Georg Eisler (1928–1998) gehörte zu den wenigen österreichischen, jüdisch-stämmigen Künstlern, die nach dem Zweiten Weltkrieg wieder nach Wien zurückkehrten. Der Sohn des Komponisten du Brecht-Mitarbeiters Hans Eisler und der Sängerin bzw. Gesangspädagogin Charlotte Eisler wurde in England – u. a. von dem emigrierten Oskar Kokoschka (1886–1980) – zum Künstler ausgebildet. In Wien zurück prägte ihn der Abendakt von Herbert Boeckl (1894–1966). Als Vertreter einer expressiven und vor allem figurativen Richtung wurde der Maler und Grafiker auch als Bühnen- sowie Kostümbildner, vor allem aber als Aktzeichner geschätzt.
Österreich | Salzburg: Rupertinum
18.11.2017 – 8.4.2018
Seine Lehrtätigkeit führte Eisler bis in die Vereinigten Staaten, an die Wiener Akademie wurde er hingegen nie berufen. Neben Alfred Hrdlicka (1928–2009 → Alfred Hrdlicka), Fritz Martinz (1924–2002) und Rudolf Schönwald (* 1928) gilt Georg Eisler als Garant einer gesellschaftspolitischen, kritischen Kunst, die im Rupertinum, Salzburg, vor allem in Bildern von Demonstrationen, politischen Auseinandersetzungen, Jazzclubs, Erotik-Etablissements zeigt aber auch als Porträtist seiner engsten Weggefährten – darunter seine Mutter, Karl Stark, Erich Fried, Friederike Mayröcker, Alfred Hrdlicka und der Fotograf Henri Cartier-Bresson.
Georg Eislers „Welt-Anschauung“ ist in allen Werken deutlich spürbar – sowohl seine Herkunft aus einer sozialistisch geprägten Familie wie auch sein Exil in Großbritannien während des Zweiten Weltkriegs. Zu den prägenden Erinnerungen seiner Jugend zählte der große Angriff der deutschen Luftwaffe auf Manchester: „Als wir nach der Entwarnung […] vor die Haustür traten, war der nächtliche Himmel rot.“ Sein Gemälde „Wartime“ vermittelt noch 1987 einen Eindruck von diesem Bombardement am 23. Dezember 1940, das von den Engländerinnen und Engländern ironisch als „Christmas Blitz“ bezeichnet wurde. Exil, Heimkehr in das zerstörte Wien, österreichische Nachkriegskunst und das eigene Kunstwollen reflektiert der Maler zeitlebens in direkten Worten. So veröffentlicht Patrik Werkner im Ausstellungskatalog (HIRMER) erstmals ein Gespräch mit dem Künstler aus dem Jahr 1982, in dem Eisler seine Ansichten höchst selbstbewusst vermittelt.
Der von den Bombardements Manchesters durch die deutsche Luftwaffe deutlich geprägte Künstler arbeitete zeitlebens, so scheint es, in Grautönen. Farbige Tupfer bringen Leben und Lokalfarben ins Spiel, wenn es dem Maler um Kleidung und Menschenmassen geht. Die abstrahierende Zugangsweise erinnert immer wieder an die sogenannte London School um Francis Bacon (1909–1992), Lucian Freud (1922–2011) und Frank Auerbach (* 1931), mit der Georg Eisler das Festhalten an der Figuration verbindet. Im Gegensatz zum psychologisierenden Expressionismus von Kokoschka und Schiele vor dem Ersten Weltkrieg sowie dem sogenannten Farbexpressionismus der Zwischenkriegszeit analysierte Eisler ab den 1950er Jahren Menschen und Gesellschaft, in der er lebte.
Vielleicht war es die Lektüre von Elias Canettis „Masse und Macht“ (1960), die Georg Eisler anfangs dazu animierte, sich mit Menschenmengen in Paris zu beschäftigen. Doch seine Bilder wirken gänzlich anders als die Straßenbilder der Impressionisten. Nicht nur die Farbigkeit ist düsterer, auch die Figuren zur anonymen Masse – ohne Flaneure und beobachtende Geher – geworden. Ihn schien weniger das Individuum als das Aufgehen Einzelner in der Menge interessiert zu haben. Verwischte Gesichter und „scharfe“ Antlitze wechseln unvermittelt miteinander ab. Gleichzeitig verdeutlicht er Einsamkeit über Voyeurismus: „Der Kontakthof“ (1971), „Topless Bar“ (1974) und „Espresso B“ (1982) sind nur drei Beispiele moderner Beziehungsformen zwischen Ökonomie, Öffentlichkeit und Privatheit. Schonungslos, offen und gleichzeitig verhalten schildert Georg Eisler das Verhalten der männlichen Kundschaft vor den grell ausgeleuchteten Prostituierten.
