Telesko/Schmidl: Kaiser Franz Joseph I.
0

Kaiser Franz Joseph I., der verklärte Herrscher Die Präsenz des Monarchen in Musik und Bildender Kunst

Werner Telesko & Stefan Schmidl, Der verklärte Herrscher. Leben, Tod und Nachleben Kaiser Franz Josephs I. in seinen Repräsentationen (Praesens Verlag)

Werner Telesko & Stefan Schmidl, Der verklärte Herrscher. Leben, Tod und Nachleben Kaiser Franz Josephs I. in seinen Repräsentationen (Praesens Verlag)

Kaiser Franz Josef (1830–1916) regierte 68 Jahre und gilt damit als einer der am längsten dienenden Herrscher der Geschichte überhaupt. Die Ära des Habsburgerkaisers wird gemeinhin als franzisko-josephinisches Zeitalter bezeichnet und erstreckt sich von der Revolution 1848 bis zum Ersten Weltkrieg 1916. Während die Monarchie in dieser Zeit einen gewaltigen kulturellen Aufschwung nahm, was in vielen Publikationen und Ausstellungen bereits eingehend beleuchtet wurde, fand die Präsenz der Persönlichkeit Franz Josephs in Kunst und Musik bisher wenig Beachtung. Werner Telesko und Stefan Schmidl widmen sich den vielschichtigen Facetten Franz Josephs, den sie als „verklärten Herrscher“ titulieren. Ihre Analysen reichen von Auftragsporträts über Huldigungsadressen, Liszts „Krönungsmesse“ und Strauß‘ „Kaiserwalzer“ bis zu den legendären „Sissy“-Filmen.

Der verklärte Herrscher

Mit „verklärter Herrscher“ meinen Telesko und Schmidl den Umstand, dass Franz Joseph bereits zu Lebzeiten vielfältigen Mythisierungen und Stilisierungen audio-visueller Natur unterlag. In unterschiedlichsten Gattungen, Bild- und Textmedien – Dichtung, Musik, Panegyrik, Postkarten, Fotografie, Grafik, Lebenden Bildern, Malerei aber auch Prozessionen und Hoffeiern – wurde das Bild eines Herrschers gezeichnet, das Franz Joseph als eine über allen Wirrnissen der Zeit stehende, integrative Persönlichkeit vor Augen führen sollte. Doch was steht hinter diesen vielfältigen Porträts dieses Herrschers?

Werner Telesko und Stefan Schmidl weisen auf 133 Seiten nach, dass es nicht nur die vom Kaiserhaus gesteuerte Imagebildung gab, sondern dass sich vielmehr unterschiedliche Personengruppen mit Huldigungszeugnissen unterschiedlichster Art dem Bild des Kaisers gleichsam entgegenarbeiteten. Noch heute sind viele Eingaben von Musikern im Österreichischen Staatsarchiv nachweisbar, die mit Widmungen an den Kaiser versehen wurden. Egal ob Marsch, „Volkshymne“, Operette, Messe oder Quartett – alles schien für den Kaiser gemacht. Ins öffentliche Bewusstsein hat es vor allem der „Kaiserwalzer“ von Johann Strauß Sohn gebracht (Siehe S. 66).

Kaiser Franz Joseph im Porträt

Auch in den bildenden Künsten lässt sich eine fast ungebrochene Konjunktur des Kaiserbildes aufzeigen: vom militärischen Porträt eines Anton Einsle (1801–1871) bis zu den väterlichen Altersporträts, die den gütigen Kaiser mit Backenbart als „österreichisches Antlitz“ (Felix Salten, S. 60) schlechthin zeigen. Die im Belvedere nunmehr ausgestellten Bildnisse u. a. von Edmund Pölz (1864–?), Tom von Dreger (1868–1948) und John Quincy Adams (1877–1933) demonstrieren die Bandbreite vom Uniformbild, vom ganzfigurigen Bildnis im Ornat vom Orden des Goldenen Vlies‘, der als ältester habsburgischer Hausorden auf die lange Tradition des Erzhauses verweist, bis zum nahsichtigen Altersporträt. Die Uniform verweist zugleich auf Franz Josephs ausgeprägtes „soldatisches Bewusstsein“ sowie auf die Aufwertung des Heeres „als Hauptstütze des Thrones“, während der Ornat des Ordens vom Goldenen Vlies vor allem in Denkmälern und Porträts für öffentliche Gebäude als Bekleidung gewählt wurde (S. 17). Das Bildnis von Edmund Pölz kam aus dem Oberlandesgericht Wien in die Sammlung des Belvedere. An den Porträts fällt auf, dass das Porträt des Kaisers seinen „Charakter“ hinter einem maskenhaften Antlitz verbirgt. Die unterschiedlichen Charaktereigenschaften des Regenten (z. B. spartanische Disziplin, Genügsamkeit, strenger Arbeitsablauf) werden weniger in den Porträts deutlich als vielmehr in literarischen Beschreibungen deutlich. So sehr Franz Joseph naturgemäß im Fokus der Künste stand, so wenig können Bilder seiner Gemahlin Elisabeth auf Grund deren zunehmender Zurückgezogenheit zur Seite gestellt werden. Die Kaiserin verschwand zunehmend nicht nur von der Bildfläche, sondern auch aus den Medien und den bildenden Künsten.

