Das malerische Werk von Albert Oehlen (* 1954) im mumok: In den frühen 80er Jahren mit wilder, gestischer und vor allem figurativer Malerei als „Junger Wilder“ bekannt geworden, arbeitet sich der heute in der Schweiz und Spanien lebende Künstler an den vermeintlichen Grenzen des Mediums ab. Den illusionistischen Raum der klassischen Malerei erweiterte er durch Spiegel, seine abstrakt-gestische Malerei nannte er „postungegenständlich“, für „bionische“ Bilder nutzte er ab 1990 ein Grafikprogramm, erarbeitete sich ab 1997 die bunte Farbe über „graue Bilder“ neu, collagiert banalste Werbesujets (oft wenig bekleidete, junge Frauen) mit seiner Malerei und verwandelt sie in Hochkunst, jüngst arbeitet er verstärkt mit dem weißen Bildgrund. Als Oehlen begann, sich mit Malerei zu beschäftigen, wurde ihr Tod vorausgesagt. Seither stellt er sie auf den Prüfstand, nutzt die sprichwörtliche Freiheit der Kunst, um zwischen subjektivem Ausdruck und Werbungsästhetik schroff hin- und herzupendeln.
Österreich / Wien: mumok
8.6. - 20.10.2013
Ein frühes Selbstporträt zeigt den Maler 1985 mit Pferd in neo-expressiver, wilder Malweise. Oehlen entwickelte früh einen Stil, der ihn mit den „Neuen Wilden“ in Verbindung brachte, wenn er sich selbst auch nicht dieser Gruppe zurechnet (→ Neue Wilde | Junge Wilde). Bereits in den frühsten Ölgemälden der Ausstellung wie z.B. „Ofen I“ aus dem Jahr 1982, gefolgt von „Ohne Titel“ von 1984 spielt die Kombination von illusionistischen Innenraumdarstellungen und Spiegel eine große Rolle. Die Spiegel reflektieren die reale Welt und führen sie mit der imaginierten auf der Leinwand zusammen. Verschiedene Realitätsebenen kulminieren auf der Bildfläche, die wiederum sowohl von der Malerei als auch der Reflexion in die Tiefe aufgebrochen wird. Das Gemalte wirkt dabei so krude hingeschmiert, so wenig fein entwickelt, dass Albert Oehlens Bilder auch unter dem Begriff „Bad Painting“, einem bewussten Akt des Nicht-Besser-Wollens, gehandelt wurden und werden.
Gegen Ende der 1980er Jahre verschwanden die gegenständlichen Referenzen aus den Gemälden Oehlens. Dafür entwickelte er den Begriff des „Postungegenständlichen“, um sich als Maler von weder abstrakten noch figurativen Kompositionen zu positionieren.
Die wohl wichtigste Entscheidung Oehlens war, sich 1990 ein Notebook mit einem einfachen Grafikprogramm von Texas Instruments zu kaufen und damit simple Zeichnungen anzufertigen. Als Siebdrucke auf Leinwände übertragen, wurde ein Set von ca. 10 bis 15 Grundmotiven Ausgangspunkt einer neuen, linearen Malerei von Oehlen. Er verband die neuartige Computertechnik mit den gepixelten Mustern und JEPG-Fehlern in den Graphen mit der subjektiven, freien Linie. Die monumentale Größe der Leinwände und das in Schichten Übereinanderlegen verschiedener Strukturen mögen zwar Assoziationen mit Jackson Pollocks drip paintings aufkommen lassen, Oehlen ging es jedoch nie um das Inszenieren eines Künstlersubjekts, sondern um die Auflösung der Grenzen der Malerei in Richtung Technik sowie gleichermaßen das Erproben der Grenzen des Computerprogramms.
Vielleicht lässt sich die seit 1997 entstehende Werkgruppe einer collagierenden Malerei als Folge dieser schwarz-weißen Experimente interpretieren. Schnipsel aus Zeitungen und Magazine sind nun (wie auch schon in den frühen 80ern) Ausgangsmaterial und werden auf den Leinwänden mit extrem bunter Malerei formal aber nicht inhaltlich ergänzt.
