Marcel Duchamp

Wer war Marcel Duchamp?

Marcel Duchamp (Blainville-Crevon 28.7.1887–2.10.1968 Neully-sur-Seine) war ein französisch-amerikanischer Künstler der Klassischen Moderne (→ Klassische Moderne), der nach Anfängen als Maler des Kubismus revolutionäre, weil anti-künstlerische Werke, so genannte Reday-mades (auch: Readymades) schuf. Danach wandte er sich dem Dadaismus zu und beeinflusste die Entwicklung des Surrealismus. Zeit seines Lebens spielte Duchamp Schach auf professionellem Niveau.

Kindheit

Henri Robert Marcel Duchamp wurde am 28. Juli 1887 in Blainville-Crevon, Département Seine-Inférieure, Normandie, geboren. Er war das dritte von sechs Kindern des Notars Justin Isidore Duchamp, genannt Eugène, und seiner Frau Marie Caroline Lucie, geb. Nicolle. Er war das vierte von sieben Kindern. Vier Geschwister schlugen eine künstlerische Laufbahn ein: Gaston Duchamp (1875) nannte sich als Maler Jacques Villon. Raymond Duchamp (1876) wurde der Bildhauer Duchamp-Villon. Suzanne Duchamp (1889) arbeitete als Malerin und war in zweiter Ehe mit Jean Crotti, einem Freund Marcel Duchamps, verheiratet. Die Duchamps waren eine typische Familie der normannischen Bourgeoisie. Marcel Duchamps Mutter betätigte sich als Amateurmalerin, und sein Großvater mütterlicherseits, Emile Nicolle († 1894) war als Maler und Graveur tätig.

Während Marcel Duchamp die Dorfschule besuchte (1893–1897), zogen seine Brüder 1894 nach Paris, um Jura und Medizin zu studieren. Bald gab Gaston sein Studium auf und wandte sich der Malerei zu; sein Bruder Raymond entschied sich 1899, Bildhauer zu werden. Marcel und seine Schwester Suzanne waren in Blainville unzertrennlich. Im Alter von elf Jahren lehrte ihn sein Bruder Gaston das Schachspielen (1898), eine Begeisterung, die ihn Zeitlebens nicht verließ. Zwischen 1897 und 1904 besuchte Marcel Duchamp das Lycée Pierre Corneille, ein humanistisches Gymnasium, in Rouen.

Marcel Duchamp begann schon als Jugendlicher zu malen und zu zeichnen (1902). Aus dieser Zeit sind seine ersten Bilder erhalten, darunter „Paysage à Blainville [Landschaft in Blainville]“, sein erstes bekanntes Bild. Es sind mehr oder weniger impressionistische Landschaften aus der Umgebung seines Heimatortes, die er in den Schulferien schuf. In der Zeichnung „The Bec Auer [Die Gaslampe]“ fand Duchamp ein wiederkehrendes Motiv in späteren Werken.

Ausbildung

Im Jahr 1904 beendete Duchamp seine höheren Studien in Literatur und Philosophie am Lycée Pierre Corneille in Rouen. Er folgte im Oktober 1904 seinen Brüdern nach Paris, wo er mit seinem Bruder Gaston in Montmartre wohnte. In ihrer Nachbarschaft wohnten Pablo Picasso, Joaquin Sunyer, Frank Kupka (→ František Kupka. Pionier der Abstraktion) und Louis Marcoussis. Duchamp schrieb sich an der Académie Julian ein. Später erinnerte sich der Künstler, dass er mehr Zeit damit verbrachte, Billard zu spielen als im Atelier zu arbeiten. In dieser Zeit erreichte der Neo-Impressionismus seinen Höhepunkt, die Nabis hatten sich getrennt und der Fauvismus im Entstehen.

Marcel Duchamps Eltern zogen 1905 mit den übrigen Kindern nach Rouen. Marcel machte die Aufnahmeprüfung an der Ecole des Beaux-arts, die er jedoch nicht bestand. Daraufhin besuchte Duchamp die Académie Julian, wo er „den Akademismus zu verachten lernte“. Um eine Verkürzung seiner Militärzeit zu erreichen, ging er bei der Imprimerie Vicomté in die Lehre und bestand später sein „ouvrir d’art“-Examen (mit Hilfe einiger Stiche seines Großvaters). Im Herbst trat er seine Militärzeit an und arbeitete für einen Drucker in Rouen. Seine Brüder zogen nach Puteaux am Rand von Paris. Der „Salon d’Automne“ war vom Skandal um die Künstler des Fauvismus geprägt. Duchamp beendete die Militärzeit 1906 und kehrte nach Montmartre zurück. Unter den Neuankömmlingen befanden sich Amedeo Modigliani, Gino Severini und Juan Gris. Marcel Duchamp traf häufig Gris, da dieser – wie Marcel und Jacques Villon – Zeichnungen für satirische Zeitschriften machte.

Karikaturen und erste Ausstellungen

Ab 1907 zeichnete Duchamp Karikaturen, von denen fünf in der Ausstellung des ersten „Salon des Artistes Humoristes“ in Paris gezeigt wurden (organisiert vom Herausgeber des Magazins „Le Rire“, für das auch Gaston und Marcel arbeiteten). Bis 1910 veröffentlichte Marcel Duchamp einige Zeichnungen und Karikaturen in „Le Rire“, „Le Sourire“, „Le Courrier Francis“ und „Le Témoins“. Er verbrachte seine Ferien mit der Familie in Veules-les-Roses (Seine-Intérieure), wohin er mehrfach zurückkehrte. Picasso malte das Bild „Les Demoiselles d’Avignon“, ein Pionierwerk für den Kubismus. Der „Salon d’Automne“ zeigte eine Retrospektive zu Paul Cézanne, der 1906 verstorben war.

