Georg Eisler

Wer war Georg Eisler?

Georg Eisler (Wien 20.4.1928–15.1.1998 Wien) war ein österreichischer Maler. Er gehörte zu den wenigen jüdisch-stämmigen Künstlern, die nach dem Zweiten Weltkrieg wieder nach Wien zurückkehrten. Der Sohn des Komponisten und Brecht-Mitarbeiters Hans Eisler und der Sängerin bzw. Gesangspädagogin Charlotte Eisler wurde in England – u. a. von dem emigrierten Oskar Kokoschka (1886–1980) – zum Künstler ausgebildet. In Wien zurück prägte ihn der Abendakt von Herbert Boeckl (1894–1966). Als Vertreter einer expressiven und vor allem figurativen Richtung wurde der Maler und Grafiker auch als Bühnen- sowie Kostümbildner, vor allem aber als Aktzeichner geschätzt.

Seine Lehrtätigkeit führte Eisler bis in die Vereinigten Staaten, an die Wiener Akademie wurde er hingegen nie berufen. Neben Alfred Hrdlicka (1928–2009), Fritz Martinz (1924–2002) und Rudolf Schönwald (*1928) gilt Georg Eisler als Garant einer gesellschaftspolitischen, kritischen Kunst, die vor allem in Bildern von Demonstrationen, politischen Auseinandersetzungen, Jazzclubs, Erotik-Etablissements zeigt aber auch als Porträtist seiner engsten Weggefährten – darunter seine Mutter, Karl Stark, Erich Fried, Friederike Mayröcker, Alfred Hrdlicka und der Fotograf Henri Cartier-Bresson.

Kindheit

Georg Eisler wurde am 20. April 1928 in Wien als Sohn des jüdischen Komponisten und Schönberg-Schülers Hans Eisler (1898–1962) und der Sängerin Charlotte Eisler (geb. Demant, 1894–1970) geboren. Eislers Eltern sind überzeugte Kommunisten und politisch aktiv. 1935 ließen sich Eislers Eltern scheiden. Hans Eisler emigrierte in die USA.

Charlotte Eisler zog 1936 mit dem 8-jährigen Georg nach Moskau, da sie dort beim staatlichen Musikverein MUSGIS eine Arbeit angenommen hatte. Georg besuchte die deutschsprachige Karl-Liebknecht-Schule, nach deren Schließung er an eine russische Schule wechseln musste. Nach 20 Monaten wurde die Aufenthaltsgenehmigung nicht mehr verlängert. Charlotte Eisler und ihr Sohn mussten die UdSSR verlassen und nach Wien zurückkehren. Die Heimreise von Mutter und Sohn Eisler endete 1938/39 in Prag, da zwischenzeitlich Österreichs Anschluss an das Deutsche Reich erfolgt war.

Im März 1939 gelang Charlotte und Gerog Eisler die Ausreise nach England. Charlotte und Georg Eisler erreichten Southampton, sechs Monate bevor der Zweite Weltkrieg ausbrach. Charlotte Eisler ließ sich im August in Manchester nieder, der Kriegsausbruch stand unmittelbar bevor. Georg wurde mit anderen Kindern nach Cheadle Hulme evakuiert. Er kam beim wohlhabenden aber kinderlosen Paar John und Ethel Boarman unter. Mit deren Unterstützung konnte Georg Eisler die Secondary School im Industrievorort Stockport besuchen.

Weil er seine Mutter vermisste, zog Georg Eisler wieder zu seiner Mutter zurück. Er wurde an die Central High School for Boys eingeschult. Es scheiterten alle Pläne, Georg Eisler zu seinem Vater in die USA zu schicken. Die schweren Bombenangriffe der NS-Luftwaffe auf Manchester erlebte er mit. Lernte die Kunsthistorikerin Margaret H. Bulley kennen. Sein bereits vorhandenes Interesse an der Kunst wurde durch sie gefördert. Bulley ermöglichte mit Einwilligung der Mutter ein Kunststudium an der Stockport School of Art. Georg war mit 14 Jahren der jüngste Student.

