Eugène Boudin: französischer Landschaftsmaler und Lehrer von Monet

Eugène Boudin

Wer war Eugène Boudin?

Eugène Boudin (Honfleur 12.7.1824–8.8.1898 Deauville) war ein französischer Landschaftsmaler, der für kleinformatigen Strandszenen von Le Havre berühmt ist. Mitte der 1850er Jahre trat Boudin in seine reife Phase ein und widmete sich Pleinair-Studien in der Tradition der Schule von Barbizon. Er gilt als wichtigster Lehrer von Claude Monet und als Freilichtmaler als wichtiger Vorläufer des Impressionismus.

Kindheit und Ausbildung

Eugène Boudin wurde am 12. Juli 1824 in Honfleur geboren. Er stammte aus einer Familie von Seeleuten, die 1835 nach Le Havre zog. Sein Vater war Hafenlotse, weshalb der spätere Marine- und Landschaftsmaler seit seiner Kindheit eng mit dem Meer verbunden war. Im Alter von zehn Jahren arbeitete er auf einer dampfgetriebenen Fähre zwischen Le Havre und Honfleur. Nach dem Umzug nach Le Havre eröffnete Boudins Vater ein Geschäft für Schreibwaren und Bilderrahmen. Der junge Boudin arbeitete bei einem Drucker und dann im Papierwaren- und Rahmengeschäft seines Vaters, das Gemälde durchreisender Künstler ausstellte. Von 1844 bis 1846 führte er selbst ein solches Geschäft und begann mit ersten künstlerischen Versuchen, die er Jean-Francois Millet (1814–1875) zeigte. Zu den früh von ihm entdeckten und ausgestellten Künstlern zählten Constant Troyon (1810–1865) , Millet und Eugène Isabey. Für Constant arbeitete er als Atelierassistent.

1847 im Alter von 22 Jahren entschloss sich Eugène Boudin zu einer Laufbahn als Künstler und hielt sich kurzzeitig mit einem Stipendium der Stadt Le Havre in Paris auf, wo ihn besonders die zeitgenössischen Gemälde der Schule von Barbizon und die niederländischen Landschaften, Seestücke und Stillleben des 17. Jahrhunderts, beeindruckten. 1851 gewährte ihm die Stadt Le Havre auf Fürsprache von Thomas Couture (1815–1879) und Constant Troyon ein Stipendium, mit dem er bis 1853 in Paris im Atelier von Eugene Isabey (1803–1886) studierte. Im Louvre kopierte er u. a. nach dem Landschaftsmaler Jacob van Ruisdael (1628–1682), Adriaen van de Velde, Aelbert Cuyp. Von den barocken Landschaften der Niederländer lernte er die Beachtung des weiten Himmels, das Reflektieren des Lichts und das horizontale Format.

Kurz nach 1850 entstand auf der Ferme Saint-Siméon in der Nähe von Honfleur eine kleine Künstlerkolonie, wo Boudin sich mit befreundeten Malern – Gustave Courbet, Isabey, John Barthod Jongkind, Troyon und anderen traf. Le Havre und die Normandie blieben während der langen und produktiven Laufbahn von Eugène Boudin ein wichtige Motivquelle.

1855 unternahm Boudin die erste seiner zahlreichen Reisen in die Bretagne, wo er sich von 1857 bis 1858 länger aufhielt. Bis in die Mitte der 1870er Jahre dominierten bretonische Motive sein Werk. Indem Eugène Boudin direkt vor dem Motiv malte und die Frische sowie spontane Vision der Landschaft auch in seinen vollendeten Ölgemälden zu erhalten suchte, schuf er eine Form der naturalistischen Malerei, hinter die die folgende Generation nicht mehr zurückfallen konnte. Einer der ersten, der diese Beobachtung machte war Baudelaire. Boudin wurde zum „Vorläufer des Impressionismus“, weil er diese Freude an der Natur mit einigen bedeutenden Malern teilte: Gustave Courbet, James McNeill Whistler und dem jungen Claude Monet.