Duchamp nahm 1908 an der Ausstellung des zweiten „Salon des Artistes Humoristes“ teil. Er besuchte häufig Gustave Candel, mit dem er sich angefreundet hatte. Nach dem Sommer zog er nach Neuilly (Rue Amiral de Joinville), einer Vorstadt von Paris. Er stellte einige Bilder im „Salon d’Automne“ aus (seine Brüder saßen im Organisations- und Preisausschuss). Die Werke von Georges Braque wurden von der Jury nicht angenommen und deshalb in der Galerie Kahnweiler ausgestellt. Dort fand Ende des Jahres die erste öffentliche Kundgebung des Kubismus statt.

Im Frühjahr 1909 stellte Marcel Duchamp zwei Bilder im „Salon des Indépendants“ aus und verkaufte eines. Im „Salon d’Automne“ stellte er drei Bilder aus; die Tänzerin Isadora Duncan kaufte „NU“. Duchamp stellte Ende des Jahres in der ersten „Exposition de la Société Normande de Peinture Moderne“ in Rouen einige Bilder und humoristische Zeichnungen aus. Er erhielt gute Kritiken.

Duchamp stellte auch im Jahr 1910 wieder im „Salon des Indépendants“ („Le Buisson“) aus und im Oktober im „Salon d’Automne“, wo er „La parte d’échecs“ präsentierte. Aufnahme in den „Salon d’Automne“ als Mitglied (Raymond war Vizepräsident), weshalb er sein Werk nicht mehr dem Ausschuss vorlegen musste. In diesem Jahr veröffentlichte Duchamp seine letzten Karikaturen in „Le Courrier Francis“ und in „Le Témoins“. Der Künstler freundete sich mit Francis Picabia an; die Freundschaft hielt ein Leben lang. In dieser Zeit war Duchamp stilistisch von Paul Cézanne, dem Fauvismus (Kolorit) und dem Kubismus beeinflusst. Zudem übernahm er einige Elemente des Symbolismus.

Auch 1911 stellte Marcel Duchamp im „Salon des Indépendants“ und der zweiten „Exposition de la Société Normande de Peinture Moderne“ (gemeinsam mit seiner Schwester Suzanne) aus. Am Jahresende zog die „Société Normande“-Ausstellung nach Paris weiter, wo Marcel Duchamp „Sonate“ zeigte. In diesem Werk wird der Einfluss des Kubismus auf den jungen Maler erstmals spürbar; gleichzeitig ist der Durchbruch der „Salonkubisten“ in der Presse zu beobachten. Während des Sommers in Veules-les-Roses malte Duchamp „Yvonne et Madeleine déchiquetées“. In diesem Jahr arbeitete Marcel Duchamp an Zeichnungen und Gemälden zum Thema Schach. Sein einziges Kind Yvonne Serré wurde geboren (auch als Yo Savy oder Yo Sermayer bekannt). 55 Jahre später kam es zu einem ersten Treffen.

Puteaux-Gruppe

Raymond Duchamp-Villon organisierte ab 1911 in seinem Haus in Puteaux sonntags regelmäßige Treffen, zu denen viele Maler:innen und Schriftsteller:innen kamen: Neben den Duchamp-Brüdern fanden sich Kupka, Albert Gleizes, Fernand Léger, Roger de la Fresnaye, Jean Metzinger, Georges Ribemont-Dessaignes, Maurice Raynal ein. Sie spielten und diskutierten Kunstfragen, z.B. zum Raum im Bild, Nicht-euklidische Geometrie, der Goldene Schnitt, Chronofotografie und die vierte Dimension.

Duchamp schuf „Moulin à café [Kaffeemühle]“ für Raymond Duchamp-Villons Küche in Puteaux, sein erstes Bild mit einem mechanischen Motiv. Zudem zeigt das Bild verschiedene Ansichten der Mahlvorgänge, die Kurbel oben wird gleichzeitig in verschiedenen Positionen dargestellt. Gemahlener Kaffee unter den Zackenrädern und ein Pfeil deuten an, in welche Richtung sich das Objekt dreht. Es gehört zu einer Sechsergruppe von gleichformatigen Ölgemälden, die von Albert Gleizes, Metzinger, de La Fresnay, Villon und möglicherweise auch von Léger gemalt wurden. Sie bildeten „über den kleinen Schranktüren auf Deckenhöhe eine Art Fries“.

Kritische Auseinandersetzung mit Kubismus, Futurismus und Raymond Roussel

Im Herbst 1911 befand sich Marcel Duchamp in einer entscheidenden Phase: Er malte „Les Joueurs d‘Èchecs“ und „Jeune Homme triste dans un train“ sowie „Moulin à café“. Darin experimentierte Duchamp mit kubistischer Dekomposition, Bewegung und mit dem Objekt der Maschine. Als Suzanne den Apotheker Charles Desmares heiratete, schenkte ihr Duchamp das Bild „Jeune Homme et jeune fille dans le Printemps“ zur Hochzeit.

Marcel Duchamp besuchte 1912 die Ausstellung der Futuristen in der Galerie Bernheim Jeune in Paris (→ Futurismus). Im „Salon des Indépendants“ wollte er im Frühjahr das Bild „Nu descendant un escalier [Akt eine Treppe herabsteigend Nr. 2]“ (18.3.1912) zeigen, das als sein wichtigstes Werk in der Frühzeit angesehen wird. In dem Werk verband Duchamp die kubistische Zersplitterung der Form mit der futuristischen Darstellung von Bewegung. Der Künstler musste es auf Anraten des Ausschusses zurückziehen, da die „orthodoxen“ Kubisten den Titel als Angriff auf den Kubismus interpretierte, und er ihn nicht ändern wollte. Das zurückgewiesene Bild wurde zusammen mit „Sonate“ in der „Expositició d’art Cubista“ in Josep Dalmaus Galerie in Barcelona ausgestellt. Der Katalog mit dem Titel „Presentació dels pintors cubistes“ von Jacques Nayral trug „Nu descendant un escalier“ auf dem Cover.

