0

John Everett Millais: Ophelia Ophelia Millais' als ertrinkende Schönheit

John Everett Millais, Ophelia, Detail, 1851/52, Öl/Lw, 76,2 x 111,8 cm (Tate Britain, London)

John Everett Millais, Ophelia, Detail, 1851/52, Öl/Lw, 76,2 x 111,8 cm (Tate Britain, London)

John Everett Millais' „Ophelia“ aus den Jahren 1851/52 gehört zu den bedeutendsten Gemälden des 19. Jahrhunderts. Naturbeobachtung im Extrem und einfühlende Interpretation machten die Komposition so erfolgreich. Die Analyse des Bildes zeigt die Meisterschaft des ehemaligen Wunderkindes. Als Mitbegründer der Präraffaeliten (eigentlich Preraphaelite Brotherhood, PRB) prägte Millais (1829–1896) die britische Moderne.

Ophelia

Shakespeares Drama „Hamlet“ ist der Stoff für dieses berühmte Historiengemälde aus der Tate Britain in London. Im Gegensatz zu den anderen Darstellungen der Ophelia im viktorianischen Zeitalter, ist Millais‘ „Ophelia“ weder ein tableaux vivant noch besonders dramatisch. Dennoch ist Millais‘ Wahl, Ophelia während des Ertrinkens zu zeigen, ein Novum in der britischen Malerei des 19. Jahrhunderts. Alle Spannung kommt aus der rücklings im Wasser treibenden Ophelia und der präzise geschilderten Natur. Die leuchtenden Blüten, die der todgeweihten oder bereits verstorbenen Ophelia gerade entgleiten, heben sich von den Gräsern und vom grünen Wasser ab.

John Everett Millais begann im Juli 1851 an diesem Gemälde zu arbeiten. Zwischen Juli und November hielt er sich mit William Holman Hunt in Ewell in der Nähe von Kingston upon Thames in Surrey auf. Beide malten dort die Landschaften, d.h. die Hintergründe ihrer Gemälde, die sie im folgenden Jahr zur Akademieausstellung einreichen wollten. Millais wählte eine Stelle am Hogsmill River bei Malden. Beim Malen im Freien litt er fürchterlich unter der Sonne.

„I sit tailor-fashion under an umbrella throwing a shadow scarcely larger than a halfpenny for eleven hours, with a child’s mug within reach to satisfy my thirst from the running stream beside me… am also in danger of beeing blown by the wind into the water, and becoming intimate with the feelings of Ophelia when that lady sank to muddly death.“ (John Everett Millais)

Mit „Ophelia“ gelang John Everett Millais seinen Stil von der Orientierung am Mittelalter seiner früheren präraffaelitischen Bilder zu einer poetischeren Konzeption von Natur und weiblicher Schönheit überzuführen. Die Gesamtanlage der Komposition ist denkbar einfach gehalten, die Details sind komplex. So zeigt Millais alle Blumen, die Königin Gertrud aufzählt, wenn sie in „Hamlet“ den Tod der Ophelia berichtet. Die realistisch gemalten Blüten bezeugen nicht nur das Interesse des Malers in Botanik und seine Liebe zum Detail, sondern dienen auch dazu, die Tragik des Vorfalls zu mildern.

Elizabeth Siddal war das Modell für Ophelia, wobei bezweifelt werden darf, dass es ihr besser erging als dem Maler. Ab Dezember 1851 wurde das Gemälde in London vollendet, weshalb Miss Siddal in einem Wasserbett liegen musste. Immerhin wurde ihre feuchte Bühne von unten mit Öllampen gewärmt! Als sich Elizabeth Siddal eine Erkältung zuzog, musste sich Millais von ihrem Vater einiges anhören und wurde sogar bedroht £ 50 Strafe zu zahlen. Nachdem das Werk fertiggestellt war, mussten jedoch alle zugeben, dass es das beste Porträt von Miss Siddal war, das jemals von ihr gemalt worden war. Zudem wurde es von den zeitgenössischen Kritikern hymnisch gefeiert und war auf vielen Ausstellungen zu sehen. Als John Everett Millais „Ophelia“ 1855 auf der Weltausstellung in Paris präsentierte, konnte er mit diesem Bild seinen internationalen Durchbruch als anerkannter Maler feiern.

Millais: Ophelia: Bild

  • John Everett Millais, Ophelia, 1851/52, Öl/Lw, 76,2 x 111,8 cm (Tate Britain, London)

Weitere Beiträge zu John Everett Millais

13. August 2017
John Everett Millais, The Blind Girl, Detail, 1854–1856, Öl/Lw, 82,6 x 62,2 cm (Birmingham Museums and Art Gallery)

John Everett Millais: The Blind Girl Naturschauspiel und Einfühlung

John Everett Millais "The Blind Girl" ist ein einfühlsames Bild eines blinden Mädchens und seiner Schwester nach heftigem Regen. Der Maleri zeigt die unterschiedlichen Reaktionen der beiden Jugendlichen: Die Sehende erspäht gerade den doppelten Regenbogen im Hintergrund, während ihre blinde Schwester mit allen anderen Sinnen die Welt um sich wahrnimmt.
13. August 2017
John Everett Millais, Christ in the House of His Partens or The Carpenter Shop [Christus im Haus seiner Eltern oder die Tischlerwerkstatt], Detail, 1849/50, Öl/Lw, 86,4 x 139,7 cm (Tate Britain, London)

