. – 12.11.2017
Canaletto entstammte einer venezianischen Familie (cittadino originario) und wurde am 30. Oktober 1697 in der Kirche von San Lio in der Nähe des Rialto getauft. Sein Vater, Bernardo Canal, entwarf Bühnenbilder und bildete seinen Sohn in diesem Metier aus. Aus dem Jahr 1719 ist eine Reise des zwanzigjährigen Canaletto nach Rom dokumentiert, wo er gemeinsam mit seinem Vater zwei Opern von Alessandra Scarlatti (1660–1725) ausstattete. Genaueres über die Gestaltung der Bühnenbilder ist nicht bekannt, genauso wie über alle anderen Arbeiten, die vor 1720 entstanden sind. In Rom zeichnete der junge Canaletto nach antiken Ruinen, um einen Motivschatz aufzubauen. Durch seine Bühnenarbeit lernte der junge Canaletto die Perspektive so zu verändern, dass ein neuartiger Raumeindruck entstand (besonders revolutionäre Entwürfe sind von der bolognesischen Familie Galli-Bibiena bekannt). Weitere Einflüsse empfing Canaletto von den Vedutenmalern Giovanni Paolo Pannini, Giovanni Ghisolfi, Viviano Codazzi, Gaspar van Wittel, genannt Gaspar Vanivitello, Luca Carlevarijs, Jan van der Heyden. Im Vergleich zu Carlevarijs machte jedoch Canaletto die Stadt selbst zum Hauptgegenstand seiner Bilder (→ Venedig. Stadt der Künstler).
1720 erscheint Canalettos Name erstmals in den Listen der venezianischen Malergilde, der Fraglia dei pittori. Gleichzeitig begann die für beide Seiten fruchtbare und 30 Jahre andauernde Zusammenarbeit des Malers mit dem englischen Kunsthändler und späteren Konsul Joseph Smith (um 1674–1770). Die Bekanntschaft zwischen den aufstrebenden Vedutenmaler und dem Sammler könnte von Marco Ricci oder dem englischen Impressario Mc Swiny hergestellt worden sein. Bis 1730 gehörte der Ire Mc Swiney zu den wichtigsten Zwischenhändlern von Canalettos Bildern nach England. In diesen Jahren verärgerte Canaletto allerdings seinen Fürsprecher derart, das er die Zusammenarbeit aufgab.
Höchstwahrscheinlich ist eine Serie von vier großen Gemälden aus den Jahren 1723/24 die früheste Vedute. Sie dürfte von Fürst Joseph Wenzel von Liechtenstein (1696–1772 → Wien | Gartenpalais Liechtenstein: Joseph Wenzel und seine Kunst) in Auftrag gegeben worden sein. Der Kontakt zwischen dem Wiener Adeligen und dem aufstrebenden Venezianer dürfte über Anton Maria Zanetti hergestellt worden sein, mit dem der Fürst lange befreundet war. Die „Vedute des Canal Grande vom Campo San Vio“ (vor 1723, Thyssen), die es in vier Varianten gibt, zeigt den Canal Grande in Richtung des Markusbeckens. Leicht erhöht über dem Campo San Vio lässt der Venezianer den Blick auf den Palazzo Corner (links) mit dessen Marmorfassade fallen. Der Campo [Platz] ist mit Figuren gefüllt. An der Hausmauer hinter ihnen ist ein beflaggtes Schiff gemalt. Dieser Bereich des Bildes ähnelt einem Genregemälde, zeigt es doch das Alltagsleben der Venezianerinnen und Venezianer im frühen 18. Jahrhundert. Die Kuppel von Santa Maria della Salute ist eingerüstet, was für das Jahr 1719 dokumentiert ist. Dies spricht dafür, dass Canaletto das Gemälde schon 1719 begonnen, es aber erst nach seiner Rückkehr aus Rom fertiggestellt hat. Wie von Anton Maria Zanetti (1680–1757), ein zeitgenössischer Maler und Kunstsammler, überliefert, dass sich Canaletto erst nach seinem Rom-Aufenthalt der Vedutenmalerei zugewandt hat.