„Mein Anliegen war eine abstrakte Malerei, die durch penetrante Werbeelemente eine genervte Stimmung hat. Ich wollte die Bilder unbedingt als Malerei deklarieren – im Gegensatz zur Collage. Es ergeben sich gelegentlich Witze aus dem Zusammenspiel zweier Plakate. Aber da ist keine inhaltliche Aussage zu suchen. Der Inhalt implodiert.“1 (Albert Oehlen)
Um die Farbe wieder für sich entdecken zu können, bediente sich Albert Oehlen ab 1997 der extremen Reduktion auf graue Bilder. Der Farbton entstand aus der Mischung von Grün und Rot, der Künstler verordnete sich das Arbeiten in Unbunt „als Therapie“, um die „Gier nach Farbe künstlich zu steigern“. In den 2010er Jahren sind Oehlens Bilder zweifelsohne bunt, wenn auch der weiße Malgrund als solcher nun deutlich in die Kompositionen einbezogen wird. So als ob die nachvollziehbar mit den Händen geschmierte Farbe auf dem Weiß schweben würde, das Malgrund wird zum Lichtgrund. Manchmal ergänzt Oehlen seine Malerei durch stark fragmentierte Werbeaufnahmen, Kombinationen manchmal mit Witz aber immer ohne tiefergehende Bedeutung. Zumindest laufen die Versuche, Inhalt in die Bilder hineinzulesen ins Leere, nicht einmal die Titel helfen, oft sind die Werke titellos. Doch wieder eine Rückkehr zum rein Malerischen, zur rohen Materie, zum Versenken in der Farbmaterie?
Wenn ja, dann nicht ausschließlich, denn die jüngsten Arbeiten in der Schau – zwei großformatige Zeichnungen von 2012 und 2013 – lassen wieder ein Interesse an der frei schwingenden Liniennotation erkennen. Die Striche wirken spontan gesetzt, erstrecken sich wie in tänzerischen Bewegungen über den Bildraum hinweg, verdichten sich, verknoten sich, definieren ein Zentrum und laufen wieder auseinander. Der Eindruck des Schwebens und das Arbeiten mit Rhythmus verbinden sie mit den aktuellen Gemälden.
Die mumok-Ausstellung erstreckt sich über die drei Stockwerke 4 bis 6 und wirbelt das malerische Werk des deutschen Künstlers gehörig durcheinander. Der Titel ist auf ein schlichtes „Malerei“ reduziert, denn um nichts anderes ging und geht es dem Künstler in seiner nunmehr knapp über 30jährigen Karriere: malereiimmanente Fragen zu stellen. Oehlen sucht nach dem Verhältnis von Flüche zu Raum, nach der Beziehung zwischen Realraum und Illusionsraum, nach der Farbe bzw. Unfarbe (gatschbraun, grau), nach dem technischen Lineament im Vergleich zum händisch entwickelten, nach der Alltagsbilderwelt und der Hochkultur.
Die Präsentation ist nicht chronologisch angeordnet, das Werk, das sich leicht nachvollziehbar in Werkblöcken und anhand von malereiimmanenten Fragestellungen entwickelte, wird von Achim Hochdörfer gemeinsam mit dem Künstler wenngleich in Gruppen so doch bunt gewürfelt zusammengestellt. Keine lineare Lesart wird vorgeschlagen, sondern eine, die sich mäandrierend durch das Gesamtwerk in den letzten Jahrzehnten nach vor und zurück bewegt. Daraus ergeben sich mehr Brüche als Bezüge, wenn auch solche zweifelsohne als grundlegende Fragen zu Linearität und malerischer Gestion, zur Zurückweisung des Abbildhaften, zur Auseinandersetzung zwischen Populärkultur und Hochkunst etc. vorhanden sind und sich durch das gesamte Werk wie ein roter Faden durchziehen. Die Folge davon ist m.E., die Vielheit von künstlerischen Setzungen Oehlens zu betonen, während die Homogenität einer linearen Entwicklung deutlich zurückgewiesen wird. Die lockere Hängung gibt den nahezu ausschließlich großformatigen Werken - viele davon aus dem Besitz des Künstlers (sic!) - dann schon fast zu viel Raum und steht damit in deutlichem Kontrast zum Künstlerbuch-Katalog, der von Heimo Zobernig gestaltet wurde.
