Das Haus der Kunst München zeigt 2018 Retrospektiven zu zwei bedeutenden US-amerikanischen Feministinnen: die Objektkünstlerin und Grafikerin Kiki Smith (ab 2.2.) sowie die Medienpionierin Joan Jonas (ab 9.11.). Joan Jonas wurde Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre als Pionierin der Video- und Performancekunst bekannt und ist eine der einflussreichsten Künstlerinnen der Gegenwart. Sie verbindet mit Kiki Smith die Bedeutung des Storytellings, aber auch die Verbindung von Mensch, Natur und Kosmos.
Mit „Blind Faith: Zeitgenössische Kunst zwischen Intuition und Reflexion“ reagiert auf das Spannungsverhältnis von „blindem Vertrauen“ bzw. Bauchgefühl und Viszeralem in der aktuellen Kunstproduktion der aufstrebenden Künstlergeneration der seit den 1970er Jahren geborenen (ab 2.3.).
Mit der ersten Retrospektive zu Vivan Sundaram (* 1943 in Shimla, Indien) weitet das Haus der Kunst München den Blick von der westlichen Kunsthemisphäre nach Asien und stellt einen den bekanntesten indischen Gegenwartskünstlern vor. Der u.a. bei R. Kitai in London ausgebildete Maler wandte sich Mitte der 1980er Jahre zunehmend der Installation zu, um die Beschränkung des Bildfeldes aufzubrechen. Seit 1990 arbeitet er auch mit Fotografie und Film, um politische und gesellschaftliche Fragen zu diskutieren. Vivan Sundaram ist der Neffe von Amrita Sher-Gil (1913–1941), die 2006/2007 im Haus der Kunst ausgestellt worden ist.
Seit über drei Jahrzehnten befasst sich die 1954 in Nürnberg geborene US-amerikanische Künstlerin Kiki Smith in ihrem facettenreichen Œuvre mit den politischen und sozialen, aber auch den philosophischen und geistigen Aspekten der menschlichen Natur. Die Ausstellung bietet einen Überblick über Smiths künstlerisches Schaffen der letzten drei Jahrzehnte. So ist das Frühwerk unter dem Eindruck der schlagartigen politischen, sozialen und kulturellen Veränderungen in den 1980er-Jahren entstanden, die von den Folgen der AIDS-Epidemie, von leidenschaftlich geführten Diskursen über Sexualität und Gender sowie von feministischen Aktivitäten geprägt waren. Seit den frühen 1990er-Jahren befasst sich Smith dagegen zunehmend mit alternativen historischen Narrativen und setzt sich mit Mythen, Legenden und Sagen, Glaubensfragen sowie den Traditionen nicht-abendländischer Kulturen auseinander.
Kuratiert von Petra Giloy-Hirtz und organisiert vom Haus der Kunst.
Harte Tatsachen verlieren zunehmend an Gewicht in einer Zeit, in der sich in heutigen Gesellschaften ein Gefühl „blinden Vertrauens“ breitmacht. Die Gegenwartskunst reagiert auf diese Tendenz, indem sie sich intensiv mit Körper und Geist beschäftigt: mit dem Viszeralen und dem Kognitiven. Die Ausstellung versammelt ca. 25 international aufstrebende Künstler, die Konzepte von Wahrheit, Wahrhaftigkeit, Meinung und Glauben mit den unterschiedlichsten Mitteln unter die Lupe nehmen.
Teilnehmende Künstlerinnen und Künstler: Ed Atkins, Kader Attia, Olga Balema, Melanie Bonajo, Mariechen Danz, Cécile B. Evans, Andrea Éva Győri, Benedikt Hipp, Nicholas Hlobo, Marguerite Humeau, KAYA (Kerstin Brätsch and Debo Eilers), Hanne Lippard, Wangechi Mutu, Otobong Nkanga, Naufus Ramírez-Figueroa, Jon Rafman, Mary Reid Kelley, Lili Reynaud-Dewar, Raphael Sbrzesny, Jeremy Shaw, Teresa Solar Abboud, Jol Thomson und David Zink Yi.
Die Ausstellung wird um ein ausführliches Programm an Live-Events, Performances und Vorträgen ergänzt sowie von einer Publikation begleitet. #blindfaithHDK
Kuratiert von Julienne Lorz, Daniel Milnes und Anna Schneider
Das Haus der Kunst würdigt den indischen Künstler Vivan Sundaram (*1943 in Shimla, Indien), dessen Karriere fast fünf Jahrzehnte umfasst, mit der europaweit bislang umfangreichsten Ausstellung seiner Multimedia-Arbeiten. Sundaram war zunächst als Maler tätig und blieb diesem Medium die ersten zwanzig Jahre treu. Anfang der 1990er Jahre wandte er sich einer ausgedehnteren Konzeption zu, was mit seinem Interesse an der Stofflichkeit einer Vielzahl von Materialien handwerklicher und industrieller Herkunft zusammenfiel. Die Auswahl an Materialien spiegelt sich in den verschiedenen Werkgruppen, die Sundaram in den letzten zwanzig Jahren geschaffen hat.