„Piazza San Marco nach Osten“ (um 1723/24, Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid) aus dieser Serie zeigt noch eine barocke Raumordnung mit einem dunklen Vordergrundstreifen, einem dramatischen Himmel. Die Pflasterung wurde 1723/24 von Andrea Tirali ausgeführt, wodurch das Gemälde sicher zu datieren ist. Gemeinsam mit „Der Canal Grande vom Palazzo Balbi gegen Rialto“ und „Rio die Mendicati“ bilden die beiden erstgenannten Gemälde eine etwas gleich große Viererserie.
Ab etwa 1700 lebte der geschäftstüchtige Kunsthändler Joseph Smith (um 1674–1770) in Venedig, wo er über mehrere Jahrzehnte hinweg eine außergewöhnliche Kunstsammlung aufbaute. Vor allem seine Förderung Canalettos ließ Konsul Smith in die Kunstgeschichte eingehen. Für den Vedutenmaler agierte Smith quasi als Agent. 1762 verkaufte Smith seinen kostbaren Besitz an König George III., der bis heute in großen Teilen in der Royal Collection verwahrt wird. Die englische Königin verfügt deshalb über die weltgrößte Sammlung von Gemälden, Zeichnungen und Druckgrafiken Antonio Canalettos.
Joseph Smith und Canaletto trafen einander erstmals im Jahr 1723. Bei dieser Gelegenheit beauftragte der englische Händler den vom Bühnenbild kommenden Vedutenmaler mit einer Serie von sechs Ansichten rund um die Piazza San Marco als Ausstattung für seinen eigenen Palazzo Balbi [heute: Palazzo Mangilli-Valmarana] am Canal Grande. Die Beziehung zwischen Canaletto und Smith weitere sich rasch zu seiner erfolgreichen Partnerschaft, um venezianische Ansichten an englische Adelige auf der Grand Tour zu vermarkten. Smith trat als Händler zwischen dem Maler und seinen Kunden auf, er sorgte für zeitgerechte Fertigstellung der Bilder, deren Transport und Rahmung. Gleichzeitig arbeitete er mit dem Kupferstecher Antonio Visentini (1688–1782) zusammen und publizierte Canalettos Serie mit Ansichten des Canal Grande, dem „Prospectus Magni Canalis Venetiarum“ (1735, erweitert 1742), um zukünftige Käufer auf den Geschmack zu bringen.
Gleichzeitig malte Canaletto 1723/24 auch eine Serie von sechs Ansichten der Piazza und Piazzetta von San Marco für Joseph Smith. Thematisch und kompositorisch ähnelt die zweite Fassung der Ansicht des Markusdoms durchaus. Weite Perspektive, tiefe Raumflucht lassen die Markuskirche in die Ferne rücken. Der Campanile wird dadurch in seiner ganzen Höhe erfasst. Da der Platz bereits fertig gepflastert ist, kann das Bild nicht vor Ende 1724 abgeschlossen worden sein. Der wichtigste und auffallendste Unterschied ist, dass Canaletto hier bereits einen helleren Himmel und stärkeres Blau dafür wählt. Es konnte nachgewiesen werden, dass Canaletto mit Preußischblau arbeitete, das 1704 erstmals chemisch erzeugt wurde, lichtecht ist und hohe Farbkraft hat. Damit geht er von tonigen Farben in Richtung einer Rokoko-Färbung mit stärkeren Lokalfarben über. Die neue Behandlung der Farbigkeit resultiert aus der nun einsetzenden Beobachtung von Licht, Atmosphäre und Stimmung.
Ein erster Höhepunkt im Schaffen des venezianischen Vedutenmalers ist „Die Chiesa della Carità oder Die Werkstätte der Steinmetze [The Stonemason’s Yard]“ (1725/26, The National Gallery, London). Hier wird deutlich, dass Canaletto realistischere Beleuchtung einsetzte, die Szenen streng komponierte und mit absoluter Präzision venezianisches Leben einfing. Die hellere Farbigkeit lässt die Vedute Lichtdurchflutet erscheinen. Die vielen beobachteten Details werden durch die strenge Komposition in Schach gehalten. Der Bretterverschlag im Bildvordergrund öffnet sich in den Mittelgrund, wodurch die Bildebenen gut miteinander verzahnt werden.