John Everett Millais: Christus im Haus seiner Eltern Präraffaelitischer Realismus in christlicher Kunst

John Everett Millais' „Christus im Haus seiner Eltern“ (1849/50) schockerte das zeitgenössische Publikum. Als zu realistisch in seiner Malerei, aber auch zu kontroversiell in seiner theologischen Aussage wurde es vom Publikum, darunter Charles Dickens, verurteilt. Als eines der frühesten Gemälde nach Gründung der Präraffaeliten (Pre-Raphaelite Brotherhood) im Jahr 1848 setzte John Everett Millais (1829–1896) in ihm die unbedingte Naturtreue der Gemeinschaft um.
13. August 2017
John Everett Millais, Mariana, Detail, 1850/51, Öl auf Mahagoni, 59,7 x 49,5 cm (Tate Britain, London)

John Everett Millais: Mariana Einsamkeit und Verzeiflung in mittelalterlicher Atmosphäre

John Everett Millais (1829–1896) setzte 1850/51 mit „Mariana“ die Protagonistin aus Alfred Lord Tennysons gleichnamigen Gedicht in ein detailiertes Gemälde um. Die Analyse des Werks zeigt Millais Bedeutung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Allgemeinen und der Präraffaeliten (eigentlich Preraphaelite Brotherhood, PRB) im Besonderen.
13. August 2017
John Everett Millais, Ophelia, Detail, 1851/52, Öl/Lw, 76,2 x 111,8 cm (Tate Britain, London)

John Everett Millais: Werk und Leben Begründer der Präraffaeliten, Maler der Ophelia und Porträtist

John Everett Millais (1829–1896) gehört zu den bedeutendsten Malern Großbritanniens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und prägte als Mitbegründer der Präraffaeliten (eigentlich Preraphaelite Brotherhood, PRB) die britische Moderne.
24. November 2013
William Holman Hunt, The Awakening Conscience, 1853-1854, oil on canvas, 76.2 x 55.9 cm (30 x 22 in.)framed: 106 x 85.7 x 9.7 cm (41 3/4 x 33 3/4 x 3 13/16 in.), Tate. Presented by Sir Colin and Lady Anderson through the Friends of the Tate Gallery 1976.

Präraffaeliten. Eine Avantgarde-Bewegung? Viktorianische Avantgarde Teil 1

Unter dem Titel „Pre-Raphaelites. Victorian Avant-Garde“ zeigt die National Gallery in Washington die zweite Station der in London für die Tate Britain zusammengestellte Schau über die „Avantgarde des viktorianischen Zeitalters“. Obwohl die Bruderschaft der Präraphaeliten (Pre-Raphaelite Brotherhood) nur fünf Jahre bestand, war sie die einflussreichste Künstlervereinigung Großbritanniens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ihre Mitglieder hinterfragten den Kanon der akademischen Tradition und schufen Bilder einer mythischen Vergangenheit, tief empfundener Religiosität und von verführerischen Schönheiten. Den Kuratoren gelingt es für diese Wanderausstellung alle wichtigen Bilder aus englischen Sammlungen zu vereinen und im Katalog die wichtigsten Forschungsansätze der letzten 20 Jahre konzise zusammenzufassen!
24. November 2013
John Brett, Glacier at Rosenlaui, 1856, oil on canvas, 44.5 x 41.9 cm (17 1/2 x 16 1/2 in.), Tate. Purchased 1946.

Präraffaeliten: Das Ende der Bruderschaft Viktorianische Avantgarde, Teil 2

Ein wichtiger Aspekt der präraffaelitischen Malerei ist die überaus genaue Beschäftigung mit der Natur. Genaueste Beobachtung und detaillierte Schilderung der „Hintergründe“ stehen in vielen Gemälden in einem fast konkurrierenden Verhältnis zu den Figuren. John Ruskin und Anhänger des „gothic revival“ boten den jungen Künstlern in den 1840ern genauso wie die aufkommende Fotografie die theoretische Basis dafür. Mit zunehmendem Erfolg sollte jedoch die Bruderschaft ihre einigende Kraft verlieren und die Mitglieder ab 1853 eigene Wege gehen. Einige von ihnen wurden zu den Mitbegründern der Arts and Crafts-Bewegung.
25. November 2012
Dante Gabriel Rossetti, Lady Lilith, 1866–1868, Öl auf Leinwand, 96.5 x 85.1 cm, gerahmt: 134.6 x 121.9 x 7 cm, Delaware Art Museum, Samuel and Mary R. Bancroft Memorial, 1935.

Präraffaeliten am Ausstellungs- und Kunstmarkt Viktorianische Avantgarde Teil 4

Quasi ein „Muss“ jeder Avantgardebewegung im 19. und 20. Jahrhundert gehörte, dass sie für ihre ersten Werke heftigste Kritik einstecken mußte, um dann die Möglichkeiten in der Kunst dennoch zu revolutionieren. So auch die Praeraffaeliten! Ab 1849 stellten sie ihre farbintensiven, detailgenauen Bilder öffentlich aus und ab 1855 nahmen sie an internationalen Ausstellungen teil. Wenn sie auch den Kapitalismus inhaltlich anprangerten, so gelang es doch vielen, mit ihren Gemälden und den danach gestochenen Reproduktionen hohe Summen zu verdienen.
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.