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Caravaggio in Rom. Freunde und Feinde Musée Jacquemart-André zeigt Caravaggios künstlerische und private Beziehungen

Caravaggio, Hl. Johannes der Täufer (Knabe mit Widder), Detail, 1602, Öl/Lw, 129 × 94 cm (Musei Capitolini, Pinacoteca Capitolina, Rom – Archivio Fotografico dei Musei Capitolini © Roma, Sovrintendenza Capitolina ai Beni Culturali)

Caravaggio, Hl. Johannes der Täufer (Knabe mit Widder), Detail, 1602, Öl/Lw, 129 × 94 cm (Musei Capitolini, Pinacoteca Capitolina, Rom – Archivio Fotografico dei Musei Capitolini © Roma, Sovrintendenza Capitolina ai Beni Culturali)

Michelangelo Merisi, 1571 in  Mailand geboren und später nach dem Heimatsort seiner Eltern „Caravaggio“ (1571–1610) genannt, revolutionierte die italienische Malerei des 17. Jahrhunderts durch einen neuartigen Einsatz von Licht und Schatten. Die Ausstellung im Musée Jacquemart André in Paris ist Caravaggios Leben und Wirken in Rom gewidmet, dem Milieu, dem er künstlerisch und intellektuell entstammt. Caravaggio arbeitete anfangs für große Werkstätten wie jener von Cavalier d‘Arpino. Bereits kurz nach 1600 reagieren offensichtlich römische Maler auf die Neuerungen Caravaggios, wie die Schau belegt. Über kunsthistorische Vergleiche hinaus stehen aber auch die Beziehungen des unangepassten Malers mit Sammlern, Mäzenen wie Giustiniani (1564–1637) und Kardinal Francesco Maria Del Monte (1549–1627), aber auch mit Künstlern, Dichtern und Intellektuellen seiner Zeit.

Neun Gemälde Caravaggios versammelt die Schau des Musée Jacquemart-André. Sie entstanden zwischen 1592 und 1606. Sie treten in den Dialog mit Werken von Cavalier d’Arpino, Annibale Carracci, Orazio Gentileschi, Giovanni Baglione oder Jusepe de Ribera. Nicht alle Kollegen waren Caravaggio freundschaftlich gesinnt, daher thematisiert die Schau auch Rivalitäten und Feindschaften zwischen den Malern. Diese kulminierten im Duell Caravaggios mit Ranuccio Tomassoni, der dabei ums Leben kam. 1606 wurde Caravaggio dafür zum Tode verurteilt, seine Strafe allerdings auf Fürsprache seiner Gönner in ein Exil umgewandelt. Caravaggios treueste Förderer beauftragten ihn weiterhin mit Gemälden und verfolgten sein Schicksal mit Anteilnahme.

 

Das Theater der abgeschlagenen Köpfe

Die Geschichte von Judith, die Holofernes enthauptet, erfreute sich im Rom um 1600 großer Nachfrage. Caravaggio und seine Zeitgenossen übertrumpften einander bei der naturalistischen Darstellung anatomischer Details und spritzendem Blut. Am Beginn dieses Wettstreits steht ein Gemälde eines lombardischen Malers für den Genueser Bankier Ottavio Costa, eines seiner bedeutendsten Auftragsbilder. Als Ende des 16. Jahrhunderts Caravaggio in der römischen Szene auftauchte, inszenierte er das biblische Drama wie auf einer Theaterbühne – allerdings im Close-up, der Nahsicht. Holofernes wird in den Bildvordergrund gedrückt, er greift noch voller Verzweiflung in das weiße Laken und hat seinen Mund zum Schrei geöffnet, als ihm die alttestamentarische Heldin den Kopf abschlägt. Die blutjunge aber tapfere Witwe scheint vom wegspritzenden Blut zurückzuweichen aber nicht gänzlich abgeschreckt zu werden. Die alte Dienstmagd hinter ihr wirft einen erbarmungslosen Blick auf das Geschehen und hält den Sack bereit, um den abgeschnittenen Kopf aufzunehmen. Ihr faltiges Gesicht ist braungebrannt und steht im größtmöglichen Kontrast zur jugendlichen Schönheit Judiths.