Mit Apollinaire und Picabia (→ Francis Picabia: Unser Kopf ist rund) besuchte Marcel Duchamp Raymond Roussels „Impressions d’Afrique [Afrikanische Impressionen]“ (10.6.1912). Marcel Duchamp war von der ironischen Art des Autors, mit Maschinen umzugehen und vom absurden Theater begeistert. So arbeitete der Schriftsteller mit der „neben-linearen Übersetzung“, bei der zwei Wörter oder Sätze ähnlich lauten, aber bedeutungsverschieden sind. Roussel erschloss Duchamp nicht nur den Doppelsinn (von Worten), sondern auch den Alltagsbezug. Der Alltag spielt im Werk von Duchamp eine große Rolle, gleichzeitig ist es mit autobiografischen Querverweisen gespickt. Gleichzeitig war Marcel Duchamp zur Überzeugung gelangt, dass die Abfolge von Ismen die Malerei in eine Sackgasse führen würde. Daraufhin beschloss der Künstler, mit der Vergangenheit zu brechen und einen Neuanfang zu wagen.

München

Marcel Duchamp verließ am 18. Juni 1912 Paris und reiste für zwei Monate nach München. Auf dem Weg besuchte er das Kunstmuseum Basel, wo er sich für das spukhafte Werk von Arnold Böcklin begeisterte. In München wohnte Duchamp in der Barerstraße 65, mitten in Schwabing. Dort besorgte er sich eine Ausgabe von Wassily Kandinskys Buch „Über das Geistige in der Kunst“ und besuchte täglich die Alte Pinakothek. Zu selben Zeit veröffentlichten die Avantgardisten den Almanach „Der Blaue Reiter“. In einem der Texte, der sich mit der Erneuerung der Malerei beschäftigt, ist Marcel Duchamp erwähnt.

Während seines Aufenthalts in München lebte der Künstler isoliert und zurückgezogen. Der Aufenthalt in München war für Duchamp sehr produktiv: „Vierge No. 1“ und „Vierge No. 2“ (7.8.1912), „Le Passage de la vierge à la mariée [Der Übergang von der Jungfrau zur Neuvermählten]“ (7.8.1912), „Mariée [Die Neuvermählte]“ (ein Nebeneinander von mechanischen Elementen und Eingeweideformen). Die Themen für „Grand Verre“ finden sich in dieser Serie; Duchamp stellte sich die Braut als monströsen Käfer vor, der ihn mit seinen riesigen Elytren (Deckflügel) zerreißt. Der Übergang von der Jungfrau zur Neuvermählten, so der Künstler, wäre kein „physiologischer“, sondern

„ein Wechsel in meinem Leben, in dem ich Tag für Tag ein neues Wortspiel erfinde. Einen Kalauer als Titel, eine bestimmte Vorstellung von Titelideen […] Das Wortspiel ist ein poetisches Element, wein ein Reim. Ein Reim ist ein Gedicht.“ (Marcel Duchamp)

Von München reiste er in den ersten drei Septemberwochen nach Wien, Prag, Dresden, Leipzig, wo er sich u.a. für die Gemälde von Lucas Cranach der Ältere begeisterte. Am 26. September 1912 hielt er sich in Berlin auf, wo er die Museen und die Berliner Sezession besuchte. Letztere zeigte gerade die jüngere französische Malerei, ein Saal war Friesz, Marquet, Valtat, Herbin und vier Gemälden von Picasso gewidmet. Noch in Deutschland erhielt Duchamp die Zusage, dass seine Münchner Zeichnung „Vierge No. 1“ bei der Jury des „Salon d’Automne“ (ab 30.9.) Anklang gefunden hat.

Vom Künstler zum Bibliothekar

Im Oktober 1912 kehrte Marcel Duchamp nach Paris zurück und stellte in dem von der Puteaux-Gruppe organisierten „Salon de la Section d’Or“ (ab 9.10.) an der Rue de la Boétie 64 aus. Wie René Blum im Katalogvorwort schrieb, ging es den Kunstschaffenden nicht um einen neuen, oder gar gemeinsamen Stil, sondern „Kunst und Tradition auseinander zu halten“. Duchamp war laut Katalog mit sechs Werken vertreten, von denen allerdings nur vier identifiziert sind. Das Gemälde, „Nu descendant un Escalier, No. 2“, das im Frühjahr zu Konflikten geführt hatte, wurde erstmals dem Pariser Publikum vorgestellt – und blieb praktisch unbeachtet. Kurz nach der Eröffnung hielt Guillaume Apollinaire eine Lesung mit dem Titel „L’Ecartèlement du Cubisme [Die Vierteilung des Kubismus]“ (11.10.), im Rahmen dessen er den Kubismus in vier Kategorien einteilte: die wissenschaftliche, die physische, die instinktive und die orphische. Albert Gleizes und Jean Metzinger gaben noch im gleichen Monat ihre Publikation „Du Cubisme [Über den Kubismus]“ (20.10.) heraus, in dem sie Werke von Marie Laurencin, Fernand Léger, Juan Gris, Francis Picabia und Duchamp abbildeten.

Mit Picabia und Apollinaire besuchte Marcel Duchamp das Heimatdorf von Picabias Frau, Gabrielle Buffet, in Etival (Jura). Er machte Notizen zum Thema „The Lighthouse Child“. Arbeitet in der Bibliothek Sainte Geneviève, wo er Abhandlungen über die Perspektive las. Mit Léger und Brancusi besuchte er den „Salon de la Locomotion Aérienne“ im Grand Palais und war von den Flugzeugen fasziniert.

