Mit seinen kraftvollen und kompromisslosen Bildern erobert Steve McQueen im Frühjahr 2020 die Tate Modern, London. Der 1969 in West London geborene Foto- und Filmkünstler befassen sich in seinen Arbeiten mit dringenden Fragen zu Repräsentation, Identität, Geschichte und Erinnerung. Mit 14 Hauptwerken aus den Bereichen Film, Fotografie und Skulptur zeigt die Ausstellung die Tiefe von McQueens visueller Kunst. Die offene und dezidiert nicht chronologische Präsentation ist die erste seit seiner Verleihung des Turner-Preises und der ersten Retrospektive im ICA 1999. Daher fokussiert die Tate Moderne auf McQueens Werke der letzten 20 Jahre – ohne jedoch seinen Oskar-prämierten Film „12 Years a Slave“ (2013) zu zeigen.
Großbritannien | London: Tate Modern
13.2. – 11.5.2020
In den letzten 25 Jahren schuf Steve McQueen einige der innovativsten Videoarbeiten für Galerieräume sowie vier von der Kritik hochgelobte Kinofilme: „Hunger“ (2008), „Shame“ (2010), der oben bereits genannte „12 Years a Slave“ (2012) und „Widows“ (2018). Während seiner zwei Jahrzehnte dauernden Karriere hat McQueen wegweisende Herangehensweisen an das Filmemachen erweitert. Seine Werke veränderten, wie Künstler mit dem Medium arbeiten, und ergreifende Porträts von Zeit und Ort schaffen.
Die Tate Modern zeigt persönliche und intime Werke. Darunter befindet sich McQueens frühesten mit einer Super-8-Kamera gedrehten Film „Exodus“ (1992/97), der Migration und Multikulturalismus in seiner Heimatstadt London widerspiegelt. Der Film „7. November 2001“ zeigt den Cousin des Künstlers, Marcus. Dieser berichtet von dem tragischen Tag, an dem er versehentlich auf seinen eigenen Bruder geschossen und ihn dabei tödlich verletzt hat. Dazu gesellen sich eindringliche, großformatige Videoinstallationen wie „Western Deep“ (2002) und „Static“ (2009). „Western Deep“ wurde ursprünglich für die documenta XI in Auftrag gegeben und bietet eine intensive, unter die Haut gehende Untersuchung der Arbeitsbedingungen von Goldminenarbeitern in Südafrika. „Static“ hingegen zeigt Luftaufnahme der Freiheitsstatue und untersucht visuell eine vertraute und symbolträchtige Figur, die allerdings nur selten aus der Nähe betrachtet werden kann.
Zu den neueren Arbeiten in der Tate-Ausstellung gehört die Zweikanal-Videoinstallation „Ashes“ (2002–2015), die eine bewegende Hommage an einen jungen Fischer darstellt, den der Künstler 2002 in Grenada getroffen und gefilmt hat und der im folgenden Jahr von Drogendealern getötet wurde.
Zum ersten Mal in Großbritannien kann das Publikum „End Credits“ (2012) sehen – eine Hommage von McQueen an den afroamerikanischen Sänger, Schauspieler und Bürgerrechtler Paul Robeson (1898–1976). Nach einer erfolgreichen Karriere als Performer wurde Robeson in den 1950er Jahren auf die schwarze Liste gesetzt und vom FBI überwacht. Das Werk besteht aus fortlaufenden Dias der FBI-Berichte über Robeson mit einem Soundtrack von Stimmen, die aus den stark redigierten Dokumenten vorlesen.
In der Ausstellung wird auch „Weight“ 2016 zu sehen sein, eine Skulptur, die Artangel erstmals im kürzlich geschlossenen Reading Gaol ausstellte, in dem Oscar Wilde inhaftiert war und „De Profundis“ (1897) schrieb. „Weight“ besteht aus einem vergoldeten Moskitonetz über einem der Metallrahmen des Gefängnisses. Das Netzt erzeugt eine schimmernde Erscheinung, womit Steve McQueen die Beziehung zwischen Schutz und Einschluss, dem Körperlichen und dem Geistigen und der erlösenden Kraft der Vorstellungskraft untersucht.
Diese Ausstellung läuft gleichzeitig zu Steve McQueens neuestem Kunstwerk „Year 3“, das bis zum 3. Mai 2020 in der Tate Britain zu sehen ist. „Year 3“ zeigt ein episches Porträt von Londons Schülerinnen und Schülern der dritten Klasse und wurde durch eine Partnerschaft zwischen Tate, Artangel und A New Direction ermöglicht.
Kuratiert von Clara Kim, The Daskalopoulos Senior Curator, zusammen mit Fiontán Moran, Assistant Curator der Tate Modern. Die Ausstellung „Steve McQueen“ wird in Zusammenarbeit mit Pirelli HangarBicocca, Mailand, organisiert.