 

 

Orazio Gentileschi (1563–1639), der zu den ersten Caravaggisten in Rom zählte, griff das Thema ebenfalls auf. Er zeigte sowohl die Enthauptung wie auch die anschließende Flucht Judiths mit ihrer Magd. Der venezianische Maler Carlo Saraceni (um 1579–1620), der ebenfalls stark von Caravaggio und Orazio Gentileschi beeinflusst wurde, erfand ein sehr erfolgreiches Sujet: Judith steckt den Kopf des Holofernes in den Sack, der von einem Diener gehalten wird. Hier liegt die Betonung auf dem hell ausgeleuchteten Gesicht Judiths, während das Grauen erst auf dem zweiten Blick entdeckt werden soll.

Wieviel Einfluss Caravaggio auf Freund wie Feind in Rom um 1600 hatte, zeigt ein Vergleich zweier Versionen von „David und Goliath“. Cavaliere d'Arpino (eigentlich Giuseppe Cesari, 1568–1640), der führenden Maler Roms Ende des 16. Jahrhunderts und Lehrmeister von Caravaggio (zumindest für acht Monate), bediente sich einer lyrischen und verfeinerten Bildsprache. Seine Darstellung von „David und Goliath“ befand sich einst in der Sammlung von Pietro Aldobrandini, Kardinal und Neffe von Clemens VIII. (reg. 1592–1605).

Im Kontrast dazu ist der „David und Goliath“ (1608–1610/12) von Orazio Borgianni (1578–1616) deutlich dramatischer. Der Maler war um 1602 von einem Aufenthalt in Sizilien und Spanien wieder nach Rom zurückgekehrt. In Caravaggio fand Borigianni zwar einen persönlichen Feind, in dessen Kunst, dem caravaggesken Naturalismus, jedoch einen Anknüpfungspunkt. Borigiannis Darstellungen der Heiligen Familie zeigt caravaggeskes Hell-Dunkel (tenebroso) und eine ebensolche Lichtführung, dazu ein genaues Studium der Figuren, die in ihrem jeweiligen Alter deutlich markiert sind (vor allem der Qualitäten von Haut, die unbarmherzig ausgeleuchtet werden). Die Bilder von Borigianni und Caravaggio richteten sich an unterschiedliche Auftraggeber, dennoch waren die Werke den Konkurrenten bestens bekannt. Sie besichtigten die Altarbilder des jeweils anderen und sahen ihre Galeriebilder in den berühmten Sammlungen der Ewigen Stadt. Von Borigiannis Leben ist nur wenig bekannt, er dürfte bei seinem Tod wie auch Caravaggio keine 40 Jahre alt gewesen sein.

 

 

Musik und Stillleben

Caravaggios „Lautenspieler“ (1595/96, Eremitage) war im großen Saal im Palast des Marchese Vincenzo Giustiniani aufgehängt, des wichtigsten Patrons von Caravaggio und einer der großen Intellektuellen des europäischen 17. Jahrhunderts. Im Inventar, das nach Giustinianis Tod im Jahr 1638 angefertigt wurde, wird das Gemälde als „die Halbfigur eines jungen Mannes, der Laute spielt, mit mehreren Früchten, Blumen und Musikbüchern“ beschrieben. Musik ist das Hauptthema des Bildes, wenn auch Caravaggio mit größter Raffinesse die einzelnen Elemente vortrug. Der „Lautenspieler“ ist ein junger Mann mit halboffenem Hemd und verträumten Blick, der sich halb zum Publikum dreht. Dadurch ragt das Musikinstrument in die Tiefe des Bildraumes, ein Virtuosenstück der perspektivischen Verzerrung. Im Vergleich zu einer Theorbe galt das Lautenspiel als komplexer und schwieriger zu meistern. Der Lautenspieler gibt ein Madrigal zum Besten. Dieses Gemälde steht in der Tradition von Bildern, die junge Sänger mit einer mehr oder weniger melancholischen Haltung, die ihre leidenschaftlichen Gefühle besingen.

