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Baugeschichte der Wiener Secession Wie Joseph Maria Olbrich und Gustav Klimt die Ikone des Jugendstils entwarfen

Joseph Maria Olbrich, Entwurf für die Secession, 1898, Archiv der Secession.

Joseph Maria Olbrich, Entwurf für die Secession, 1898, Archiv der Secession.

Die Vereinigung bildender Künstler_innen Wiener Secession öffnet anlässlich des Ringstraßen-Jubiläums (→ Die Wiener Ringstraße) ihr Archiv und zeigt Zeichnungen, Pläne und Entwürfe zur Baugeschichte ihres Ausstellungshauses. Nach zwei Jahren heftiger Auseinandersetzungen rund um den Pavillon konnten die Secessionisten am 12. November 1898 die Pforten endlich öffnen. Es hätte das modernste Haus an der Ringstraße werden können, denn ursprünglich planten die Gründungsväter die Secession schräg gegenüber des Museums für Angewandte Kunst zu errichten, dort wo heute das Lueger-Denkmal steht. Doch es kam anders!

Trotz Bewilligung Baustopp

Die Stil-Diskussion des ausgehenden 19. Jahrhunderts führte zu einer komplexen Baugeschichte des Ausstellungspavillons. Die Existenz der goldenen Kuppel und die gesamte Fassadenlösung verdankt die Secession jedoch ihrem unfreiwilligen Umzug von der Ringstraße an den Karlsplatz. Bereits am 3. April 1897, also noch vor der offiziellen Gründung der „Vereinigung bildender Künstler Österreichs“, begann die Suche nach einem geeigneten Bauplatz für ein gemeinsames Ausstellungshaus.1

Da die gesamte Ringstraße in den späten 1890er Jahren nahezu verbaut war, blieb den zukünftigen Secessionisten nur ein Grundstück am heutigen Stubenring. Vielleicht unterstützte Otto Wagner (1841–1918) als Wiener Oberbaurat und begeisterter Förderer der jungen Kräfte diese Planungen. Gustav Klimt (1862–1918), Josef Engelhart und Anton Nowak unterzeichneten jedenfalls schon am 10. Januar ein Baugesuch an das Innenministerium. Da der Verein der bildenden Künstler Österreichs erst am 3. April gegründet wurde, muss es den Secessionisten ungemein wichtig gewesen sein, über ein entsprechendes Ausstellungshaus zu verfügen.

Durch einen internen Wettbewerb wurde der erst 29-jährige Joseph Maria Olbrich (1867–1908) als Entwerfer ermittelt. Dieser war von 1890 bis 1893 Student des so genannten „letzten Ringstraßenbarons“ Carl Freiherr von Hasenauer (1833–1894) an der Wiener Akademie. Als bester Abgänger seines Jahrgangs gewann er den Rom-Preis. Vor und nach seinem Aufenthalt in Italien und Nordafrika arbeitete er im Büro von Otto Wagner an der Stadtbahn und der Donauregulierung mit. Vermutlich war er für das Sonnenblume-Ornament an den Wagner-Pavillons am Karlsplatz verantwortlich. Das Ausstellungsgebäude der Wiener Secession wurde sein erstes wichtiges Gebäude in Wien, gefolgt vom Clubhaus des Radfahrvereins im Prater. Olbrich legte am 30. März 1897 dem Gemeinderat eine erste Bauidee vor, die am 2. April bewilligt wurde. Einen Tag später gründeten 40 Künstler, 23 davon Mitglieder der traditionsreichen „Genossenschaft bildender Künstler Wiens“, unter der Präsidentschaft Gustav Klimts die „Vereinigung bildender Künstler Österreichs Secession“.

 

 

 

Kein Jugendstil für die Ringstraße?

Die Künstler planten von Anfang an den Ausstellungspavillon der Gemeinde Wien zu schenken und ihn für einen geringen Betrag für zehn Jahre anzumieten. Doch dazu sollte es vorerst nicht kommen! Olbrich, unterstützt durch Skizzen von Gustav Klimt, widmete sich im Frühjahr und Sommer 1897 den Entwürfen für einen Jugendstil-Pavillon, der mit einer reich gegliederten Fassade in Richtung Ringstraße weisen sollte. Der „Erste Entwurf“ wurde 1898 in der „Deutschen Kunst und Dekoration“2 publiziert und zeigt eine Fassadenlösung mit zwei 17 Meter hoch aufragenden Pylonen, die den Eingang flankieren. Die beiden niedrigeren Seiten sollten mit bukolischen Szenen freskiert werden. Nike-Statuen über dem Eingang und sich die Hände reichende Frauen (vielleicht als Ars und Pallas Athene zu deuten) führen in das Reich der Kunst. Der Lorbeer spielt in dieser Idee bereits eine tragende Rolle, dachte Olbrich doch bereits daran, ihn als vegetabilen Schmuck, wohl dreidimensional ans Portal zu stellen.