Wie Werner Telesko ausführt, standen nicht nur Porträts im Zentrum kaiserlicher Propaganda, sondern auch Lebensereignisse wie das Attentat auf den Kaiser (1853), die Hochzeit mit Elisabeth (1854), die ungarische Krönung incl. Liszts „Krönungsmesse“ (1867), die „Silberhochzeit“ mit dem „Makart-Festzug“ (1879), die Kaiserjubiläen von 1898 und 1908 bis zu Tod und Begräbnis 1916. Der Musikhistoriker Stefan Schmidl ergänzt die Lise einprägsamer Momente um die dazu entstandenen Kompositionen. Alle die zu diesen Anlässen entstandenen Bilder und Musikstücke verherrlichten den Herrscher und verbanden ihn mit der langen Tradition der Habsburger.

Wirkmächtiges Nachleben

Der alte Kaiser gilt heute als Synonym für die Monarchie schlechthin. Auf dieser Basis ist er ein Garant für die ständige Präsenz der Habsburgermonarchie in der Öffentlichkeit – und wird im Wiener Fremdenverkehr erfolgreich kapitalisiert. Dazu trug neben der zeitgenössischen Publikationstätigkeit und Bildproduktion die Literatur der Zwischenkriegszeit bei. Autoren und Filmemacher verklärten Franz Joseph zu einem überpolitischen, supranationalen, tugendhaften und charismatischen Regenten (S. 98). Grund dafür war die missliche Situation der 20er und 30er Jahre. Franz Werfel und Joseph Roth im „Radetzkymarsch“ (1932) prägten genauso wie die „Habsburger-Operetten“ ein überaus positives Bild der Habsburger, während Karl Kraus Kritik an der „Nichtpersönlichkeit“ des Kaisers übte. Zu den erfolgreichsten Werken franzisko-josephinischer Nostalgie zählt zweifellos die filmische Adaption der Operette „Sissys Brautfahrt“ (1931) von Ernst Decsey und Gustav Holm, das als Singspiel „Sissy“ (1932) mit Ernst und Hubert Marischka sowie Musik von Fritz Kreisler zum romantischen Kassenschlager geworden war. Die „Sissi-Filme“ (1955–1957) unter der Regie von Ernst Marischka inszenieren einen bartlosen, jugendlichen, vor allem aber unpolitischen Helden in einem romantischen Märchen.

Während sich die Kaiserin den Strategien der „Verklärung“ aktiv entzog, spielten für die Regentschaft von Kaiser Franz Joseph die Zeugnisse von Bild- und Musikpolitik eine herausragende Rolle. Um die Wahrnehmung des „ewigen Kaisers“ verstärkt auf seine politischen Entscheidungen zu lenken, schien es nötig, die Strategien der Mythisierung und Auratisierung zu durchleuchten und gegebenenfalls zu dekonstruieren. Im Gedenkjahr 2016 ist diese Herangehensweise von Werner Telesko und Stefan Schmidl eine erfrischende, weil bis ins späte 20. Jahrhundert reichende Analyse, die historische Wegmarken mit aktuellen Repräsentationen des Herrscherhauses Habsburg in Tourismus und Ausstellungsprogrammatik verbindet.

Franz Joseph, der Politiker

In vielerlei Hinsicht kann Franz Joseph als typischer Habsburger bezeichnet werden, da er einerseits die Politik seines Hauses über alles stellte und andererseits zu spät und zu langsam auf internationale Trends reagierte. Daraus wird deutlich, dass er brutalen Machtpolitikern wie Bismarck und Napoleon III. letztlich wenig entgegenzusetzen hatte. Die Herausforderungen, vor denen sich das junge Kaisertum Österreich befand, waren in der Tat gewaltig: Nach der Niederschlagung der Revolution von 1848, die Franz Joseph den Thron bescherte, wurde die Nationalitätenfrage zu einem Dauerthema. Ihre Bedeutung wird häufig auch als Grund für den Untergang der Dynastie angeführt. Der politische „Überlebenskünstler“ Franz Joseph zeigt sich insbesondere in den zahllosen Ministerpräsidenten, die der Herrscher „verbrauchte“. Franz Joseph war nicht, wie oft zu lesen, ein engstirniger Konservativer, sondern durchaus jemand, der mit unterschiedlichen Fraktionen Regierungs- und Verfassungsexperimente wagte. Dazu gehört ohne Zweifel auch die Einführung des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts für Männer im Jahr 1907. Kaiser Franz Joseph I. dürfte also relativ rasch gespürt zu haben, dass der Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn eine einigende Klammer benötigte. Diese wurde im Laufe der Jahrzehnte mit der Person des Herrschers identifiziert. Deswegen gewann die bildliche Präsenz des Herrschers im öffentlichen und privaten Raum eine so hohe Bedeutung, die weit über die üblichen Visualisierungen von Herrschern im 19. Jahrhundert hinausging.