 

 

Bartolomeo Cavarozzis „Dolore di Aminta“ (1614/15, Privatsammlung) nach Torquato Tassos gleichnamigen Stück zeigt die zeitgenössische Begeisterung für die Verbindung von Musik, Leidenschaft und Stillleben. Cavarozzi bewegte sich im Gefolge des Marchese Giovanni Battista Crescenzi (1577–1635), der als Maler und Architekt in Rom und am Escorial in Madrid wirkte. Im Palast Crescenzis war sogar eine Akademie eingerichtet, in der Aktzeichnen nach dem lebenden Modell geübt wurde. Die Hinwendung zum genauen Naturstudium zeigt sich auch in dem jüngst wiederentdeckten „Stillleben mit Fruchtkorb“, das von Caravaggios „Fruchtkorb“ (Pinacoteca Ambrosiana, Mailand) inspiriert erscheint. Die Gattung Stillleben war um 1600 noch neu in Italien, war es doch eine „Erfindung“ der flämischen und holländischen Malerei. Caravaggio muss davon im Atelier von Cavalier d’Arpino erfahren haben. Die isolierte Darstellung von Objekten, Früchten und Blumen südlich der Alpen taucht erstmals im Werk von Caravaggio auf. Sein „Fruchtkorb“ wurde wegen der Schönheit der Darstellung ausgestellt und findet in Kompositionen wie dem „Gastmahl in Emmaus“ eine beeindruckende Fortsetzung. Das sogenannte „quadro da fermo“ erfreute sich in der Folge allerdings kaum größerer Zustimmung. Umso mehr stellt Cavarozzis Stillleben dessen weiten Horizont vor. Der außergewöhnliche Realismus des Blumenstilllebens auch im „Lautenspieler“ wie auch die Wiedergabe der Lichtreflexe auf dem Glas wurden von Caravaggio mit größter Geduld eingefangen. Laut Vincenzo Giustiniani meinte der Maler, Blumen gut darzustellen würde ebenso viel Mühe bereiten wie Figuren in einem Historienbild.1

 

 

Doch wie sieht der Einfluss Caravaggios auf einen Künstler aus, der bereits einen Personalstil entwickelt hatte? Antiveduto Gramatica (1571–1626) war seit 1591 selbständiger Meister in Rom. Ein Jahr später arbeitete kurzzeitig Caravaggio in seinem Atelier. Seine „Hl. Cäcilia und zwei musizierende Engel“ (um 1615, Kunsthistorisches Museum Wien) zeigt Kirchenmusik. Durch die Aufnahme caravaggesker Elemente aktualisierte Gramatica seine Bildsprache und passte sie dem Zeitgeschmack an.

 

Heilige Akte zwischen Kunst und Natur

Caravaggio wollte auch die Darstellung von Heiligen aus der Realität ableiten – zu den bedeutendsten Werken diesbezüglich zählen die Varianten auf den jungen „Johannes den Täufer“. Das Musée Jacquemart André zeigt Caravaggios „Jungen Johannes der Täufer“ (1602) aus den Musei Capitolini in Rom. Darin bezieht sich Caravaggio auf Michelangelo Buonarottis berühmte Aktfiguren (ignudi) der Decke der Sixtinia. Die in sich gedrehte Figur, die bei Michelangelo die figura serpentinata vorbereitet, umarmt den Widder im Bildgrund, dreht sich gleichzeitig zum Betrachter nach vorne und lacht. Zudem bot die ikonografische Tradition, Johannes in der Wüste als halbnackten Jugendlichen zu zeigen, dem Maler die Möglichkeit, ihre anatomischen Kenntnisse vorzuführen. Wie soll ein lachender Heiliger interpretiert werden? Schon im frühen 17. Jahrhundert erstaunte die frische Interpretation die Zeitgenossen Caravaggios, die allerdings den Bruch mit dem decorum guthießen. Noch heute existieren zahlreiche Fassungen, Kopien und Varianten dieser Komposition.

 

 

Der kürzlich Bartolomeo Manfredi (1582–1622) zugeschriebene „Hl. Johannes der Täufer hält einen Widder“ aus dem Louvre zeigt ebenfalls das Studium des athletischen Modells nach der Natur. Desgleichen präsentiert Giovanni Bagliones (1573–1643) „Himmlische und Irdische Liebe“ (1602 datiert, Palazzo Barberini, Rom) nackte Beine und nackte Schultern. Zu Füßen der gerüsteten Himmlischen Liebe liegt die Irdische Liebe. Im Teufel links davon findet sich wahrscheinlich ein Porträt Caravaggios, was als verbissener Kommentar auf den jungen Maler gedeutet werden darf. „Himmlische und Irdische Liebe“ ist ein Gegenstück zu Caravaggios „Amor als Sieger“ (um 1602, Berlin), das vom Bankier und Kunstsammler Vincenzo Giustiniani beauftragt worden war. Giovanni Baglione malte für dessen Bruder Kardinal Benedetto Giustiniani, der dem Maler dafür eine Goldkette schenkte.