Da sich die „Association of American Painters and Sculptors”, die „Armory Show“, entschlossen hatte, im Frühjahr 1913 eine große, internationale Ausstellung für moderne Kunst in New York durchzuführen, kamen Arthur Davies, Walter Kuhn und Walter Pach Anfang November 1912 nach Paris, um Werke auszusuchen. Es wurden einige Arbeiten der Duchamp-Brüder ausgewählte: neun Werke von Villon, vier von Duchamp-Villon und vier von Marcel Duchamp:

  • „Akt eine Treppe herabsteigend Nr. 2“ (18.3.1912, gekauft vom Kunsthändler und Freund der Steins Frederick C.Torrey),
  • „Le Roi et la Reine entourés de Nus vites (König und Königin, durchquert von schnellen Akten)“ (9.10.),
  • „Portrait de Joureurs d’Echecs [Porträt der Schachspieler]“ (15.6.1912, beide vom Chicagoer Anwalt und Sammler Arthur Jerome Eddy gekauft) und
  • „Jeune Homme triste dans un Train [Trauriger Jüngling im Zug]“, im Katalog als „Nu [Akt]“ bezeichnet (17.2.1912, vom Architekten Manierre Dawson gekauft)

Die Werke wurden in der „Armory Show“ (17.2.1913) in einer Kaserne eines Nationalgarderegiments, New York, gezeigt. Vor allem „Akt eine Treppe herabsteigend“ machte dort Furore. Weiters waren „Le Roi et le Reine entourés des nus vites“, „Portrait de joueurs d’échecs, „Jeune Homme triste dans un train“ und „Nu descendant un escalir“ Da seine „Nu descendant“ im Kreuzfeuer der Kritik stand, wurde Marcel Duchamp in den USA rasch bekannt. Die „Armory Show“ reiste nach Chicago (ab 24.3.) und Boston (ab 19.5.) weiter. Als Frederick C. Torrey Anfang Juli 1913 Duchamp und seine Freunde in Paris aufsuchte, wollte er sich vom Maler bestätigen lassen, dass er von Cézanne beeinflusst sei. Duchamp antwortete jedoch, dass er eher von der Kunst Odilon Redons beeindruckt gewesen wäre.

„Seit Generäle nicht mehr auf dem Rücken der Pferde sterben, sind die Maler nicht mehr berechtigt, an ihrer Staffelei zu sterben.“

Trotz dieser frühen Erfolge entschloss sich Duchamp nur für sich selbst zu malen und Buchhändler zu werden. Deshalb schrieb er sich am 4. November 1912 in der Ecole des Chartres für einen Kurs in Bibliografie ein. Deshalb wählten die amerikanischen Kollegen Duchamps Werke in seiner Abwesenheit aus. Eigen- und Selbstständigkeit als Künstler, so Duchamp, wäre nur zu erreichen, wenn er sich ohne Verpflichtungen entwickeln könnte. Eine Karriere als Buchhändler sollte ihn von seinen „materiellen Verpflichtungen“ befreien. Zudem stellte der Buchhändlerberuf für ihn ein intellektuelles Refugium dar, welches er als Gegensatz zur „manuellen Knechtschaft“ des Künstlerberufs empfand.

Das Große Glas

In Rouen komponierte Duchamp für den Neujahrsabend 1913 „Erratum Musical“, worin das Thema der Gelegenheit auftauchte. Ein Konditorenschaufenster gab ihm die Idee zu „Broyeuse de Chocolat [Schokoladenmühle]“ (1913/14), das im „Grand Verre [Großen Glas]“ wieder auftaucht. Mit Ausnahme einiger weniger Arbeiten innerhalb der nächsten sechs Jahre wandte sich Duchamp von der Malerei ab. Die Mechanik wurde zur Hauptakteurin seiner Zeichnungen. Die Arbeiten dieses Jahres waren bereits alle für „Grand Verre [Das Große Glas]“ gedacht, abgesehen von „Broyeuse de Chocolat“.

Ab Mai 1913 arbeitete Marcel Duchamp in der Bibliothèque Sainte Geneviève, am 3. November wurde er in die Aufgaben eines Hilfsbibliothekars eingeführt. Dabei half, dass Picabias Onkel Maurice Davanne dort als Bibliothekar arbeitete. Dieser Beziehung verdankte der Künstler, dass er eine zweimonatige Anstellung mit einem Monatverdienst von 100 Francs (heute etwa € 200) als Vertretung erhielt. Er liebte diese Job, weil er ihm Freizeit ließ, um seine Notizen weiterzuführen, aus denen er die „Boite de 1914“ und „Boite Verte“ von 1914 entwickelte. Im Oktober 1913 zog Duchamp in einen Neubau in der Rue Saint-Hippolyte 23. Da das Wohnhaus noch nicht fertiggestellt war, musste Duchamp eine Zeit lang eine Leiter hinaufklettern, um in seine Wohnung zu gelangen. An den frisch verputzten Wänden begann er mit dem Plan in Originalgröße der perspektivischen Konstruktion des „Großen Glases“ (22.10.). Dabei konzentrierte Duchamp sich auf die untere Hälfte und zeichnete minutiös die „Machine célibataire [Junggesellenmaschine]“ nach der ersten, auf Karton ausgeführten Skizze vom 13. Januar 1913. Gleichzeitig arbeitete er am Plan und am Aufriss von „Appareil Célibataire [Junggesellenapparat]“ mit detaillierten Berechnungen und Messungen.

Um diese Zeit verließ Marcel Duchamp die Malerei, um sich ganz seinen Recherchen zu widmen: Er begann die einleitenden Skizzen für „Cimetière des uniformes et livrées“, „Machine célibataire“ und „Dessin perspectif pour la Roue du Moulin“. Duchamp machte auch andere Experimente, wie „Trois Stoppages Étalon [Drei Maßnorm-Stoppagen]“, mit dem er den Zufall in die Kunst einführte. Ohne die Verdrehung des Fadens zu kontrollieren, machte Duchamp das Experiment drei Mal. Auslösendes Moment war ein Aushängeschild an der Rue Claude-Bernard mit dem Schriftzug „Stoppages et talons“:

„Fällt ein horizontaler Faden, sich beliebig verdrehend, aus einem Meter Höhe auf eine horizontale Ebene, gibt er ein neues Bild der Maßeinheit. […] Das solchermaßen erhaltene Gebilde wurde mit Lacktropfen auf der Leinwand fixiert.“ (Marcel Duchamp)

Mit dem „Roue de bicyclette [Fahrrad-Rad]“, einem Fahrradgabe samt Reifen auf einem Hocker (Original verloren), schuf Marcel Duchamp den Vorläufer der späteren „ready-mades“ und Rotiermaschinen.