Angesichts eines Werks wie diesem lässt sich darüber nachdenken, wie realistisch die Auffassung von Canaletto war. Es haben sich viele Zeichnungen und Skizzen Canalettos erhalten. Zeitgenössische Quellen betonen sogar, dass der Maler seine Bilder außerhalb des Ateliers gefertigt hätte. Allerdings ist nicht sicher, ob sie damit wirklich eine Form der Pleinairmalerei gemeint haben, oder nicht vielmehr die Zeichnungen gemeint gewesen sein könnten. Für diese bediente sich Canaletto der Camera obscura. In der Korrespondenz mit englischen Sammlern wird die Fähigkeit Canalettos, topografisch genau zu arbeiten und lichtvolle, helle Atmosphäre zu schaffen besonders betont. Diese Qualitäten würden sogar seine täglichen sich ändernden Preisvorstellungen erträglich machen, zeigten sich seine Händler überzeugt.
Um 1725 hatte sich Canaletto in der Stadt bereits einen Namen gemacht, da er „die Sonne in seine Gemälde“1 ließ, wie ein Zeitgenosse bemerkte. Die Mitte der 1720er Jahre gemalten Ansichten des Canal Grande, z. B. „Rialto Brücke von Norden“ (1725, Pinacoteca Giovanni e Marella Agnelli, Turin), weist eine farbige Brillanz auf, geschickte Modellierung mit Licht und Reflexen auf dem opaken Grün des Wassers.
Der Theaterimpressario Owen McSwiny beauftragte 1726 eine Reihe von Künstlern mit einer Serie von allegorischen Ruinenbildern, in denen verfallenden Grabdenkmäler, Ruinen und wuchernde Vegetation miteinander zu phantasievollen Capriccios verbunden sind. Neben Gianbattista Pittoni und Giovanni Battista Cimaroli war auch Canaletto bereits aufgefordert, einen Beitrag zu liefern. Es kam allerdings nicht zur Vollendung des anspruchsvollen Projekts.
In der zweiten Hälfte der 1720er Jahre malte Canaletto eine Serie von zwölf Gemälden des Canal Grande für Smith. Zwei etwas größere Ansichten des Canal Grande mit Festlichkeiten wurden 1733/34 noch ergänzt, darunter „Der Bacino di S. Marco zu Christi Himmelfahrt“ (1733/34, Royal Collection Trust). Diese vierzehn Bilder waren in Smith’s Palazzo zu sehen, wo viele englische Besucher ein- und ausgingen. Der Erfolg Canalettos hatte mit dieser Präsenz bei seinem Promotor, heimlichen Agenten und schlussendlich Kunsthändler viel zu tun. Smith garantierte seiner adligen Kundschaft möglichst baldige Lieferung der bestellten Bilder, trieb das Geld ein, rahmte die Werke und schickte sie nach England.
Ab 1727 begann Canaletto verstärkt Blau- und Grüntöne einzusetzen, wodurch seine Bilder immer heller und leuchtender wurden. Auch sein Blick auf die Lagunenstadt war individuell und originell, indem er möglichst wenig Pomp und Glorie versprüht. Die naturalistische Farbigkeit, die unaufgeregten Kompositionen (streng orthogonal ausgerichtet), realistische, weil diffuse Lichtverhältnisse. 1727 unternahm er einen Ausflug nach Brenta und ließ sich von der Terra Ferma inspirieren: „Die Schleusen von Dolo“ ist ein Ergebnis der Reise. Ähnlich formuliert er den „Fonteghetto della Farina“.
Der Österreichische Erbfolgekrieg (1740–1748) ließ den stetigen Strom an englischen Besuchern in Venedig abrupt abreißen. Neue Gemälde nach England zu schiffen, wurde genauso gefährlich. Durch das Ausbleiben der Auftraggeber suchte sich Canaletto mit Fantasieszenen (vedute ideate) neue Sujets und kehrte zum Großformat zurück, darüber hinaus wandte er sich auch der Radierung zu. Besonders spektakuläre Aufzüge waren die Einzüge von Diplomaten und Staatsgästen in die Lagune. Vermutlich in Auftrag des Botschafters Graf Giuseppe de Bolagno, der den Staatsakt der Übergabe seiner Beglaubigungsschreiben im Mai 1729 im Bild festgehalten haben wollte, schuf Canaletto das großformatige, gleichnamige Bild in Mailand. Canaletto orientierte sich für diese ihm ungewohnte Aufgabe an den Werken von Carlevarijs – und wandelte die einmal gefundene Bildlösung für den Empfang des französischen Botschafters einfach nur ab.