Bagliones Kollegen, darunter auch Caravaggio, Orazio Gentileschi und Fillipo Trisengni, verspotteten ihn allerdings wegen seines Altarbildes der Jesuiten, weshalb sich Baglione mit einem Verleumdungsprozess revanchierte. Die Aussage Caravaggios in den Gerichtsakten zählt zu den wenigen direkt überlieferten des Malers überhaupt. Darin bezeichnete er Baglione als schlechten Maler, wofür Caravaggio zwei Monate im Gefängnis Tor di Nona einsitzen musste. Als Kunstschriftsteller verfasste Giovanni Baglione Jahre später einflussreiche Künstlerbiografien – „Le vite de‘ pittori, scultori et architetti dal pontificato do Gregorio XIII. Del 1572 in fino a’ tempi di Papa Urbano Ottavo nel 1642”. Darin lobte er zwar Caravaggios frühes Werk, die Beurteilung des vermeintlich schlechten Charakters prägt bis heute das Bild des Malers.

 

 

Wen schätzte Caravaggio unter seinen Zeitgenossen?

Mit der Skizze zu „Die Auferstehung Christi“ von Baglione wird jenes Altarbild für die Kirche von Il Gesù in Rom angesprochen, welches die sarkastischen Verleumdungen von Caravaggio und dessen Freunden provozierte. Während des Verleumdungsprozesses, den Giovanni Baglione Ende August 1603 gegen Caravaggio angestrengte, wurde der berühmte „Naturalist“ gebeten, zeitgenössische Maler anzuführen, die er schätzte und die er als „Männer des Wertes“ betrachtete. Diese wertvolle Liste ist eines der wenigen direkten Zeugnisse dessen, was ein so kontroversieller Maler wie Caravaggio über die Malerei seiner Zeit dachte.

Vor dem Richter sagte Caravaggio aus, dass er Cavalier d‘Arpino, Federico Zuccari, Cristoforo Roncalli, also die einflussreichsten Maler Roms, besonders schätzte. Wahrscheinlich hatte er schon vor langer Zeit mit Cavalier d‘Arpino gebrochen, aber dieser Maler war im Rom von Clemens VIII. wirklich maßgebend. Federico Zuccari vertrat die malerische Kultur des späten Cinquecento (Manierismus) und war ein intellektueller und akademischer Maler. Cristoforo Roncalli schuf die bekanntesten Fresken und war kurz davor, heftige Auseinandersetzungen mit dem Cavalier d‘Arpino zu führen.

Annibale Carracci (1560–1609) hatte schon 1595 Probleme mit Caravaggio. Die direkte Konfrontation fand zu Beginn des Jahrhunderts in der Kapelle Cerasi in Santa Maria del Popolo einen Höhepunkt: Annibale Carracci malte die „Aufnahme Mariens in den Himmel [Himmelfahrt Mariä]“ (1600/01) und Caravaggio die heute viel berühmteren Petrus und Paulus-Szenen: „Bekehrung Pauli“ und „Kreuzigung Petri“ (1600/01). Caravaggio wurde am 10. November 1601 bezahlt; seither flankieren seine beiden dramatischen Szenen die lichte und klassische „Himmelfahrt“ Carraccis. Der Bologneser Annibale Carracci steht in der Renaissance-Tradition Roms, was in der Pariser Ausstellung durch dessen „Anbetung der Hirten“ (1597-1598, Musée des Beaux-Arts, Orléans ©) im Kontrast zu Caravaggio deutlich wird.

 

Bilder der Meditation

Die Nachfolger von Caravaggio waren Bartolomeo Manfredi, Jusepe de Ribera, Francesco del Caravaggio (bekannt als Cecco del Caravaggio), und in geringerem Maße Spadarino und Saraceni. Ihnen können Orazio Borgianni, Orazio Gentileschi, Antiveduto Gramatica und Giovanni Baglione hinzugefügt werden. Ihre Gemälde zeugen von einem gemeinsamen Experiment zum Thema der isolierten Figur, der Charakterstudie, einer von Caravaggios Spezialitäten und den Malern, die ihn bewunderten.

