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München | Museum Brandhorst: Cage, Cunningham, Johns, Rauschenberg, Twombly 5 Freunde | 2025

Merce Cunningham, Robert Rauschenberg, John Cage, M.C. Richards, Bob Catoin und Jasper Johns, 1958

Merce Cunningham, Robert Rauschenberg, John Cage, M.C. Richards, Bob Catoin und Jasper Johns, 1958

Die Ausstellung Fünf Freunde. John Cage, Merce Cunningham, Jasper Johns, Robert Rauschenberg, Cy Twombly erzählt die Geschichte eines einflussreichen, aber oft übersehenen Netzwerks von fünf erfolgreichen und bekannten Künstlern. Während die Künstler einzeln große Anerkennung erfahren haben, sind ihre starken gegenseitigen Einflüsse, ihre freundschaftlichen, künstlerischen und romantischen Beziehungen, bisher weitgehend übersehen und unerforscht geblieben. Erstmals nimmt das Museum Brandhorst einen Künstlerkreis in den Fokus, der die Kunst der Nachkriegszeit in Musik, Tanz, Malerei, Skulptur und Zeichnung entscheidend geprägt hat.

Cage, Cunningham, Johns, Rauschenberg & Twombly in München

Sowohl individuell als auch gemeinsam haben die Künstler wichtige Rollen in der Nachkriegskunst gespielt und mit ihrer interdisziplinären Arbeit einen entscheidenden Beitrag zur Geschichte der Kunst, der Musik und des Tanzes geleistet. Bis heute prägen sie Generationen von Künstler:innen. John Cage (1912–1992), Merce Cunningham (1919–2009), Jasper Johns (*1930), Robert Rauschenberg (1925–2008) und Cy Twombly (1928–2011) schufen durch ihren intimen Austausch eine besondere Verbindung zwischen den künstlerischen Gattungen und Medien. Das Museum Brandhorst rückt damit Cy Twomblys Schaffen, das einen zentralen Sammlungsschwerpunkt darstellt, in ein neues Licht und situiert dessen Praxis erstmals im künstlerischen Umfeld seiner Anfänge.

Der theoretische Einfluss von John Cage auf Rauschenberg und Twombly, die Bühnenbilder von Rauschenberg und Johns für die Merce Cunningham Dance Company oder die formalen und inhaltlichen Dialoge zwischen Twombly, Rauschenberg und Johns werden nun erstmals Gegenstand einer groß angelegten Ausstellung. Die performative und kollaborative Dimension ihrer Praktiken zeugt von ihren gemeinsamen kulturellen Vorstellungen einer nicht-hierarchischen, multipolaren und antiimperialistischen Gesellschaft. In der Konzentration auf das Zusammenspiel der fünf Künstler reflektiert die Ausstellung auch, was es bedeutete, in den 1950er Jahren ein schwuler Künstler zu sein und wirft so ein neues Licht auf die Dynamik der Nachkriegskunst in den USA und darüber hinaus.

Es werden nicht nur die intellektuellen und politischen Affinitäten der fünf Künstler aufgezeigt, sondern auch die erstaunlich starken formalen und materiellen Ähnlichkeiten zwischen Partituren, Zeichnungen, Gemälden, Choreografien und (bewegten) Skulpturen. Kunstwerke, die in denselben Ateliers entstanden sind, treten zum ersten Mal im musealen Raum in Dialog. So wird der Austausch zwischen den Künstlern greifbar. In Kooperation mit Musik- und Tanzensembles werden Werke von Cage und Cunningham in der Ausstellung neu inszeniert und in der Gegenwart verankert.

 

Bilder, Geräusche und Bewegungen aus dem Alltag ergaben ein konzeptuelles Grundgerüst.

Während Cage und Cunningham bereits seit den frühen 1940er Jahren eine berufliche und romantische Beziehung führten, lernten sich Rauschenberg und Twombly im Frühjahr 1951 in New York kennen. Ab dem Sommer besuchten sie gemeinsam das legendäre Black Mountain College in North Carolina, wo Cunningham und Cage unterrichteten. Rasch entstanden dort enge Verbindungen zwischen den Vieren. Cage verfasste Texte zu den Künstlern, sammelte ihre Werke und seine Theorien flossen wiederum in deren Arbeiten ein. Bilder, Geräusche und Bewegungen aus dem Alltag, die mittels Zufallsoperationen verschränkt wurden, ergaben ein konzeptuelles Grundgerüst.

Am Black Mountain College arbeiteten Twombly und Rauschenberg gemeinsam an einer Serie von monochromen White Paintings – die bisher allein Rauschenberg zugeschrieben wurden. Nach einer gemeinsamen Reise durch Europa und Nordafrika 1952/53 teilten sie sich ein Atelier in der New Yorker Fulton Street. Hier entwickelten sie ihre jeweilige Formensprache: Rauschenberg in seinen Combine Paintings und Twombly in seinen graffitiähnlichen ‚Kritzeleien‘. Kurz darauf, 1954, kam Jasper Johns in den Freundeskreis. Bis 1961 arbeiteten Rauschenberg und Johns Seite an Seite und etablierten, was später als „Painting As Object“ kanonisiert wurde.