Werke

In Le Havre traf Boudin 1856 den erst 16-jährigen Claude Monet (1840–1926), den er ermutigte sich der Ölmalerei zuzuwenden und zum gemeinsamen Zeichnen in der freien Natur einlud (→ Claude Monet – Eugène Boudin). Mit dem Gemälde „Die Wallfahrt zu Sainte-Anne-La-Palud in der Bucht von Douarnenez (Finistère)“ (Musee d‘Art Moderne, Le Havre) trat Boudin 1859 zum ersten Mal im Salon auf. Das Werk, von Charles Baudelaire als „sehr gutes und sehr weises Bild“ bezeichnet, wurde es 1860 von der Stadt Le Havre erworben.

König der Himmel

In den späten 1850er Jahren begann Eugène Boudin kleine Wolkenstudien in Pastell zu malen. Mit dem trockenen Farbpulver hielt er den Himmel zu verschiedenen Tageszeiten und Jahreszeiten fest. Corot nannte Boudin bald den „König der Himmel“. Sein gesamtes Leben hindurch arbeitete er in diesem Modus, nutzte hellere und lichthältigere Farbtöne – sogar als der Impressionismus in seiner Spätphase bereits dem Ende entgegensah.

Nachdem der Kritiker Baudelaire 1859 die Möglichkeit hatte, Eugène Boudin in dessen Atelier in Le Havre zu besuchen, stellte er mit Überraschung fest, dass der Maler nicht nur Wellen und Wolken treu wiedergab, sondern auch Datum, Zeit und Windstärke auf den Leinwänden notierte. Meteorologische Genauigkeit und Naturtreue überzeugten Baudelaire, der sich in der Beschreibung der koloristischen Qualitäten der Boudin-Wolken hineinzusteigern vermochte. Neuartig an seinen Kompositionen war, wie er das Licht einfing.

Strandszenen aus Trouville

Trouville war ein kleines Fischerdorf südöstlich von Honfleur mit einem langen Sandstrand, das rasch eine touristische Destination für die Pariser Mittelklasse und Aristokratie wurde. Eugène Boudin entdeckte 1862 den Ort und kehrte jeden Sommer wieder, um den Hafen, den Kay, den Fluss Touques und Strandszenen zu malen. Mit Letzterem versuchte er ein breiteres Publikum – auch unter den Sommergästen – anzusprechen.

Die mittlere Phase von Boudins Werk zeichnet sich durch einen freien Pinselstrich aus. Durch seine betonten Lichteffekte und genauen Wetterschilderungen ging er über pittoreske, Details betonende Gemälde seiner Zeit hinaus. Dies wirkte sich negativ auf die Rezeption Boudins aus: „Konzert im Casino von Deauville“ präsentierte er beispielsweise erfolglos am Pariser Salon von 1865. In den folgenden Jahren schuf er kleinere Kompositionen voller vibrierender Farben für eine kleine Gruppe von Liebhabern. Im Jahr 1870 wandte er sich mehr Seestücken zu, die deutlich höhere Nachfrage hatten.

1864 malte er Seite an Seite mit Claude Monet an der Normandie-Küste, im folgenden Jahr mit Courbet und Whistler. In dieser Phase wählte Boudin stärker querformatige Leinwände und wandte sich dem Farbenspiel von Sonnenuntergängen zu. Wer als erster dieses Konzept hatte, ist heute noch umstritten. Eugène Boudin entwickelte zudem ein Faible für modisch gekleidete Urlauber an den Stränden von Trouville oder Deauville. Seit etwa 1862 hatte sich Boudin, vielleicht auf Empfehlung von Eugène Isabey, dem Motiv des Strandes zugewandt. Die Aufmerksamkeit, die den Sandstränden auch von der Aristokratie entgegengebracht wurde, übertrug sich auf den Künstler und seine Werke. Im August 1867 bezeichnete er die Szenerie in einem Brief allerdings schon als eine „furchterregende Maskerade“. Zu diesem Urteil war er gelangt, nachdem er ein Monat mit dem Malen von Fischern zugebracht hatte. Angesichts der harten Arbeit und der Lebensumstände der Landbevölkerung kamen ihm die wohlhabenden Urlauber wie „vergoldete Parasiten“ vor.1 Bis in die 1870er Jahre dominiert das Motiv der Strandszene in Eugène Boudins Werk, dann nehmen sie zahlenmäßig ab.