Die Figur des „Hl. Hieronymus“ (1605/06, Galleria Borghese, Rom) ermöglichte Caravaggio, das Thema Meditation mit einer Reflexion über das Alter zu verbinden. Das Gemälde aus der Galleria Borghese wird in der Regel auf 1605 datiert, die Umstände seiner Entstehung sind noch nicht bekannt. Es ist eines der zentralen Bilder, um Caravaggios reifen Stil zu verstehen. Damit beeinflusste er die Maler des Caravaggismus, besonders in den frühen Jusepe de Ribera. Das Licht modelliert sorgfältig alle Falten, die die Zeit im Fleisch hinterlassen hat. Die in die Länge gestreckte Komposition verleiht der intensiven Schriftarbeit des rechts sitzenden Heiligen eine majestätische Aura. Dessen Figur wird durch den Totenschädel am linken Ende des Gemäldes formal und inhaltlich aufgefangen. Der „Hl. Hieronymus“ von Orazio Gentileschi entstand ebenfalls mit Hilfe des Naturstudiums. Die Figur mit dem langen weißen Bart basiert auf einem 70-jährigen Pilger, der dem Künstler 1611 Modell stand.

 

 

Ein weiteres sehr erfolgreiches Bildmotiv der Zeit ist der „Heilige Franziskus in Meditation“, kniend, ein Schädel liegt zu seinen Füßen. Briefe, Siegel und das Tor des Martyriums umgeben den „Hl. Laurentius“ von Cecco del Caravaggio. Der Heilige ist mit der lila Dalmatik der Diakone gekleidet, betete im Sitzen und lehnt sich an Rost und Holzhaufen, die Instrumente seines Martyriums. Die Komposition wird häufig mit dem jugendlichen Stil Caravaggios in Verbindung gebracht. Die Definition von Gesicht und Händen durch klare Hell-Dunkel-Kontraste lässt sich aus Caravaggios Reifezeit nach der Contarelli-Kapelle erklären. Gleichzeitig blieb der Maler seinen lombardischen Ursprüngen treu und schuf so einen einzigarten Stil.

 

 

Caravaggios Porträt in der Accademia di San Luca

1593 wurde in Rom offiziell die Accademia di San Luca gegründet. Ihr erster Direktor – Principe genannt – war Federico Zuccari, manieristischer Maler und Autor einer Abhandlung über die Kunst der Malerei. Die Gründung der Akademie hat eine sehr komplex Geschichte, dauerte sie doch die gesamte zweite Hälfte des Cinquecento an. Erst 1607 wurden die ersten Statuen genehmigt; die Architekten stimmten ihnen erst 1634 zusammen mit den Malern und Bildhauern zu. Caravaggio setzte vermutlich nie einen Fuß in die Akademie, aber die Institution bemühte sich seit den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens, Selbstporträts oder Porträts von Mitgliedern und bedeutenden Malern zusammenzutragen.

Bereits 1624 besaß die Galerie der Accademia di San Luca 53 Bildnisse von Künstlern. Kurz zuvor, im Jahr 1617, war eine Liste von Porträt bereits „verstorbener Akademiker“ erstellt worden, welche die Porträts von Carlo Saraceni und Orazio Borgianni, aber auch von Caravaggio, verzeichnet. Caravaggios Porträt zeigt einige Merkmale des Malers, wie sie aus den literarischen Beschreibungen überliefert sind. Weitere Quelle für das Aussehen des Barockmalers sind seine Selbstporträts in den Gemälden (vom „Martyrium des heiligen Matthäus“ der Kapelle Contarelli bis zur „Verhaftung Christi“ für Ciriaco Mattei, heute: Dublin) und vor allem die Zeichnung von Ottavio Leoni.

 

 

Passion Christi – ein Hauptthema des Caravaggismus

Caravaggios römische Zeit wäre unvollständig präsentiert, wenn nicht der „Wettbewerb“ mit den Malern Cigoli und Passignano aus dem Jahr 1605 erwähnt würde. Es ging um die Darstellung des „Ecce Homo“ für „Monseigneur Massimi“, der schlussendlich von Cigoli ausgeführt werden durfte. Ergänzt werden diese beiden Bilder durch Bartolomeo Manfredis „Ecce Homo“ (Galleria degli Uffizi, Florenz), das bereits seit dem 17. Jahrhundert in Besitz der Medici war. Der Stil Caravaggios und seiner Nachfolger, den Caravaggisten, erfreute sich nachweislich in Florenz größter Beliebtheit. Bartolomeo Manfredi, einer der ersten Protagonisten des Caravaggismus, konnte mit dem neuen tenebroso und dem Naturalismus Themen wie die Passion Christi dramatischer darstellen als noch eine Generation zuvor.