 

In Cunninghams Tänzen ist die Ästhetik des Camp präsent

Die Tanzperformances der Merce Cunningham Dance Company (MCDC) vermitteln den kollaborativen Geist der Künstler wohl am deutlichsten. Cage war bis zu seinem Tod 1992 musikalischer Leiter und zu Beginn auch Tourmanager der MCDC, die 1953 am Black Mountain College gegründet wurde. Von 1954 bis 1964 war Rauschenberg der künstlerische Leiter und als solcher verantwortlich für Beleuchtung, Kostüme und Bühnenbilder. Johns unterstützte ihn bis zu ihrer Trennung 1961 stets bei der Ausführung dieser Elemente und übernahm die Rolle des künstlerischen Leiters, nachdem sich Rauschenberg auf der World Tour 1964 mit Cunningham überworfen hatte. Auch er gestaltete Bühnenbilder, etwa 1968 in Zusammenarbeit mit Marcel Duchamp für die Choreografie Walkaround Time, oder 1970 die Kostüme für Second Hand, eine Huldigung an eine andere für Cage zentrale Bezugsfigur in der Geschichte der französischen Avantgarde: Erik Satie.

In Merce Cunninghams Tänzen ist auch die Ästhetik des Camp präsent, die sich durch Stilisierung und Übertreibung trivialkultureller Phänomene auszeichnet. So bedient sich der Choreograf an Tanzfiguren aus dem Vaudeville, Stepptanz oder Bewegungen aus dem American Football. Bei Antic Meet (1958) beispielsweise handelt es sich um eine burleske Komödie: Ein Mann verliebt sich in eine Gesellschaft, deren Regeln er nicht kennt, und versucht während der gesamten Choreografie vergeblich, sich in die Bewegungsmuster der restlichen Tanzenden (der Gesellschaft) einzugliedern.

Der Fokus der Ausstellung auf den freundschaftlichen und künstlerischen Beziehungen lässt die queeren Aspekte in ihrer Kunst hervortreten. In den Arbeiten finden sich zahlreiche versteckte Referenzen auf nicht-heteronormatives Begehren. Die Künstlergruppe brach mit der von Machismo geprägten Rhetorik der Abstrakten Expressionisten. Viele Werke in der Schau nehmen Bezug auf queere Protagonisten der Kunst-, Musik- und Literaturgeschichte, darunter Frank O’Hara, Hart Crane oder die antike Dichterin Sappho. Die Künstler verhandelten durch Codes ihre eigene Sexualität – und dies in der repressiven McCarthy-Ära.

Der politische Kontext des Kalten Kriegs und die zunehmende Technologisierung der Gesellschaft durchdrangen die Arbeiten aller fünf Künstler. Rauschenberg pflegte einen geradezu obsessiven Umgang mit amerikanischen (Macht-) Symbolen; Johns berühmteste Arbeiten sind Appropriationen der amerikanischen Flagge und Zielscheiben, die auf Staatsräson und Militärwesen verweisen; Cage beschäftigte sich mit dem Anarchismus bei Henry David Thoreau und war fasziniert von medientheoretischen Konzepten wie dem Global Village.

Twomblys vermeintlich entrückte Antikenbezüge in den Gemälden der 1960er Jahre rekurrieren oft auf konkrete politischhistorische Ereignisse wie die Ermordung von John F. Kennedy oder die Kuba-Krise. Insbesondere Twombly und Rauschenberg reagierten in ihrem bildnerischen Schaffen auf die Entwicklung der Raumfahrt, so entstand Rauschenbergs Stoned Moon Book 1970 gar im Auftrag der NASA. 1968 schuf Twombly das Gemälde Orion III, das die Planzeichnung eines neuartigen, mit Nuklearenergie angetriebenen Raketensystems aufgreift.

Die Mondlandung und die ersten Satellitenaufnahmen der Welt aus dem All hatten weitreichenden Einfluss auf das Natur- und Kunstverständnis. Die Ausstellung endet mit Exponaten aus den 1970er-Jahren: Die Kollaborationen der Fünf intensivierten sich wieder, sie knüpften an ihr Frühwerk an und führten es in unterschiedliche Richtungen weiter. Viele dieser Arbeiten wirken wie aus prähistorischer oder archaischer Zeit: Zivilisationsschrott und organisches Material vermischen sich und lassen die gefestigten Oppositionen zwischen Natur und Kultur, Materie und Geist, Zufall und Intention hinter sich.

Somit wird der Bogen von den 1940er- bis in die späten 1970er Jahre gespannt. Eine Ära, in der die Verflechtung von Kunst, Freundschaft und Liebe zu einem entscheidenden Movens ihres Schaffens wurde. Rauschenberg beschrieb diese Zeit rückblickend:

„Wir alle haben mit vollem Einsatz gearbeitet, jedes intensive Gefühl geteilt, und ich glaube, wir haben Wunder vollbracht, allein für die Liebe.“

Mit über hundertfünfzig Kunstwerken, Partituren, Bühnenrequisiten, Kostümen, Fotografien und Archivalien ermöglicht die Schau einen Einblick in das Zusammenspiel der fünf Künstlerfreunde.

Kuratiert von Yilmaz Dziewior, Achim Hochdörfer und Arthur Fink.

 

Bilder

  • Merce Cunningham, Robert Rauschenberg, John Cage, M.C. Richards, Bob Catoin und Jasper Johns, 1958
  • Robert Rauschenberg, Bed, 1955, Combine painting: Öl und Bleistift auf Kissen, Decke und Bettlaken auf Holzgestell, 191.1 x 80 x 20.3 cm (Gift of Leo Castelli in honor of Alfred H. Barr, Jr. Acc. n.: 79.1989 © Robert Rauschenberg Foundation Archives, New York, Foto: Haydar Koyupinar, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Museum Brandhorst München)
  • Robert Rauschenberg, Odalisk, 1955–58, Holz, Stoff, Papier und andere Materialien, 205 x 58 x 58 cm (Köln)
  • Rauschenbergs monumentales Bühnenbild für Cunninghams Choreografie Travelogue (1977) aus Seidenfächern und Stühlen (© Johan Elbers, Walker Art Center, Minneapolis)
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