„Der langgestreckte Raum mit seinen vielen Unterteilungen, die parallel zum Boden unterbrochen verlaufende Ebene der hellen Marmortische, die großen nach oben abgerundeten Fenster, die zahlreichen Lampen und Spiegel und das Rot der Polsterungen. Dazu die behangenen Kleiderständer: urbane Vogelscheuchen. Die Kojen bilden angedeutete Behausungen, sie umhüllen den einzelnen Zeitungsleser, die Freunde im Gespräch, das Liebespaar. Es ist immer viel Raum um die Menschen. Auch wenn die einzelnen Gäste und kleinen Gruppen in unmittelbarer Nähe voneinander angesiedelt scheinen, trennen sie doch unüberbrückbare Zwischenräume. Das Kaffeehaus ist kein Ort der größeren Gemeinschaft, sondern einer der Abkapselung.“1 (Georg Eisler über das Café Sperl 1976)
Ende der Sechzigerjahre, genauer die Studentenrevolten im Mai 1968, gefolgt vom Prager Frühling, finden Motiv und Künstler erneut auf der Straße zueinander. Deutlich politischer geht Eisler aus den Demonstrationen heraus, zu sehr hatten ihn die aktuellen Ereignisse an den Februaraufstand 1934 in Wien erinnert. Wie ein Generalbass begleiten die Übermacht des Staatsapparates und die Ohnmacht des Einzelnen Eisler auf seiner künstlerischen Reise. Ob in Belfast 1971, „Konfrontation: Wir sind alle Brüder“ 1973, „Straßenkampf“ 1974 oder „Am Gare Montparnasse“ 1978 immer geht es um namenlose Gewalt, häufig der Exekutive gegen das Volk – nie um Heldenverehrung. Symbol für den Straßenkampf wird die Uniform der Polizei, deren anonymes Verschanzen hinter Visieren, Helmen und Plastikschildern. Nur „Abendliche Demo in D. III“, 1989 kurz vor Ende der DDR in Dresden beobachtet, lässt die große Menge friedlich Dahinziehender unter deutscher Flagge erahnen. Rasche Skizzen vor Ort – beispielsweise im Dezember 1989 in Ostberlin und Dresden – setzte er im Atelier in Gemälde um.
„Als Realist oder wie immer man das nennen will, stand man nicht in sehr gutem Geruch, man durfte nicht mit den braven Buben spielen, man war von vornherein dem Verdacht ausgesetzt, ein ganz böser sozialistischer Realist zu sein, und altmodisch – in einer Zeit, wo nur das Abstrakt als zukunftsweisen und die universelle Sprache galt.“2 (Georg Eisler über die Kunst der Nachkriegszeit in Österreich)
Mit der Retrospektive auf das Werk von Georg Eisler unternimmt das Rupertinum auf Initiative von Beatrice von Bormann eine Reise in die jüngere Kunstgeschichte Österreichs. Georg Eisler zählte zu den wenigen Vertriebenen, die nach dem Zweiten Weltkrieg wieder zurückkehrten, und dessen lebenslange Verbindung nach England seinem Engagement als Präsident der Wiener Secession und Ausstellungskurator zugutekam. Eigentlich, so sollte man meinen, müsste der Maler bekannter sein. Populär ist sein Werk nicht, soviel lässt sich sagen; vermutlich wegen des deutlich politischen Inhalts. Dieser ist jedoch ins Allgemeine transponiert, enttarnt häufig die prügelnde Staatsmacht und prangert selten direkt an. Die in fünf thematischen Kapiteln gehängte Schau lädt ein, sich mit einem bewussten Anti-Avantgardisten zu beschäftigen. Und einen Strang der österreichischen Kunstgeschichte zu entdecken, der mitnichten dem inzwischen gängigen Kanon der Ismen folgt.
Kuratiert von Barbara Herzog, Christina Penetsdorfer, Tina Teufel. Initiiert von Beatrice von Bormann.