Der unbekannte französische (?) Maler Pensionante del Saraceni (tätig 1610–1620) muss Caravaggios „Martha und Maria Magdalena” gesehen haben, da er dessen Komposition der „Verleugnung des hl. Petrus“ (Pinacoteca Vaticana, Rom) in einigen bedeutenden Elementen aufnahm. Jusepe de Ribera, den die Quellen als einen der wichtigsten Maler der Zeit nach Caravaggios Abreise bezeichnen, behandelte die gleiche Episode auf eine ganz andere Weise. Er versetzte die Handlung in eine Taverne und arbeitete mit Figuren, die man später im Repertoire der Caravaggesken Maler finden kann – wie der bärtige Soldat, dessen Rüstung im Schatten glitzert.

 

 

Caravaggio auf der Flucht

Zahlreiche Archivfunde erhellten in den letzten Jahren den Mord an Ranuccio Tomassoni. Caravaggio kannte das Opfer bereits seit mehreren Jahren. Die beiden Männer teilten Freundschaften, Kameraden und die gewisse Neigung, bei Missachtung gewaltsam zu reagieren. Ranuccio und seine Brüder reisten bewaffnet in der Stadt und waren oft in Raufhandel mit den Wachen des Papstes verstrickt.

Am 28. Mai 1606 war der erste Jahrestag der Wahl von Paul V. Am Abend gerieten Caravaggio und in der Nähe der Basilika von San Lorenzo in Lucina aneinander. Ranuccio Tomassoni fiel auf den Boden, da er am Oberschenkel mit dem Schwert verwundet worden war und starb „kaum gestanden“. Der blutbesudelte Maler Caravaggio rannte weg und versteckte sich. Erst später wurde aufgedeckt, dass er in Begleitung seiner alten Freunde, begleitet von Kardinal Del Monte und der Familie Colonna, in den Süden flüchtete.

Caravaggios „Gastmahl in Emmaus“ (Pinacoteca di Brera, Mailand) ist eng mit diesen Monaten der Flucht und Isolation verbunden. Laut Giulio Mancini wurde das Werk zum Verkauf nach Rom geschickt und von Ottavio Costa erworben. Costa besaß bereits das Gemälde „Judith und Holofernes“. Später ging das „Emmaus-Mahl“ in die Sammlung des Marquis Costanzo Patrizi über, wo es Giovan Pietro Bellori sah, der es 1672 beschrieb.

 

 

Caravaggios zeigt die Akteure immer mehr isoliert und umgeben von Dunkelheit, aus der sie nur durch wenige Lichtstrahlen hervortreten. Dieses Gemälde markiert einen grundlegenden Schritt in der stilistischen Entwicklung des Malers. „Das Gastmahl in Emmaus“ wurde wahrscheinlich zur gleichen Zeit wie eine „Maria Magdalena in Ekstase [Maria Magdalena Klain]“ (1606, Privatsammlung, Rom) gemalt. Das Bild hatte zweifellos unmittelbar großen Erfolg, sein Weg ist aber schwierig zu belegen. Stiistisch und formal ist die „Magdalena Klain“ in die späte Zeit Caravaggios zu datieren.

Im September oder Oktober 1606 kam Caravaggio in Neapel an, wo er einige Meisterwerke schuf, von wo er aber auch fliehen musste: So reiste er nach Malta, dann Sizilien. Immer wird sein Aufenthalt von Gewalt überschattet, die er zu verursachen schien. Obwohl Caravaggio begnadigt wurde, kehrte er niemals nach Rom zurück. In der Ewigen Stadt hatte er seinen Stil, seine Freundschaften und seinen Ruhm als Maler geformt. Seine Nachfolger sind trotz des frühen Todes Caravaggios 1610 in ganz Europa zu finden: in Neapel, Spanien, Holland – hier sind vor allem die Utrechter Caravaggisten zu nennen – und Frankreich.