Marcel Duchamp verbrachten den Neujahrsabend 1913/14 bei seiner Familie in Rouen. Dort schuf er „La Boîte de 1914 [Die Schachtel von 1914 mit Reproduktionen von Notizen und Zeichnungen. Fügte auf einem Werbedruck Farbakzente hinzu und nannte es „Pharmacie [Apotheke]“. Zudem entstand mit „Glissiere contenant un Moulin à Eau en Métaux voisins“ eine erste Glasmalerei. Indem er einen Flaschentrockner, wie er für Cidreflaschen in der Normandie verwendet wurde, kaufte und signierte, schuf er sein erstes Ready-made: „Porte-bouteilles, ou Séchoir à Bouteilles, ou Hérisson [Flaschentrockner]“

New York I (1915–1918)

Als im August 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, wurde Marcel Duchamp zuerst nicht eingezogen und dann 1915 für untauglich erklärt. Allerdings mussten seine Brüder und viele seiner Freunde zum Militär. Walter Pach, der zur Auswahl von Bildern für eine Ausstellung in New York in Paris aufhielt, ermutigte den Künstler, die USA zu besuchen. Marcel Duchamp kam Mitte August 1915 in New York an. Er wurde von Pach empfangen und im Haus von Louise und Walter Arensberg untergebracht. Das Paar sammelte seit der „Armory Show“ Kunst und wurde in der Folge zu seinen wichtigsten Sammlern. Er traf sich mit Picabia und Gleizes, die sich ebenfalls in den USA aufhielten. Duchamp wurde klar, dass er in den USA aufgrund der Bekanntheit von „Nu desendant un escalier“ einen besonderen Status hatte. Auf den Abendparties der Arensbergs traf er Mitglieder der Kunstwelt, darunter Man Ray, mit dem er sich anfreundete. Um seinen bescheidenen Lebensunterhalt zu verdienen, arbeitete er als Bibliothekar am Institut Francis und erteilte Französischunterricht.

Marcel Duchamp begann seine Arbeit an „La Mariée mise à nu par ses célibataires, même (Le Grand Verre) [Die Neuvermählte, von ihren Junggesellen entkleidet, sogar (Das Große Glas)“ und schrieb auf eine Schneeschaufel „In Advance of a Broken Arm [Dem gebrochenen Arm voraus]“. 1915 erfand Duchamp den Begriff Ready-made (auch: Readymade), um diese Objekte zu definieren. Im Folgejahr entstanden weitere Ready-mades, darunter „Pliant … de voyage“, „A bruit secret”. Duchamp stellte auf zwei Ausstellung in New York aus. Zu seinen neuen Freunden gehörten Beatrice Wood und Henri-Pierre Roché.

Weiters knüpfte Duchamp erste Kontakte mit der Malerin und Sammlerin Katherine Dreier (1917). Dreier wurde eine Freundin und Mäzenin des Künstlers. Mit ihr und Man Ray gründete Duchamp 1917 die „Societé Anonyme Inc.“. Vorsitzender war William Glackens, Schatzmeister Pach und Arensberg der Manager waren die weiteren Verantwortlichen. Zu den 21 Direktoren gehörten Marcel Duchamp, Man Ray, Joseph Stella und Dreier. Auf der Ausstellung der „Independants“ zeigte Marcel Duchamp sein berühmtestes Werk, das Urinal „Fontaine“, das er mit „R. Mutt“ signierte. Die Zurückweisung des Werks führte zum Rücktritt Marcel Duchamps und Arensbergs als Vorstandsmitglieder der Society of Independent Artists.

Marcel Duchamp und seine Freunde, unter ihnen Arthur Craven und Picabia, der aus Barcelona zurückgekehrt war und vier Ausgaben von „391“ mitgebracht hatte, gründeten eine Vereinigung, die später „New York Dada“ genannt wurde. Das Trio von „The Blind Man“ – Pierre Roché, Beatrice Wood und Duchamp – brachte die Zeitschrift „Rongwrong“ heraus, von der jedoch nur eine Ausgabe erschien. Marcel Duchamp verdiente seinen Lebensunterhalt weiterhin mit Französischunterricht. Dreier gab bei ihm ein Bild für ihre Bibliothek in Auftrag. Duchamp malte sein letztes Gemälde: „Tu m‘“ (1918, Yale University Art Gallery, New Haven, Conn.). Er setzte die Arbeiten für „La Mariée mise à nu par ses celibataires, mème“ fort, besser bekannt als „Grand Verre“.

Buenos Aires (1918/19)

Da die USA in den Ersten Weltkrieg eintraten, übersiedelte Marcel Duchamp nach Argentinien, wo er sich neun Monate aufhielt. In dieser Zeit spielte Marcel Duchamp hauptsächlich Schach; nach eigener Aussage wurde er „ein Schachbesessener“. Im April heiratete seine Schwester Suzanne Jean Crotti. Marcel schenkte ihr ein Rezept zur Herstellung des Ready-made „Malheureux“.

Kurzaufenthalt in Paris & „L. H. O. O. Q.“

Im Juli 1919 kehrte Marcel Duchamp nach Europa Duchamp nach Europa zurück, hielt sich anfangs in London auf und kam Ende Juli in Paris an. Er wohnte in Picabias Haus, entschloss sich jedoch bald zur Rückkehr nach New York. Duchamp besuchte seine Familie und Freunde, zudem traf er sich mit Mitgliedern der Dada-Gruppe (→ Dadaismus).

Anlässlich der 400. Wiederkehr von Leonardo da Vincis Todestag, fügte Marcel Duchamp einer Reproduktion der „Mona Lisa“ einen Schnurr- und Spitzbart hinzu; er nannte das Werk „L. H. O. O. Q.“, das im Französischen wie „Elle a chaud au cul (dt. etwa: „Sie hat einen heißen Hintern“ oder „Es gibt ein Feuer da unten“) ausgesprochen wurde. Picabia veröffentlichte das „verbesserte Ready-made“ in der zweiten Nummer von „391“ allerdings ohne Bart (1920).