 

 

Friedrichstraße 12

Erste negative Stimmen im Gemeinderat konnte Rudolf Mayreder, Bruder des Architekten und Secessionsgründers Julius Mayreder, Ende März noch beschwichtigen. Doch während des Sommers wurde die Ablehnung der neuartigen Architektursprache konkret, da das Reichskriegsministerium eine hohe Ablöse für das Grundstück verlangte. Denn: Der Ausstellungspavillon die angrenzenden Grundstücke entwerten, so dessen Argumentation. Obwohl Bürgermeister Karl Lueger das Projekt unterstützte, konnte keine Lösung für die Forderung gefunden werden. Am 29. September reichte daher Carl Moll (1861–1945) eine Petition mit dem Antrag auf Zuteilung eines neuen Bauplatzes ein. Drei Wochen später genehmigte der Gemeinderat den „Umzug“ auf den Karlsplatz. Der finanzielle Erfolg der ersten Ausstellung der Wiener Secession sowie die tatkräftige Unterstützung durch die Niederösterreichische Landesregierung und den Mäzen Karl Wittgenstein ermöglichten den raschen Bau des Secessionsgebäudes, sodass am 12. November 1898 die zweite Ausstellung bereits in der Friedrichstraße 12 eröffnet werden konnte. Die Kosten von 60.000 Kronen waren vergleichsweise gering, da sämtliche Künstler ihre Leistungen kostenlos zur Verfügung stellten.

 

 

Planänderung

Der zweite Entwurf von Joseph Maria Olbrich machte die Secession zu jenem ikonischen Gebäude, das die Architekturgeschichte Wiens maßgeblich prägte. Die Standortänderung ermöglichte, den Pavillon in einem grünen Garten zu errichten. Olbrich plante auf einer Grundfläche von 990 m² einen Ausstellungsraum mit Tageslicht, dem er einen funktional durchdachten Eingangsbereich vorlegte. An der Fassade hat Olbrich die auffallendsten Veränderungen vorgenommen, indem er vom reichen Dekor absah und zwei leere Seitenflächen plante. Diese flankieren das zurückgesetzte Portal und werden über einen schwer lastenden Architrav miteinander und mit ihm verbunden. Der plastische Schmuck des Gebäudes konzentriert sich auf den Eingangsbereich und die Ecken, wird aber an den Seitenfassaden mit den Eulen von Kolo Moser und den abstrakten Linien von Josef Hoffmann sowie an der Rückseite mit dem nicht erhaltenen Reigen der Kranzträgerinnen von Kolo Moser ergänzt. Überall ist die Verschmelzung von Flächen- und Raumkunst zu spüren. Doch am eindrucksvollsten ist die goldene Kuppel, die als Antwort Olbrichs auf die Karlskirche konzipiert wurde. Die innen grün gestrichene und außen auf ockerfarbenem Grund teilvergoldete Kuppel aus Schmiedeeisen ist ewiges Symbol für die Jugend der Moderne und gleichzeitig Auszeichnung des Gebäudes. Sie erst erhebt die Secession zu dem so oft beschworenen „Kunsttempel“ und soll in den kommenden Jahren restauriert werden.

 

 

Otto Wagners Postsparkasse - Doch noch Moderne am Ring!

Die Propagierung des eigenen Ausstellungshauses setzte früh, nämlich mit Plakat und Einband des Ausstellungskatalogs für die zweite Schau ein. Bildpostkarten brachten die Information über das neuartige Gebäude schnell in alle Winkel der Habsburgermonarchie. Die Kritik ließ ebenso wenig auf sich warten. Wenn auch die Ausstellungshalle aufgrund ihrer Funktionalität und ihrer Belichtung positiv beurteilt wurde, war das Äußere der Wiener Secession auch am Karlsplatz ein Stein des Anstoßes. Während die Wiener_innen von einem „Tempel der Laubfrösche“ oder dem „Grabmal des Mahdi“ sprachen, kam es den Journalisten „spanisch“ und das Gebäude wie eine „Kreuzung aus Glashaus und Hochofen“ vor. Auch für die zweite Reihe, so lässt sich schlussfolgern, war die Architektur der Secession „zu modern“.

Das Reichskriegsministerium konnte sich nur kurz über seinen Sieg über die moderne Architektur freuen, denn das k.k. Postsparkassenamt von Otto Wagner (1904–1906) trug die Stil-Diskussion dem Ministerium dann doch noch bis vor die Haustür. Zwischen 1913 und 1918 wurde das Kriegsministerium unter der Leitung von Ludwig Baumann am Stubenring errichtet. Seither steht der traditionelle Bau der Postsparkasse Wagners axial gegenüber. Der stilistische Vergleich zwischen dem Kriegsministerium (heute: Wirtschaftsministerium) – eines der letzten Gebäude der untergehenden Monarchie und der vollendeten Ringstraße – lässt die Klarheit von Wagners Bauwerk noch deutlicher hervortreten. Wenn auch der Entwurf Olbrichs knapp zehn Jahre zuvor als „zu modern“ für den Prachtboulevard eingestuft worden war, so glänzt zumindest Wagners „Nutzstil“ als Zeichen der Veränderung.

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  1. Die Informationen für folgenden Artikel verdanke ich grundlegenden Texten von Margarethe Szeless und Otto Kapfinger, in: Secession. Die Architektur, Wien 2003; Peter Haiko, Caterina Iezzi, Renate Ulmer, Joseph Maria Olbrich. Secession Wien – Mathildenhöhe Darmstadt. Ausstellungsarchitektur um 1900 (Ausst.-Kat. Museum Künstlerkolonie, Institut Mathildenhöhe Darmstadt, 16.7-18.10.20116), Darmstadt 2006; Ralf Beil, Regina Stephan (Hg.), Joseph Maria Olbrich 1867–1908. Architekt und Gestalter der frühen Moderne (Ausst.-Kat. Mathildenhöhe Darmstadt 7.2.-24.5.2010; Leopold Museum Wien, 18.6.-27.9.2010; Kunstbibliothek – Staatliche Museen zu Berlin), Darmstadt/Ostfildern 2010.
  2. Wilhelm Schölermann, Neuere Wiener Architektur, in: Deutsche Kunst und Dekoration, Jg. III, 1898/1899, S. 197–209.
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.