Gesamteuropäisch betrachtet, ist Franz Joseph sicher ein spektakulärer Ausnahmefall. Während andere Herrscher durch Schlachten und Kriege ihr Reich verloren (Napoleon III.), behielt Franz Joseph trotz zahlreicher politischer und militärischer Niederlagen – zu erwähnen wäre hier die persönliche militärische Niederlage in der Schlacht bei Solferino am 24. Juni 1859 – bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs das Kommando über sein Reich. In dieser Diskrepanz zwischen politischer Realität und nicht enden wollender Präsenz des Herrschers dürfte einer der Ursachen für den beachtlichen „Ruhm“ des Herrschers liegen. Jede Beschäftigung mit Franz Joseph ist somit nicht nur eine Auseinandersetzung mit einer individuellen Persönlichkeit, sondern zugleich mit dem weiten Feld des Regierens schlechthin.

Franz Joseph und die Kunst im Fin de siècle

Die kulturelle Produktion erfuhr während der Regierungszeit von Seiten Franz Josephs keine nachhaltige Förderung. Die privaten Ankaufslisten zeigen, dass vor allem Genre- und Tiermalerei das Interesse des Kaisers erweckten. Die einmalige Blüte der Wiener Kultur im Fin de siècle besitzt damit ihren Ursprung nicht in Franz Joseph, sondern in der unikalen Bürger- und Adelskultur des Vielvölkerreiches. Franz Joseph ermöglichte jedoch institutionelle Rahmenbedingungen, die sich im Bau der Hofmuseen sowie in der 1903 neu eingerichteten Modernen Galerie im Unteren Belvedere manifestieren. Der persönliche Kunstgeschmack des Kaisers ist hingegen als äußerst konservativ zu bezeichnen. Was er zum Erwerb des „Kußes“ von Gustav Klimt (1862–1918) aus der Kunstschau 1908 dachte, ist allerdings genauso wenig dokumentiert wie zu allen anderen Kunstäußerungen.

Das Belvedere ergänzt seine Schausammlung bis 11.12.2016 um einige Porträts des Kaisers und der Kaiserin (u. a. von Franz Xaver Winterhalter und Anton Romako) und markiert jene Werke, die während der langen Regierungszeit Franz Josephs I. erworben wurden. Wie eingangs schon angedeutet, handelte es sich bei den wenigsten um persönliche Favoriten des Kaisers – vor allem angesichts der heute so berühmten Maler der Wiener Moderne.

Kaiser Franz Joseph I. und Kaiserin Elisabeth: Bilder

  • Anton Einsle, Kaiser Franz Joseph I. in der Galauniform eines österreichischen Feldmarschalls, 1851, Öl auf Leinwand, 250 × 163 cm, Dauerleihgabe Bundeskanzleramt, Foto: © Belvedere, Wien.
  • Franz Xaver Winterhalter, Kaiserin Elisabeth, undatiert, Öl auf Leinwand, 236 x 164 cm (© Belvedere, Wien, Foto © Áment Gellért)
  • Anton Romako, Kaiserin Elisabeth mit Bernhardinerhund, 1883, Öl auf Holz, 135 x 85 cm (© Belvedere, Wien)
  • Edmund Pölz, Kaiser Franz Joseph I. im Ornat des Ordens vom Goldenen Vlies, 1893, Öl auf Leinwand, 205 x 114 cm (© Belvedere, Wien)
  • Anton Scharff, Medaille der Ersten Österreichischen Sparkasse auf das 50jährige Regierungsjubiläum Kaiser Franz Josephs I., 1898, Bronze, 21 x 11,5 x 10 x 8 cm, Belvedere, Wien, Foto: © Belvedere, Wien.
  • Franz Metzner, Modell für ein Reiterdenkmal Kaiser Franz Josephs I. 1908, Bronze, 63,5 × 60 × 22 cm, Belvedere, Wien, Foto: © Belvedere, Wien.
  • Tom von Dreger, Kaiser Franz Joseph I., 1913, Öl auf Leinwand, 140 x 110 cm (© Belvedere, Wien)
  • John Quincy Adams, Kaiser Franz Joseph I., 1914, Öl auf Leinwand, 107,5 x 83 cm (© Belvedere, Wien, Inv.-Nr. 2633)
  • Gustav Klimt, Der Kuss, 1908, Öl auf Leinwand, 180 x 180 cm (© Belvedere, Wien)

Werner Telesko, Stefan Schmidl und Christoph Schmetterer im Gespräch mit Alfred Weidinger

Österreich / Wien: Oberes Belvedere
Gespräch incl. Buchpräsentation: 1.7.2016 um 16:30

Werner Telesko & Stefan Schmidl: Der verklärte Herrscher.

Leben, Tod und Nachleben Kaiser Franz Josephs I. in seinen Repräsentationen
2016, 133 Seiten, geb.
ISBN 978-3-7069-0877-1
€ [A] 19,90 / € [D] 19,40
Praesens Verlag

Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.