Venedig zu Christi Himmelfahrt stellte Canaletto immer wieder dar: „Der Bacino di S. Marco zu Christi Himmelfahrt“ (um 1733/34, Royal Collection Trust, Her Majesty Queen Elizabeth II 2016) Der Bucintoro, die Staatsgaleere, wird prächtig geschmückt, und der Doge führt damit aufs Meer hinaus, um einen Ring ins Wasser zu werfen. Diese Tradition geht auf das Jahr 1177 zurück, als sich Venedig durch das diplomatische Meisterstück Kaiser Friedrich Barbarossa und Papst Alexander III. miteinander zu versöhnen, die Unabhängigkeit sicherte. Canaletto zeigt die Staatsgaleere noch in der Mole ankern, weitere festlich geschmückte Boote begleiten den Dogen bei seiner Fahrt.
Die hohe Qualität des Bildes – wie auch der „Regatta auf dem Canal Grande“ (um 1733/34, Royal Collection Trust) – zeigen, welch hohe Bedeutung die englischen Auftraggeber für den Maler hatten. Und dass er sich von ungeduldig wartenden Klienten nicht drängen lassen wollte, seine Bilder fertigzustellen.
Neben den Ansichten bedeutender venezianischer Sehenswürdigkeiten und der „Fahrt“ über den Canal Grande realisierte Canaletto auch eine große Anzahl von Ansichten ganzer Plätze und dem geschäftigen Treiben darauf. Dabei passte er gerne den Blickwinkel und topografische Details seinen Vorstellungen von Komposition an. Dennoch wirken seine Bilder immer fotografisch genau „abgemalt“. Für die Ansicht des „Campo Santi Apostoli“ zog er die Gebäude geschickt zusammen, ohne dass der Platz deshalb gedrängt aussehen würde. Einmal mehr arbeitete er mit einer dunklen Vordergrundszone (vgl. seine frühesten Ansichten von San Marco), um den Blick in den Mittelgrund zu lenken. Die im Schatten liegende Brücke wird von einem Marktstand berkönt., darunter liegen Gondeln und Fischerboote.
Joseph Smith unterstützte den Maler, indem er fünf großformatige Ansichten von Rom und eine Serie von dreizehn Supraporten in Auftrag gab. Beide Themen folgen den Interessen Smith’s in der Architektur der Antike und Andrea Palladios. Mit diesen Bildern wandte sich Canaletto einer neuen Aufgabe zu, weshalb das Jahr 1742 eine Art Wasserscheide für den Künstler darstellt. Zunehmend wandte er sich dem Capriccio zu, die auf realen Bauten und Orten basieren, diese allerdings in überraschende und pittoreske Zusammenhänge stellt.
Gemeinsam mit seinem Neffen, Bernardo Bellotto (genannt Canaletto), reiste Canaletto über den Brenta Kanal nach Padua. Erstmals wandte er sich um 1740 auch der Radierung zu und verarbeitete Reiseeindrücke in einer Serie von Radierungen, die er dem 1744 zum Konsul ernannten Smith widmete.
1746 reiste Canaletto nach England, um neue Auftraggeber wie den Duke of Richmond zu finden. Weitere Auftraggeber waren Lord Brooke, der spätere Earl of Warwick, und Sor Hugh Smithson, der spätere 2nd Earl of Northumberland. Der Venezianer blieb bis 1755, also fast neun Jahre, in England und kam nur kurz 1751 sowie 1753 in die Lagunenstadt zurück. Während seines Aufenthalts in England wandte sich Canaletto u.a. Ansichten der Themse zu und malte auch die gerade fertiggestellte Westminster Bridge. Für Smith malte Canaletto zwei panoramaartige Ansichten der City of London von der Terrasse des Somerset House (um 1750/51). Einmal blickt man in Richtung von St. Paul‘s Cathedral (1709 vollendet), das andere Mal in Richtung Westminster. Da die beiden Bilder auf venezianischen Leinwänden gemalt wurden, darf man davon ausgehen, dass Canaletto sie während eines Heimataufenthalts ausgeführt hat.