New York Dada (1920–1921)

1920 ging Marcel Duchamp wieder nach New York und nahm „Air de Paris“ als Geschenk für die Arensbergs mit. In New York trat er dem „Marshall Chess Club“ bei, wo er fast jeden Abend Schach spielte. Er konstruierte seine erste motorbetriebene, optische Maschine, „Rotative Plaque Verre [Rotierende Glasplatten]“, fotografiert von Man Ray.
Im April gründeten Marcel Duchamp, Katherine S. Dreier und Man Ray die „Société Anonyme, Inc.“. Dies war das erste wirkliche Museum für moderne Kunst in den USA; sie organisierten zahlreiche Ausstellungen, Vorträge und veröffentlichen Publikationen. Ende des Monats eröffneten sie die „Société Anonyme“-Galerie mit einer Ausstellung von Werken Duchamps, Morton Schambergs, Man Rays und Joseph Stellas. Duchamp stellte im August auf der dritten Ausstellung mit aus und organisierte die erste Präsentation von Louis Eilshemius in dieser Galerie.

Marcel Duchamp nahm noch im gleichen Jahr das Pseudonym „Rrose Sélavy [Éros c’est la vie]“ an und benutzte es bei der Copyright-Eintragung für „Fresh Window“. Er experimentierte mit Man Ray mit der Idee eines Films im Relief und arbeitete weiter an „Grand Verre“. Um einen Teil farbig zu gestalten, schuf er „Èlevage de Poussière“, das erneut von Man Ray fotografiert wurde. Einen anderen Teil des Werks ließ er von einem Spiegelhersteller versilbern. 1923 entschloss er sich das Werk, an dem er seit 1914/15 arbeitete, „endgültig unvollendet“ zu belassen.

Im Auftrag der Schwester von Katherine S. Dreier, schuf Duchamp 1921 „Why Not Sneeze, Rrose Sélavy?“. Da die Auftraggeberin vom Werk nicht überzeugt war, verkaufte sie es nach kurzer Zeit an Dreier. Im April veröffentlichte Duchamp mit Man Ray die einzige Ausgabe von „New York Dada“. Marcel Duchamp erschien darin in Frauenkleidern als Rrose Sélavy auf dem Etikett zu „Belle Haleine, Eau de Voilette“. Die Dadaisten in Paris luden ihn ein, in ihrem Salon auszustellen, doch seine Antwort war nur ein Telegramm mit dem Wortspiel „PODE BAL [nichts tun]“.

Duchamp verließ New York im Juni 1921 in Richtung Frankreich. In Paris wohnte er im Appartement von Suzanne und Jean Crotti. Für die Signatur eines Bildes von Picabia fügte er ein absurdes „r“ dem Rrose Sélavy hinzu. Zu dieser Zeit traf er sich häufig mit André Breton, Philippe Soupault, Louis Aragon, Paul Éluard, Benjamin Péret und René Crevel, jene Dadaisten, die bald darauf die Gruppe der Surrealisten bildeten. Man Ray kam ebenfalls nach Paris. Die beiden arbeiteten weiter an ihren Filmexperimenten.

Doch schon 1922 kehrte Marcel Duchamp nach New York zurück, um „Grand Verre“ zu vollenden. Mit Léon Harti betrieb er eine Farbenfirma, die allerdings sechs Monate später schon wieder schließen musste. Duchamp schrieb an Tristan Tzara und schlug ihm vor, eine Signatur als Universalmittel zu schaffen: DADA. Im Oktober 1922 veröffentlichte Duchamp in der Nr. 5 von „Littérature“ einige Wortspiele von Rrose Sélavy; in der gleichen Ausgabe schrieb André Breton einen Artikel über Duchamp, welcher der erste wichtige Aufsatz über den Künstler war. Auf Anraten von André Breton beauftragte Jacques Doucet Marcel 1924 Duchamp mit der Schaffung einer optischen Maschine. Er machte sich an die Arbeit zu „Rotative Demi-sphère“, die er 1925 vollendete. Der Künstler bat Doucet, das Werk auf keiner Ausstellung zu zeigen. Die „Société Anonyme“ kaufte seine erste optische Maschine. Er beauftragte Antoine Pevsner mit einem Porträt.

Duchamp und der Surrealismus

Im November 1924 schuf Duchamp „Obligations pour la Roulette de Monte-Carlo [Obligation für das Roulette von Monte Carlo]“, eine Serie von ursprünglich geplanten 30 Wertpapieren, die ein System zur Erzielung von Gewinnen am Roulettetisch finanzieren sollten. Duchamp spielte im Film „Entr’acte“ von Picabia und René Clair mit, in dem er mit Man Ray Schach spielte. Der Film war als Zwischennnummer für das Ballett „Relâche“ (Musik: Erik Satie, Bühnenbild: Picabia, Choreografie: Börlin) geplant, welches das schwedische Ballett in Paris aufführte. Sie stellten auch ein Bild, „Adam und Eva“ von Lucas Cranach nach; Duchamp spielte den Adam, ist aber nur wenige Sekunden beleuchtet. Im „Surrealistischen Manifest“ ist auch Marcel Duchamp genannt.

Duchamp war nicht nur als Künstler, sondern auch als sprachgewandter Denker für die Künstler:innen des Surrealismus wichtig. Für eine Ausstellung von Alexander Calders Werken in Paris (geplant für 1932) schlug Marcel Duchamp den Titel „Mobiles“ vor. Die Bezeichnung wird seither für die hängenden Skulpturen Calders verwendet.