Das Geschichtsbewusstsein Sundarams, dessen Werk mit aktuellen und historischen Bezügen durchsetzt ist, zeigt sich besonders in seiner raumfüllenden Multimedia-Installation „Memorial“ (1993/2014), mit der er eines namenlosen Opfers gedenkt. Als Reaktion auf die Zerstörung einer Moschee aus dem 17. Jahrhundert im nordindischen Ayodhya durch militante rechtsradikale Hindus kam es 1992/93 zu Ausschreitungen zwischen Hindus und Muslims. Das gefundene Zeitungsfoto eines auf der Straße liegenden Toten ist der Ausgangspunkt für Sundarams melancholische Trauerarbeit.
Geschichte, Erinnerung und Archiv sind übergreifende Anliegen des Künstlers und dienen auch als Wegweiser durch die Ausstellung. Ebenso sind Trostlosigkeit und Zerstörung wiederkehrende Motive in Sundarams Werk, der als Künstler nie davor zurückgeschreckt ist, Zeitzeuge zu sein.
Kuratiert von Deepak Ananth.
→ Jörg Immendorff: Café Deutschland
Erst Ende der 1970er Jahre fasste Jörg Immendorff (1945–2007) den Entschluss, seine Dreifach-Existenz als politischer Aktivist, Lehrer und Maler ganz auf die Seite der Kunst zu verlagern. Dabei markiert das Jahr 1976 in mancher Hinsicht ein Schlüsseljahr: Immendorff beteiligte sich an der Biennale in Venedig mit einer Flugblattaktion, die die „Freiheitsberaubung“ in der DDR attackiert und internationale künstlerische Kooperation als Vehikel zu ihrer Überwindung fordert. Daran anschließend folgte 1978 der Einstieg in den „Café Deutschland“-Zyklus, angeregt durch Renato Guttusos „Café Greco“, das Immendorff in einer Ausstellung in Köln gesehen hatte.
Mit der Arbeit am „Café Deutschland“-Zyklus gewinnt Immendorffs Malerei in Duktus und Farbigkeit an Expressivität, mit der er sich gleichzeitig von der ideologisch gefärbten Emblematik befreit. Der hier eingeleitete Veränderungsprozess mit seiner formalen und inhaltlichen Öffnung entwickelte sich in der letzten Werkphase zu einer bildsprachlichen „Lichtung“ im Sinne einer neuen malerischen Kraft und Leichtigkeit, die Immendorff selbst einmal als „Befreiungsschlag“ bezeichnet hat:
„Ich bin froh, dass sie auf Grund ihrer radikalen Konzentration nicht mehr selbstverständlich die Frage nach der Fabel provozieren. Ich habe in ihnen Schritt für Schritt das erzählende Lametta hinweggerafft, so dass die Faktur von Form und Farbe wie von selbst im Mittelpunkt steht.“
Die Retrospektive wird ca. 100 Werken wird von Ulrich Wilmes kuratiert. Sie folgt keiner strengen Chronologie der Werke, vielmehr wird sie entscheidende Schwerpunkte der Werkentwickelung in Kapitel darstellen.
→ Joan Jonas. Multimediakünstlerin aus New York
Joan Jonas (*1936 in New York) wurde Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre als Pionierin der Video- und Performancekunst bekannt und ist eine der einflussreichsten Künstlerinnen der Gegenwart. Mit ihren experimentellen Installationen verfolgt sie einen originellen und interdisziplinären Ansatz. Sie vereint darin collageartig Film, Video, Musik, Fotografie, Zeichnung, Soundscapes, Objekte, Requisiten und Masken oder auch Schauspiel und Tanz. Im Zentrum ihrer Arbeit steht oft eine erzählende Komponente. Jonas findet ihre Inspiration u.a. in der Literatur, im No-Theater und in Ritualen, die sie auf zahlreichen Reisen über die Jahre miterlebt hat.
Die Ausstellung, die vom 14. März bis 5. August 2018 in der Tate Moderne gezeigt wird, bringt Installationen aus den 1970er Jahren sowie jüngere Arbeiten aus den letzten fünfzehn Jahren zusammen. In London wie auch in München wird Joan Jonas Live-Performances aufführen (in der Tate als BMW Tate Live Exhibition in den Tanks). Die Künstlerin plant einige ihrer bekanntesten Werke wiederaufzuführen wie „Mirror Pieces“ aus den Jahren 1968 bis 1971. Hinzu kommen ein umfangreiches Filmprogramm sowie ein Katalog mit mehreren Interviews mit der Künstlerin.
Kuratiert von Julienne Lorz, Kuratorin am Haus der Kunst München, und Andrea Lissoni, Leitender Kurator der Abteilung International Art (Film) der Tate Modern.