 

 

Caravaggio in Rom. Freunde und Feinde im Musée Jacquemart-André: Bilder

  • Caravaggio, Der Lautenspieler, 1595/96, Öl/Lw, 94 x 119 cm (Eremitage, St, Petersburg © The State Hermitage Museum / photo by Pavel Demidov)
  • Caravaggio, Judith und Holofernes, 1598, Öl/Lw, 145x195 cm (Gallerie Nazionali di Arte Antica di Roma. Palazzo Barberini, Rom © Gallerie Nazionali di Arte Antica di Roma. Palazzo Barberini Foto di Mauro Coen)
  • Caravaggio, Hl. Johannes der Täufer (Knabe mit Widder), 1602, Öl/Lw, 129 × 94 cm (Musei Capitolini, Pinacoteca Capitolina, Rom – Archivio Fotografico dei Musei Capitolini © Roma, Sovrintendenza Capitolina ai Beni Culturali)
  • Caravaggio, Das Gastmahl in Emmaus, 1605/06, Öl/Lw, 141 x 175 cm (Pinacoteca di Brera, Mailand © Pinacoteca di Brera)
  • Caravaggio, Hl. Franziskus im Gebet, um 1606, Öl/Lw, 128 x 90 cm (Museo Civico Ala Ponzone, Cremona © Museo Civico "Ala Ponzone" - Cremona, Italien)
  • Giovanni Baglione, Irdische und Himmlische Liebe, um 1602, Öl/Lw, 220 x 147,5 cm (Gallerie Nazionali di Arte Antica di Roma. Palazzo Barberini, Rom © Gallerie Nazionali di Arte Antica di Roma. Palazzo Barberini)
  • Caravaggio, Hl. Hieronymus, 1605/06, Öl/Lw, 116 x 153 cm (Galleria Borghese, Rome © Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo - Galleria Borghese)
  • Caravaggio, Ecce Homo, Öl/Lw, 128 x 103 cm (Musei di Strada Nuova - Palazzo Bianco, Gênes © Musei di Strada Nuova, Genova)
  • Caravaggio, Maria Magdalena in Ekstase [Magdalena Klain], 1606, Öl/Lw, 106,5 x 91 cm (Privatsammlung, Rom)
  • Annibale Carracci, Anbetung der Hirten, 1597/98, Öl/Lw, 103 x 85 cm (Musée des Beaux-Arts, Orléans © RMN-Grand Palais / Agence Bulloz)
  • Giovanni Baglione, Die Auferstehung Christi, 1601–1603, Öl/Lw, 86 x 57 cm (Donation Jean Neger, 1964, Musée du Louvre, Paris © RMN-Grand Palais (musée du Louvre) / Mathieu Rabeau)
  • Bartolomeo Cavarozzi, Dolore di Aminte, um 1605–1610, Öl/Lw, 82,5 x 106,5 cm (Privatsammlung, courtesy Marco Voena)
  • Orazio Borgianni, David und Goliath, 1609–1610, Öl/Lw, 119 x 143 cm (Museo de la Real Academia de Bellas Artes de San Fernando. Madrid Photo © Museo de la Real Academia de Bellas Artes de San Fernando)
  • Orazio Gentileschi, Hl. Hieronymus, um 1611, Öl/Lw, 152 x 126,5 cm (Palazzo Madama, Turin – Museo Civico d’Arte Antica. Reproduced by permission of the Fondazione Turin Museen, © Photographic Archive, Fondazione Torino Musei)
  • Antiveduto Gramatica, Hl. Cecilia und zwei Engel musizieren, um 1615, Öl/Lw, 91 x 120 cm (Kunsthistorisches Museum, Wien, Gemäldegalerie © KHM-Museumsverband)
  • Bartolomeo Manfredi, Hl. Johannes der Täufer mit einem Schaf, Öl/Lw, 148 x 114 cm (Musée du Louvre, Paris © RMN-Grand Palais (musée du Louvre) / René-Gabriel Ojéda)
  • Pensionante del Saraceni, Verleugnung des hl. Petrus, 1610–1620, Öl/Lw, 100 x 129 cm (Musei Vaticani, Vatican Stadt © Vatican Museums, All rights reserved)
  • Anonym, Porträt von Michelangelo Merisi da Caravaggio, um 1600, Öl/Lw, 59 x 46,5 cm (Accademia Nazionale di San Luca, Rom © Courtesy of Accademia Nazionale di San Luca, Rom)
  • Giovanni Baglione, Selbstporträt von Giovanni Baglione, 1635–1640, Öl/Lw, 63,7 x 46,3 cm (Accademia Nazionale di San Luca, Rom © Courtesy of Accademia Nazionale di San Luca, Rom)

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  1. Siehe: Vincenzo Giustiniani, Discorso sopra la pittura, hrsg. Von Anna Banti, Rom 1981, S. 42.
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.