Im Jahr 1933 nahm Marcel Duchamp an der surrealistischen Ausstellung in der Galerie Pierre Colle teil. Er verbrachte den Urlaub mit Mary Reynolds in Cadaqués, wo er viele Werke von Salvador Dalí und Gala sah. Ab Ende Januar 1934 arbeitete Duchamp weiter an der „Grand Verre“, indem er eine Auswahl von einleitenden Notizen, Zeichnungen und Fotos vorbereitete. Diese erschienen in der „Boîte Verre [Grünen Schachtel]“ mit Reproduktionen seiner Notizen zum „Großen Glas“, einer Abbildung aus der Zeit vor dessen Beschädigung und vorbereitenden Skizzen (94 Stück). Die Serie „Rotoreliefs (Disques Optiques) [Rotoreliefs (Optische Scheiben)]“ entstand 1935, bestehend aus einem Set aus sechs runden Scheiben aus Karton, beidseitig mit figurativen und abstrakten Motiven bedruckt.

Marcel Duchamps erste Einzelausstellung „Exhibition of Paintings by Marcel Duchamp“ fand 1937mit neun Arbeiten im Arts Club of Chicago statt. Für André Bretons Galerie Gradiva in Paris fertigte er eine Eingangstür aus Glas an, die „Porte Gradiva [Tür für Gradiva]“. Ein Jahr später beteiligte sich Duchamp an der Organisation der „Exposition Internationale du Surréalisme“ (1938) in der Galerie Beaux-Arts in Paris.

Marcel Duchamp signierte 1941 die Erstausgabe von „de ou par Marcel Duchamp ou Rrose Sélavy (Boîte-en-Valise) [Von oder durch Marcel Duchamp oder Rrose Sélavy (Die Schachtel im Koffer)]“. Dabei handelt es sich um einen kleinen Lederkoffer mit Miniaturen und Reproduktionen von Duchamps wichtigsten Werken. Er schuf eine Art Miniaturmuseum mit Reproduktionen, die Peggy Guggenheim mit nach New York nahm. Von 1941 bis 1968 stellte Marcel Duchamp sieben Boîtes-Serien her. Er erhielt einen Pass als Käsehändler für die Reise zwischen der besetzten und der freien Zone in Frankreich, damit er die Elemente der Boîtes nach Marseille bringen konnte, von wo sie nach New York verschifft werden konnten.

Schach

Bereits während seines Aufenthalts in Buenos Aires hatte sich Marcel Duchamp intensiv mit dem Schachspiel beschäftigt. Diese Haltung nahm im Laufe der 1920er Jahre noch zu und steigerte sich in den 1930ern. Das Schachspiel betrieb Duchamp nahezu professionell; er nahm an Turnieren in Nizza, Brüssel, Paris, Straßburg teil.

Nachdem Duchamp im November 1922 wieder nach New York zurückgekehrt war, nahm er an einer Simultanschachpartie gegen José Capabianca im Marshall Chess Club teil. Im Februar 1923 besuchte er Brüssel, wo er sich ein paar Monate aufhielt und einem Schachclub beitrat. Nachdem Duchamp nach Paris zurückgekehrt war, begann er eine Beziehung mit Mary Reynolds, einer reichen Witwe. Er hatte sie in New York kennengelernt; ihr Bruder Frank Borrkes Hubachek wurde in den 1950er Jahren sein Mäzen. Duchamp besuchte erneut Brüssel und nahm an einem Schachtournier teil (wurde Dritter). Seine Schachleidenschaft wurde immer stärker; Duchamp trainierte ernsthaft und nahm in den folgenden zehn Jahren an wichtigen Schachturnieren in Europa teil.

1925 erzielte er den sechsten Platz bei der französischen Meisterschaft und erhielt den Titel eines Meisters der Französischen Schachföderation, im folgenden Jahr nahm er an einem Schachturnier in Nizza teil, gefolgt von der 5. Französische Meisterschaft in Chamonix 1927. Das wichtigste war die olympische Amateurmeisterschaft in Den Haag 1928, wo Marcel Duchamp einer der französischen Teilnehmer war. 1930 wurde Duchamp zum Mitglied des Vorstandes der französischen Föderation gewählt (Mitglied im Komitee des Französischen Schachbundes); 1933 wurde Marcel Duchamp Delegierte der Internationalen Schachföderation (bis 1937). Er spielte nicht nur Schach, sondern arbeitete zusätzlich noch an dem Buch „L’opposition et les cases conjugées sont réconciliées [Opposition und Schwesterfelder sind versöhnt]“ (gemeinsam mit Halberstadt, Brüssel) und der französischen Ausgabe von Eugène Znosko-Borovskys Schachbuch (1933 veröffentlicht als Kommentar: „Comment il faut commencer uns partie d’echecs“).

Duchamp in New York (1942–1968)

Durch Vermittlung von Walter Arensberg und Katherine Dreier kam Marcel Duchamp 1942 in New York an, wo er bis kurz vor seinem Lebensende blieb. Seine Zusammenarbeit mit André Breton setzte der Künstler im Koordinierungsrat der „French Relief Societies“ in New York weiter fort – unter anderem für die Ausstellung „First Papers of Surrealism“ sowie für den Begleitkatalog. Duchamps Installation „Sixteen Miles of String [Sechzehn Meilen Schnur]“ ist Teil der Ausstellung.

Ehrungen und letzte Werke

In den 1950er und 1960er Jahren wurde Marcel Duchamp populär. Viele Institutionen ehrten ihn mit Einzelausstellungen, und der Mailänder Galerist Arturo Schwarz gab Editionen seiner Ready-Mades heraus. Duchamp hielt Vorträge und wurde zu Podiumsdiskussionen eingeladen. In den letzten 20 Jahren seines Lebens kümmerte sich Marcel Duchamp darum, dass seine Werke aus der Sammlung Walter Arensberg im Philadelphia Museum of Art richtig aufgestellt wurden. Auch „Das Große Glas“ aus der Sammlung Katherine Dreier kam in das Museum.