Boudin stellte von 1863 bis 1897 regelmäßig im Salon aus, erhielt jedoch erst im Jahr 1881 eine Medaille 3. Klasse. An der ersten Ausstellung der Societe anonyme des artistes peintres, sculpteurs, graveurs, etc. im Jahr 1874, der sogenannten Ersten Impressionisten-Ausstellung, war Boudin ebenfalls mit drei Gemälden, vier Aquarellen und sechs Pastellzeichnungen beteiligt. Seit etwa 1860 malte Boudin die Strandszenen, die ihn berühmt gemacht haben. Sie zeigen elegant gekleidete, mondäne Menschen, die in der Sommerfrische an den Stränden der Normandie weilen – ein Freizeitvergnügen, das während des Zweiten Kaiserreichs sehr in Mode kam. In dieser Zeit freundete sich Eugène Boudin mit Charles-Francois Daubigny (1817–1878 → Charles-François Daubigny: Wegbereiter des Impressionismus), Camille Corot (1796–1875) und Johan Barthold Jongkind (1819–1891) an.

Zusammen mit anderen Kunstlern organisierte Boudin Verkaufsausstellungen in der Provinz und in Paris, denen jedoch meistens kein Erfolg beschieden war. Während des Krieges 1870/71 hielt er sich in Belgien und in den Niederlanden auf. 1881 nahm ihn der Kunsthändler Paul Durand-Ruel unter Vertrag; 1883 stellte Eugène Boudin Pastelle, Aquarelle und 150 Ölgemälde in der Galerie Durand-Ruel aus. Mit dieser Retrospektive war sein Ruhm als Künstler und sein finanzielles Auskommen gesichert. Auffallend ist, dass er sich in der Folge stärker der impressionistischen Malerei zuwandte und seine konservativere Klientel weniger bediente. Aus diesen Jahren datieren Seestücke im Abendlicht wie „Ebbe“ (1884).

Boudin am Mittelmeer

Boudin schuf etwa 200 Variationen des Kays von Trouville. Darin beobachtete er kleinste Veränderungen in der Atmosphäre. Im Gegensatz zu Claude Monets seriellem Werk war sein Arbeiten aber von Intuition getragen und daher unsystematisch. Gleichzeitig orientierte sich Boudin stärker an den Wünschen der Kunstkäufer seiner Zeit. Während der 1890er Jahre wandte er sich der Kirche von Abbeville und dem Fluss Touques zu und malte diese zu verschiedenen Tageszeiten.

Eugène Boudin kam anfangs aus gesundheitlichen Gründen in den Süden. 1885 hellte sich seine Palette sichtbar auf – und blieb auch nach seiner Rückkehr lichthältiger. Aus gesundheitlichen Gründen verbrachte Eugène Boudin seit 1890 die Winter in Südfrankreich. Sein Besuch von Beaulieu 1892 schlug sich in vielen Gemälden nieder, die er direkt vor den Motiven ausführte (und nicht im Atelier vollendete). Im folgenden Jahr besuchte Boudin Antibes, wodurch er vielleicht von Monets Aufenthalt angeregt worden war. Von 1892 bis 1895 war Boudin mehrere Male in Venedig, wo er traditionelle Motive mit besonderen Lichtstimmungen malte; 1895 schuf er mehr als 70 Bilder in Venedig. Die Ansichten der Lagunenstadt bezeichnete der alternde Maler als seinen „Schwanengesang“. 1897 reiste er ein letztes Mal in die Bretagne und nach Honfleur.

Tod

Eugène Boudin verstarb am 8. August 1898 im Alter von 74 Jahren in Deauville. Er wurde auf dem Cimetière Saint-Vincent am Montmartre in Paris bestattet. Der Nachlass des Künstlers befindet sich größtenteils im Musée Eugène Boudin in Honfleur sowie im Musée Malraux in Le Havre.

Nach Boudins Tod 1898 gehörte Monet zum Organisationskomitee der Retrospektive. Nachdem er sich mit dem gemeinsamen Briefverkehr beschäftigt hatte, musste sich Monet eingestehen, dass es Boudin war, der als erster seine Fähigkeiten erkannt und ihn zeitlebens unterstützt hatte. Als er seinem Biografen Gustave Geffroy 1920 erzählte, dass er „alles Boudin verdankte“, zollte er seinem alten Lehrer endgültig Tribut.

  1. Eugène Boudin an Martin, 28. August 1867, zit. n. Jean-Aubry, Schmit, 1968, S. 65.