Fürst Joseph Wenzel I. von Liechtenstein (1696–1772) gilt als bedeutender Kunstsammler, Diplomat und Stratege, der die Geschichte Europas und des Fürstenhauses Liechtenstein nachhaltig prägte. Die Fürstlichen Sammlungen widmen ihm aus Anlass seines 250. Todestages im Gartenpalais Liechtenstein eine Sonderausstellung, die bei freiem Eintritt zu besuchen ist. Sie ist Auftakt der neuen jährlichen Reihe MÄRZ IM PALAIS, welche die Schätze der Liechtenstein-Sammlung wieder einer breiten Öffentlichkeit in Wien zugänglich machen soll.
Österreich | Wien: Gartenpalais Liechtenstein
1.–31.3.2022
MÄRZ IM PALAIS | Eintritt frei
Der 1696 in Prag geborene Joseph Wenzel I. von Liechtenstein war unter Maria Theresia und Kaiser Franz I. Stephan Feldmarschall der österreichischen Armee. Bereits in den Jahrzehnten davor hatte er sich als umsichtiger Organisator der eigenen Familienbelange – er heiratete seine Cousine ersten Grades, um die Familien zu einen –, und geschickter Stratege in den Kriegen von Kaiser Karl VI. erwiesen. Große Bedeutung hatte seine Artilleriereform, der Wechsel auf kleinere, wendigere Geschosse, welche er zum beträchtlichen Teil selbst bezahlte und so dem Konflikt mit Preussen eine neue Wendung gab. Als Mitglied des europäischen Hochadels diente Joseph Wenzel auch als Diplomat in Berlin und Paris, wurde in den Orden des Goldenen Vlieses aufgenommen (1739) und begeisterte sich für zeitgenössische Rokoko-Kunst aus Italien und Frankreich. Zu den Höhepunkten seines beruflichen (und vermutlich auch gesellschaftlichen) Lebens gehörte, Isabella von Parma, die Braut Kaiser Josephs II., nach Wien zu bringen. Dafür setzte der Fürst 1760 noch einmal seinen Goldenen Wagen ein, eine vergoldete Prunkkarosse aus Paris, an der berühmte Künstler wie François Boucher mitgearbeitet hatten.
In der Ausstellung in den drei Damenappartements bezeugen Briefe und Dokumente sowie kostbare Geschenke u. a. von seiner persönlichen Beziehung zu Kaiserin Maria Theresia und der lebenslangen Verbundenheit des „treuen Fürsten“ zu Preußenkönig Friedrich dem Großen. So schenkte ihm der König von Preußen ein kostbares Porzellan-Service und vermutlich auch Tapisserien, um ihre Beziehung zu stärken. Eine Reihe von Porträts aus unterschiedlichen Lebensaltern zeigen sowohl barocke Repräsentation als auch Realitätsanspruch, der mit den späteren Werken verbunden ist.
Zahlreiche Gemälde, die von Joseph Wenzel im Zuge seines umfangreichen Wirkens als Mäzen in Auftrag gegeben oder erworben wurden, sind erstmals seit ihrem Verkauf in den 1950er Jahren als Leihgaben wieder in Wien zu sehen: Darunter zwei Veduten von Canaletto (Giovanni Antonio Canal) (1697–1768) aus der Serie der vier monumentalen Ansichten Venedigs, die Atmosphäre und Leben der Lagunenstadt in detailreicher Fülle und mit präziser Darstellung wiedergeben. So dokumentiert Canaletto nicht nur die Arbeit eines Schornsteinfegers, sondern auch Graffitti an den Wänden der Lagunenstadt. Köstliche Details laden ein, die großformatigen Werke aus der Nähe zu betrachten und die Sitten der venezianischen Bevölkerung in den 1720er Jahren kennenzulernen.
Bernardo Bellotto (1722–1780) ist mit den beiden bekannten Ansichten des Gartenpalais Liechtenstein in der Rossau vertreten. Zudem überrascht die Ausstellung mit zwei Ansichten der sächsischen Festung Königstein bei Dresden. Sie befinden sich in Privatbesitz und sind nach sorgfältiger Restaurierung zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg wieder öffentlich zu sehen (vergleiche → London | National Gallery: Bellotto. Festung Königstein). Der etwa 35-jährige Künstler schuf die Gemälde kurz nachdem er die berühmte 14-teilige Serie der Dresden-Ansichten ausgeführt hatte. Mit den Ansichten von Königsstein – aber auch jenen von Prina – fing er in unterschiedlichen Perspektiven ein facettenreiches Bild der beeindruckenden Anlage ein.
Vier Genrebilder von Jean Siméon Chardin vermitteln einen künstlerisch verdichteten Eindruck von der Lebenswelt des 18. Jahrhunderts. Sie befinden sich heute in den beiden großen Nationalgalerien Nordamerikas, der National Gallery of Canada in Ottawa beziehungsweise der National Gallery in Washington. Chardin widmet sich den Küchenmägden, den bürgerlichen Frauen, den Dienstbotinnen. Die in ihre Tätigkeit versunkenen Damen putzen Rüben, ermahnen ihre Kinder, bringen den Einkauf vom Markt oder schälen ein Ei.
Kunst diente im Hochbarock (auch) der Repräsentation. Neben dem berühmten Goldenen Wagen stehen Porträts des Fürsten für seine Stellung bei Hofe, seine historische Position als Militär und für den Wunsch, das eigene Bild international zu prägen. Das Hauptsujet der Ausstellung ist ein von Francesco Solimena (1657–1747) ausgeführtes Bildnis des damals 28-jährigen Fürsten. Dieser hatte den berühmten Maler aus dem Königreich Neapel beauftragt, ihn als durchsetzungsfreudigen Militär und zukünftigen Reformer der österreichischen Artillerie darzustellen. Das 1740 entstandene „Porträt des Fürsten Joseph Wenzel I. von Liechtenstein im Ornat des Ordens vom Goldenen Vlies“ von Hyacinthe Rigaud (1659–1743) zeigt den nunmehr zum Feldmarschall aufgestiegenen Fürsten in hochrepräsentativer Pose als Mitglied der exklusiven Vereinigung.
Die Sonderausstellung ist Auftakt der neuen Reihe MÄRZ IM PALAIS, die jährlich bei freiem Eintritt zu besuchen sein wird. Sie stellt einzelne Fürstenpersönlichkeiten, die Geschichte des Fürstlichen Sammelns, Neuerwerbungen, Restaurierungsprojekte, einzelne Sammlungsschwerpunkte oder neue Zusammenhänge ins Zentrum. Führungen durch die Dauerausstellung in den Galerien der Beletage (Meisterwerke von der Frührenaissance bis zum Hochbarock) werden von 1. bis 31. März in verstärktem Ausmaß und bei reduzierten Eintrittspreisen angeboten.
Quelle: Princely Collections