Ausbildung

Georg Eiser begann 1944 mit 16 Jahren das Kunststudium an der Manchester School of Art und setzte es an der Salfort School of Art fort. Zwischenzeitlich lernte er bei einem Besuch in London den dort im Exil lebenden Maler Oskar Kokoschka kennen. Kokoschka gab Georg Eisler Privatunterricht, der ihn nachhaltig prägte. Erste Ausstellungsbeteiligungen in der Foyle’s Gallery in London. Dort stellten in England lebende österreichische Künstler aus: u. a. Georg Ehrlich (1897–1966), Gerhart Frankl (1901–1965), Siegrfried Charoux (1896–1967). Eisler freundete sich mit dem 21-jährigen Dichter Erich Fried (1921–1988) an, die Freundschaft hielt ein Leben lang. Beide wurden Mitglieder der Emigrationsorganisation Young Austria. Eisler erhielt finanzielle Unterstützung durch Margaret H. Bulley.

Rückkehr nach Wien

Im Mai 1945, kurz nach Kriegsende, zogen Georg Eisler und seine Mutter nach London, um sich auf ihre Rückkehr nach Wien vorzubereiten. Georg Eisler war höchst beeindruckt von der Pablo Picasso und Henri Matisse-Ausstellung im Victoria & Albert Museum. Eislers erste Einzelausstellung im Internationalen Club in Manchester mit Gemälden, Zeichnungen und Radierungen fand im Mai 1936 statt. Vor seiner Rückreise nach Österreich sah er noch eine Ausstellung mit Arbeiten von James Ensor in der National Gallery in London, wo er wichtige Impulse erhielt. Im September kehrte Georg Eisler nach zehn Jahren im Exil in das zerstörte Wien zurück.
An der Akademie der bildenden Künste wurde er nur von Herbert Boeckl angenommen, vielleicht weil er ein Empfehlungsschreiben von Oskar Kokoschka hatte. Für mehr als zehn Jahren besuchte Eisler den Abendakt von Boeckl und lernte dort Alfred Hrdlicka, Rudolf Schönwald und Fritz Martinz kennen. Mit diesen blieb er lebenslang freundschaftlich verbunden.

Georg Eisler musste sich mit verschiedenen Tätigkeiten den Lebensunterhalt verdienen, daneben widmete er sich intensiv der künstlerischen Tätigkeit. 1947 nahm er an der Ausstellung „Erste Große Österreichische Kunstausstellung“ im Künstlerhaus teil und im folgenden Jahr an der Ausstellung „Formen und Wege“ im Konzerthaus. Der Maler sah eine Ausstellung des Expressionisten Richard Gerstl und die Schau „Classiques de la Peinture Française moderne“ mit Werken von Giorgio de Chirico, Max Ernst, Salvador Dalí, Pablo Picasso und Fernand Léger im Kunstgewerbemuseum (heute: MAK – Museum für angewandte Kunst). Hans Eisler musste aus politischen Gründen die USA verlassen und kehrte nach Europa zurück. Georg hielt Kontakt zu seinem Vater, der zeitlebens zwischen Wien und Ostberlin pendelt.

Werke

Georg Eisler malte 1950 seine ersten politischen Bilder: „Wofür wir kämpfen“. Damit nahm er Bezug auf den Korea-Konflikt. Er beschäftigte sich bis zu seinem Tod immer wieder mit weltpolitischen Ereignissen, vor allem gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Volk und Staat führen zur Bildproduktion (Ungarn-Aufstand, Studentenproteste, Aufstand in der Tschechoslowakei 1968, Ausschreitungen in England 1981, „Friedliche Revolution“ 1989).

1953 unternahm der Maler seine erste Italienreise, wo er sich mit den Originalen der Renaissancemalerei auseinandersetzte: Kompositionen nach Tizian, Paolo Veronese, Jacopo Tintoretto hielt er in mehreren Skizzenbüchern fest. Ausstellung „Eisler, Escher, Hrdlicka, Martinz, Schönwald“ im Circolo di Cultura in Bologna und der Galleria il Torcogliere in Rom. Einflüsse durch Francisco de Goya, William Hogarth (Grafik), Max Beckmann und Francis Bacon ( 1909–1992 Malerei) sowie Bert Brecht und Ernst Bloch (Literatur).

