0

Clegg & Guttmann. Portraits and Other Cognitive Exercises Werke von 2001 bis 2012 in der BAWAG

Clegg & Guttmann, Executives of the Steel Industry V. Executives of the Textil Industry, 1980 © Clegg & Guttmann, Courtesy Galerie Christian Nagel, Köln, Berlin

Clegg & Guttmann, Executives of the Steel Industry V. Executives of the Textil Industry, 1980 © Clegg & Guttmann, Courtesy Galerie Christian Nagel, Köln, Berlin

Clegg & Guttmann zeigen in ihrer Ausstellung „Portraits and Other Cognitive Exercises 2001–2012“ eine schöne Auswahl an Werken zusammen, die Kunstauffassung und Interessenslagen des Künstlerduos wunderbar entschlüsseln helfen.

Clegg & Guttmann. Portraits and Other Cognitive Exercises 2001–2012

Österreich / Wien: BAWAG Contemporary
12.4. - 10.6.2012

„Falsa prospettiva“ besteht aus zwei Mal sechs „Bücherkästen“, die sich in den Hintergrund deutlich verkleinern. Clegg & Guttmann nutzen hierfür die Kenntnis der Perspektive, um den Raum optisch tiefer aussehen zu lassen, als dieser in Wirklichkeit ist. Dieses Zitat der Kunstgeschichte referenziert nicht nur auf die berühmten Säulenstellungen von Gian Lorenzo Bernini (Scala Regia) in Rom, sondern darüber hinaus auf den prinzipiellen Umgang der Künstler mit für sie wichtigen Werken der Kunstgeschichte. Zudem changiert die Arbeit zwischen Fotografie, Objektkunst und Installation, fordert forschende BetrachterInnen, die sich nicht mit dem Eindruck zufrieden geben, sondern die Installation körperlich erspüren, um dem Augentrug auf die Spur zu kommen.

Direkt gegenüber hängt ein Trippel-Porträt der Chefs der Deutschen Bank – „Board of Directors“ (Version 2, 2007) – in dunklen Anzügen, grau melierten Haaren und ohne eine Miene zu verziehen. Eindeutig werden hier Machtmenschen dargestellt. Wie sehr dieses Urteil jedoch der Kunstgeschichte und den seit Jahrhunderten etablierten und immer wieder reinszenierten Porträttypen geschuldet ist, machen die „Executives of the Steel Industry versus Executives oft he Textile Industry“ aus dem Jahr 1981 deutlich. Kleider machen Leute; die Posen auch, so mag man ergänzend anfügen, auch, handelt es sich um die abgelichteten Personen doch um Familienmitglieder und ältere Freunde der beiden Künstler, die sich in feinem Tuche als Direktoren ausgeben. Wie sehr hier die im barocken Holland geprägte Tradition des Gruppenbildnisses noch nachwirkt, erstaunt durchaus. So stellen Clegg & Guttmann mit ihren fotografischen Porträts immer wieder die Frage nach der Repräsentationsfähigkeit des Mediums, beleuchten seine geschichtliche Entwicklung (indem sie Zeichnungen und andere Fotografien als Hintergrundbilder verwenden) und geben nur anderen Künstlern die Möglichkeit, sich selbst zu inszenieren. So kann es durchaus vorkommen, dass AuftraggeberInnen ihre Bilder nicht haben wollen, wodurch die Künstler sie zu „Rejected Commissions“ erklären und im Kunstkontext, auch als solche gekennzeichnet, ausstellen.

In ihren drei Bibliotheks-Skulpturen (2004-2007) werden die Bücherkästen zu „knowledge sculptures“. Der Rahmen für Freuds Bücher erinnert an ein Studiolo in der italienischen Renaissance, die „Moebius Library“ (2005) hat kein Anfang und kein Ende, kein Oben oder Unten, kein Innen oder Außen. Genauso wie die Gruppenporträts dem kollektiven Gedächtnis angehören, so funktionieren auch Bücherregale als Erinnerungsspeicher.

Die „Cognitive Exercices“ (seit 2001) sind Bühnen für Performances, welche die Ansätze in den Fotografien der 1980er und 1990er Jahre fortzuführen scheinen. 2006 hatten Clegg & Guttmann im Hauptausstellungsraum der Wiener Secession in der mit „MACH VS. BOLTZMANN“ betitelten Schau acht Stationen mit Übungen für die BesucherInnen angeboten, mit Hilfe derer über die beiden Wiener Denker weiter nachgedacht werden konnte. Die BersucherInnen musst sich die Ausstellung aneignen, so wie die Porträtierten ihre Lieblingsposen wählten – um dann vielleicht doch nicht so zu wirken, wie ihr Selbstbild es ihnen suggerierte. So stellen Clegg & Guttmann für die Ausstellung in der BAWAG erneut temporär-örtliche Aktionsmöglichkeiten zur Verfügung – wie „Continuous Drawing / Exquisite Corpse“ aus dem Jahr 2006 – oder lassen in einer Video-Performance die Texte von Mach und Boltzmann gegeneinander lesen. Immer darum bemüht, die Grenzen zwischen den schöpferischen Künstlern und den Auftraggebern, Kunstinteressierten oder Schauspielern zum Verschwimmen zu bringen.

MICHAEL CLEGG, geb. 1957, und MARTIN GUTTMANN, geb. 1957, leben und arbeiten in New York, Berlin und Wien.

Clegg & Guttmann. Humiliation ihr Projekt am Graben in Wien

Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.