Auch nach seiner Rückkehr nach Venedig 1755 malte Canletto Stadtansichten, Veduten und Capricci. Es verringerte sich seine Produktion, jedoch genossen Canalettos Werke eine solche Bekanntheit, dass englische Besucher die Stadt nach den Ansichten des Meisters besichtigten. Dennoch zögerte die Accademia Veneziana di Pittura e Scultura bis 1763, bevor sie den berühmten Maler in ihre Reihen aufnahm. Zwei Jahre später reichte er sein Aufnahmestück ein, ein ausgeklügeltes Capriccio mit dem Titel „Eine Kolonnade öffnet sich in den Hof eines Palastes“ (1765, Accademia, Venedig). Das letzte datierte Werk von Canaletto ist eine Zeichnung in der Kunsthalle Hamburg: „Die Vierung von San Marco nach Norden“ (1766). Stolz schrieb der betagte Künstler auf das Blatt, dass er es im Alter von 68 Jahren und ohne Brillen gemalt hätte. Er starb zwei Jahre später nach einer kurzen Krankheit und wurde in der gleichen Kirche beerdigt, in der er siebzig Jahre zuvor getauft worden war.
Wenn auch über viele Jahre hinweg unglaubliche Summen für seine Bilder bezahlt wurden, so lässt das nach dem Tod Canalettos verfasste Inventar auf einen bescheidenen Menschen schließen: eine kleine Summe Geld, 28 unverkaufte Gemälde, ein kleines Einzelbett mit altem Bettzeug (Leinen), acht alte Hemden, sechs Paar alte Hosen in Weiß, fünf weiße Nachhauben, vier Mäntel (drei davon alt und einer gefärbt), zwei alte Knickerbocker, zwei alte Westen und zwei alte Hüte, von seinen vier Umhängen (Übermänteln) waren drei alt und einer „sehr alt“.
Die Präzision in der Wiedergabe der Gebäude in den Werken Canalettos darf nicht mit einem fotografischen Blick verwechselt werden, beobachteten doch die Zeitgenossen Canalettos dessen Freiheit in der Wiedergabe der Paläste. Canaletto beobachtete zwar genau die Straßen, Paläste und die Kanäle, arrangierte die Objekte in seinen Veduten neu, veränderte das Gesehene oder kombinierte zwei verschiedene Blickpunkte in einem Bild. Wirklichkeitsnähe musste sich der Bildhaftigkeit der Komposition unterordnen. Zu den häufig anzutreffenden Veränderungen zählen beispielsweise die Verbreiterung der Wasseroberflächen, wie in „Das Markusbecken, Blick nach Norden“ (um 1730, Amgueddfa Cymru – National Museum of Wales, Cardiff) oder „Ansicht des Markusbeckens in Venedig“ (1735, Städel Museum) zu beobachten ist.
Die von Canaletto eingesetzten technischen Hilfsmittel reichen von Linealen, Zirkeln, Abstandhaltern, um die Paläste und deren Dekorationen an den Fassaden zu definieren. Entweder wurden diese Linien eingezeichnet oder in die nasse Farbe eingedrückt. Überhaupt malte Canaletto seine Bilder von großen Formen (Architekturen, Himmel, Wasseroberfläche) hin zu immer detaillierteren Formen, die er auf die Oberfläche setzte. Daraus resultiert die große Klarheit, mit denen die letzten Details, darunter auch die Staffagefiguren, auf die Malerei gesetzt ist.
Es ist unwahrscheinlich, dass Canaletto seine Werke außer Haus vorbereitete. Stattdessen bevorzugte er es, eine große Anzahl von Zeichnungen zu machen, auf deren Basis er seine Bilder entwickelte. Technische Untersuchungen haben in den letzten Jahren zum Schluss geführt, dass er diese Zeichnungen als Erinnerungsstützen verwendet haben muss, denn weder Unterzeichnung noch Untermalung sind in seinen Bildern nachweisbar. Canaletto folgte der venezianischen Tradition, direkt und spontan auf die Leinwand zu malen.
Canalettos Zeichnungen bestechen durch ihre akribische, detailreiche Ausführung und Perfektion in der Raumwiedergabe. Hierin lässt sich seine Herkunft als Bühnenbildner noch nachvollziehen. Gleichzeitig erschien der mit Lineal und Zirkel arbeitende Künstler den Kunstwissenschaftler des 19. Jahrhunderts mehr wie ein Topograf denn ein Maler.