Georg Eislers „Welt-Anschauung“ ist in allen Werken deutlich spürbar – sowohl seine Herkunft aus einer sozialistisch geprägten Familie wie auch sein Exil in Großbritannien während des Zweiten Weltkriegs. Zu den prägenden Erinnerungen seiner Jugend zählte der große Angriff der deutschen Luftwaffe auf Manchester: „Als wir nach der Entwarnung […] vor die Haustür traten, war der nächtliche Himmel rot.“ Sein Gemälde „Wartime“ vermittelt noch 1987 einen Eindruck von diesem Bombardement am 23. Dezember 1940, das von den Engländerinnen und Engländern ironisch als „Christmas Blitz“ bezeichnet wurde. Exil, Heimkehr in das zerstörte Wien, österreichische Nachkriegskunst und das eigene Kunstwollen reflektiert der Maler zeitlebens in direkten Worten.

Expressive Gesellschaftsanalyse

Der von den Bombardements Manchesters durch die deutsche Luftwaffe deutlich geprägte Künstler arbeitete zeitlebens, so scheint es, in Grautönen. Farbige Tupfer bringen Leben und Lokalfarben ins Spiel, wenn es dem Maler um Kleidung und Menschenmassen geht. Die abstrahierende Zugangsweise erinnert immer wieder an die sogenannte London School of Painting um die Maler Francis Bacon, Lucian Freud (1922–2011) und Frank Auerbach (* 1931), mit der Georg Eisler das Festhalten an der Figuration verbindet. Im Gegensatz zum psychologisierenden Expressionismus von Kokoschka und Schiele vor dem Ersten Weltkrieg sowie dem sogenannten Farbexpressionismus der Zwischenkriegszeit analysierte Eisler ab den 1950er Jahren Menschen und Gesellschaft, in der er lebte.

Vielleicht war es die Lektüre von Elias Canettis „Masse und Macht“ (1960), die Georg Eisler anfangs dazu animierte, sich mit Menschenmengen in Paris zu beschäftigen. Doch seine Bilder wirken gänzlich anders als die Straßenbilder der Impressionisten. Nicht nur die Farbigkeit ist düsterer, auch die Figuren zur anonymen Masse – ohne Flaneure und beobachtende Geher – geworden. Ihn schien weniger das Individuum als das Aufgehen Einzelner in der Menge interessiert zu haben. Verwischte Gesichter und „scharfe“ Antlitze wechseln unvermittelt miteinander ab. Gleichzeitig verdeutlicht er Einsamkeit über Voyeurismus: „Der Kontakthof“ (1971), „Topless Bar“ (1974) und „Espresso B“ (1982) sind nur drei Beispiele moderner Beziehungsformen zwischen Ökonomie, Öffentlichkeit und Privatheit. Schonungslos, offen und gleichzeitig verhalten schildert Georg Eisler das Verhalten der männlichen Kundschaft vor den grell ausgeleuchteten Prostituierten.

„Der langgestreckte Raum mit seinen vielen Unterteilungen, die parallel zum Boden unterbrochen verlaufende Ebene der hellen Marmortische, die großen nach oben abgerundeten Fenster, die zahlreichen Lampen und Spiegel und das Rot der Polsterungen. Dazu die behangenen Kleiderständer: urbane Vogelscheuchen. Die Kojen bilden angedeutete Behausungen, sie umhüllen den einzelnen Zeitungsleser, die Freunde im Gespräch, das Liebespaar. Es ist immer viel Raum um die Menschen. Auch wenn die einzelnen Gäste und kleinen Gruppen in unmittelbarer Nähe voneinander angesiedelt scheinen, trennen sie doch unüberbrückbare Zwischenräume. Das Kaffeehaus ist kein Ort der größeren Gemeinschaft, sondern einer der Abkapselung.“1 (Georg Eisler über das Café Sperl 1976)