Der Katalog wurde von Heimo Zobernig gestaltet und erschien im Verlag der Buchhandlung Walther König Köln. Zobernig gelingt es wirklich Dynamik in die Kataloggestaltung zu bringen und zeigt, was alles bei einer solchen falsch laufen kann. Bilder wiederholen sich und stehen teils am Kopf, Druckfarben werden vertauscht, die sündteure Doppelseite überhaupt in Schwarz auf Rot gedruckt. Das Layout gebiert sich wie ein Projekt im Embryonalstadium oder ein von Hitzekoller durcheinandergewirbeltes Programm. Oder auch der Joyce'sch „Chaosmos“2 mögen einem durch den Kopf schwirren. Während die Ausstellung, mit Hilfe der Ausstellungsarchitektur von Wilfried Kuehn und Thomas Güthler, wohlorganisiert und mitnichten „rockig“ wirkt, macht Zobernig aus dem Katalog ein Künstlerbuch, das sämtlichen Organisationsstrategien des Mediums zuwiderläuft. Damit spiegelt er nicht die tatsächliche Installation im mumok wider, sondern nimmt das Konzept Oehlens auf, sich an den „Grenzen“ der Malerei abzuarbeiten.
Am 17. September 1954 in Krefeld, BRD, geboren; Vater Adolph Oehlen war Grafikdesigner und Cartoonist
1970 bis 1973 Buchhändlerlehre in Düsseldorf
1974 bis 1981 Studium an der Hochschule für bildende Künste Hamburg, zuerst bei Sigmar Polke dann bei Claus Böhmler
1977 bis 1979 Herausgabe des "Zentralorgans der Liga zur Bekämpfung des widersprüchlichen Verhaltens in der Öffentlichkeit" mit dem Titel "Dum Dum" gemeinsam mit Werner Büttner
1979 bis 1984 Gemeinsame Schallplattenproduktion mit seinem Bruder Markus Oehlen, A. R. Penck, Martin Kippenberger, Jörg Immendorff und Werner Büttner
1980 Einrichten der "Samenbank für DDR-Flüchtlinge" gemeinsam mit Werner Büttner und Georg Herold
1981 Gründung der "Kirche der Unterschiedlichkeit" gemeinsam mit Werner Büttner und Markus Oehlen
1985 Mitbegründer der Lord Jim Loge gemeinsam mit Martin Kippenberger (→ Martin Kippenberger: XYZ), Jörg Schlick und dem Autor Wolfgang Bauer
1986 und 1987 mehrere öffentliche Vorträge gemeinsam mit Martin Kippenberger
1991 Arbeitsaufenthalt in Los Angeles
1992 In der spanischen Stadt Segovia richtet sich Albert Oehlen - in einem Turm in der Stadtmauer - ein Atelier ein und beginnt mit den ersten Arbeiten zu Computerbildern; erneute Zuwendung zur Malerei
Achim Hochdörfer (Hg.)
Mit Texten von Rochelle Feinstein, Hal Foster, Achim Hochdörfer, Karola Kraus, Albert Oehlen, u.a.
24 x 31 cm, 176 S. (168 S. + Ausklapper)
90 Farbabb., Hardcover,
ISBN 978-3-86335-388-9 (dt)
ISBN 978-3-86335-393-3 (engl.)
Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln
Achim Hochdörfer (Hg.): Albert Oehlen. Malerei, mit Texten von Rochelle Feinstein, Hal Foster, Achim Hochdörfer, Karola Kraus, Albert Oehlen, Köln 2013.
Kunsttermine 2 (2013) 386 (für die Biografie).