Politischer Künstler, politische Bilder

Ende der Sechzigerjahre, genauer die Studentenrevolten im Mai 1968, gefolgt vom Prager Frühling, finden Motiv und Künstler erneut auf der Straße zueinander. Deutlich politischer geht Eisler aus den Demonstrationen heraus, zu sehr hatten ihn die aktuellen Ereignisse an den Februaraufstand 1934 in Wien erinnert. Wie ein Generalbass begleiten die Übermacht des Staatsapparates und die Ohnmacht des Einzelnen Eisler auf seiner künstlerischen Reise. Ob in Belfast 1971, „Konfrontation: Wir sind alle Brüder“ 1973, „Straßenkampf“ 1974 oder „Am Gare Montparnasse“ 1978 immer geht es um namenlose Gewalt, häufig der Exekutive gegen das Volk – nie um Heldenverehrung. Symbol für den Straßenkampf wird die Uniform der Polizei, deren anonymes Verschanzen hinter Visieren, Helmen und Plastikschildern. Nur „Abendliche Demo in D. III“, 1989 kurz vor Ende der DDR in Dresden beobachtet, lässt die große Menge friedlich Dahinziehender unter deutscher Flagge erahnen. Rasche Skizzen vor Ort – beispielsweise im Dezember 1989 in Ostberlin und Dresden – setzte er im Atelier in Gemälde um.

„Als Realist oder wie immer man das nennen will, stand man nicht in sehr gutem Geruch, man durfte nicht mit den braven Buben spielen, man war von vornherein dem Verdacht ausgesetzt, ein ganz böser sozialistischer Realist zu sein, und altmodisch – in einer Zeit, wo nur das Abstrakt als zukunftsweisen und die universelle Sprache galt.“2 (Georg Eisler über die Kunst der Nachkriegszeit in Österreich)

Beiträge zu Georg Eisler

Georg Eisler, Selbstporträt, Im Atelier, 1989, Öl auf Leinwand, 80x100cm (Privatbesitz © Ressler Kunst Auktionen, Foto: Klaus-Dieter Weber)

Wien | Belvedere: Georg Eisler


Georg Eisler (1928–1998) lie sich unmittelbar vom Leben inspirieren. Persönliche Tage- und Arbeitsbücher geben Aufschluss über sein Ringen, diese prägenden Eindrücke spontan und ungezwungen auf der Leinwand festzuhalten. Wie nachhaltig und intensiv ihm das gelang, zeigt diese Im Blick-Ausstellung im Oberen Belvedere.
Georg Eisler, Espresso B, Detail, 1982, Öl/Lw (Museum der Moderne Salzburg, Schenkung des Georg und Alice Eisler-Stiftungsfonds für bildende Künstler und Komponisten, © Bildrecht, Wien 2017, Foto: Rainer Iglar)

Georg Eisler. Welt-Anschauung


Mit der Retrospektive auf das Werk von Georg Eisler unternimmt das Rupertinum auf Initiative von Beatrice von Bormann eine Reise in die jüngere Kunstgeschichte Österreichs. Georg Eisler zählte zu den wenigen Vertriebenen, die nach dem Zweiten Weltkrieg wieder zurückkehrten, und dessen lebenslange Verbindung nach England seinem Engagement als Präsident der Wiener Secession und Ausstellungskurator zugutekam. Eigentlich, so sollte man meinen, müsste der Maler bekannter sein.
  1. Zit. nach Beatrice von Bormann, Georg Eisler – Welt-Anschauung, in: Sabine Breitwieser (Hg.), Georg Eisler. Welt-Anschauung (Ausst.-Kat. Museum der Moderne Salzburg, 18.11.2017–8.4.2018), S. 18–33, hier S. 27.
  2. Zitiert nach: Patrik Werkner, Im Gespräch mit Gerog Eisler, in: Sabine Breitwieser (Hg.), Georg Eisler. Welt-Anschauung (Ausst.-Kat. Museum der Moderne Salzburg, 18.11.2017–8.4.2018), S. 34–41, hier S. 36.