Die Bedeutung von Marcel Duchamps Werk war nach Ende des Zweiten Weltkriegs bereits erkannt. So widmete der Künstler, Dichter und Herausgeber des Magazins „View“, Charles Henri Ford, Marcel Duchamp 1945 eine Spezialausgabe. zusammen mit André Breton bereitete Duchamp die Ausstellung „Exposition Internationale du Surréalisme“ (1947) und den Begleitkatalog „Le Surréalisme en 1947“ in der Pariser Galerie Maeght vor. Duchamp zeigte „Le Rayon Vert [Der Grüne Strahl]“. Zehn Jahre später, 1957, eröffnete die Ausstellung „Three Brothers“ im Solomon R. Guggenheim Museum in New York, sie war den drei Duchamp-Brüdern gewidmet. Im Folgejahr erschien Duchamps erste Textsammlung, zusammengestellt und herausgegeben von Michel Sanouillet, unter dem Titel „Marchand du Sel. Écrits de Marcel Duchamp“ (1958). Robert Lebels Monografie über Duchamp samt Werkverzeichnis erschien 1959 unter dem Titel „Sur Marcel Duchamp“. Der Künstler arbeitete am Layout mit. Die erste Retrospektive zu Duchamps Lebenswerk, „A Retrospective Exhibition“, wurde 1963 im Pasadena Art Museum eröffnet. Duchamps erste Retrospektive in Europa, „The Almost Complete Works of Marcel Duchamp“, fand in der Tate Gallery in London statt (1966). Zu diesem Anlass baute der Künstler und Ausstellungsorganisator Richard Hamilton „Le Grande Verre“ originalgetreu nach.

Nachdem Marcel Duchamp 1943 eine Liaison mit der Künstlerin Maria Martins angefangen hatte, wurden Gipsabrücke von Martins Körper zur Grundlage seiner späteren Arbeiten. Die Beziehung hielt bis 1950. So entstanden noch 1950 „Not a Shoe [Kein Schuh]“ und „Feuille de vigne femelle [Weibliches Feigenblatt]“, die ersten zwei Arbeiten einer Serie erotischer Objekte. Im Jahr 1959 begann Duchamp in Cadaqués, Spanien, Gipsabdrücke anzufertigen, die sich am Leben orientieren, die Arbeit „With My Tongue in My Cheek [Mit der Zunge in meiner Wange]“ entstand.

Das letzte große Werk, das Marcel Duchamp über zwei Jahrzehnte lang begleiten sollte, ist „Étant donnés: 1º la chute d’eau, 2º le gaz d’éclairage [Gegeben seien: 1. Der Wasserfall, 2. das Leuchtgas]“. Er widmete eine Bleistiftskizze 1947 Maria Martins und schenkte sie ihr auch. Erst 1969 wurde es posthum im Philadelphia Museum of Art enthüllt.

Duchamp lernte 1951 die Schwiegertochter von Henri Matisse kennen, Alexina (Teeny) Matisse. Die beiden heirateten 1954. Das Paar nahm sich eine Wohnung in Neuilly-sur-Seine du pendelte zwischen Europa und den USA. Im Jahr 1955 erhielt Marcel Duchamp die US-amerikanische Staatsbürgerschaft.

Duchamps wichtigster Galerist in den 1960er Jahren war der Mailänder Arturo Schwarz, der 1964/65 unter Duchamps Aufsicht eine Reihe von Ready-mades sowie die Arbeiten „3 stoppages-étalon [3 Kunststopf-Normalmaße]“ und „Fresh Widow [Frische Witwe]“ in einer limitierten Auflage von jeweils acht Stück reproduzierte. Zudem veröffentlichte er bei Schwarz eine Serie von Radierungen (The Large Glass and Related Works, Vol. 1) (1965, veröffentlicht 1967). Aus dem Jahr 1967 stammt „À l’infinitif (La Boîte blanche) [Im Infinitiv (Die weiße Schachtel)]“, die eine Reihe von 79 bis zu diesem Zeitpunkt unveröffentlichten Notizen aus den Jahren 1912 bis 1920, die sich auf „Le Grande Verre“ beziehen, beinhaltet.

Tod

Marcel Duchamp starb am 2. Oktober 1968 in den frühen Morgenstunden in seiner Wohnung in Neully-sur-Seine. Am Abend zuvor hatte er mit seiner Frau und gemeinsamen Freund:innen einen lebhaften Dinnerabend verbracht. Duchamp wurde in Rouen neben seinen Eltern und Geschwistern beigesetzt.

Beiträge zu Marcel Duchamp

30. September 2023
Jasper Johns, 2014, Foto: John Lund

Basel | Kunstmuseum Basel: Jasper Johns — Der Künstler als Sammler Von Cézanne bis de Kooning | 2023/24

Circa 80 Zeichnungen aus der Sammlung von Jasper Johns zeigen zum Großteil den menschlichen Körper - von Cézanne, Picasso, de Kooning zu Kollwitz, Duchamp und Sol LeWitt.
20. September 2023
Robert Delaunay, Kreisformen [Formes Circulaires], Detail, 1930, Öl auf Leinwand, 128.9 x 194.9 cm (Solomon R. Guggenheim Museum, New York

New York | Guggenheim Museum: Orphismus in Paris, 1910–1930 Harmonie und Dissonanz | 2024/25

Mit rund 100 Kunstwerken beleuchtet diese große Ausstellung die lebendige abstrakte Kunst des Orphismus. Zu sehen sind Arbeiten von u.a. Robert Delaunay, Sonia Delaunay Terk, Marcel Duchamp, Mainie Jellett, František Kupka, Francis Picabia und Amadeo de Souza-Cardoso sowie den Synchromisten Stanton Macdonald-Wright und Morgan Russell.
13. September 2023
Picasso, Frauenakt mit verschränkten Armen, Studie für Les Demoiselles d'Avignon, Frühjahr 1907, Öl/Lw, 90,5 x 71,5 cm (Musée Picasso, Paris, Inv.-Nr. MP16)

Paris | Musée du Luxembourg: Gertrude Stein und Picasso Erfindung einer Sprache | 2023/24

Indem die Ausstellung im Musée du Luxembourg die Komplizenschaft der beiden Kunstschaffenden untersucht, ermöglicht sie den Erfindungsreichtum von Picasso und Gertrude Stein nachzuzeichnen - und zeigt auch ihre Zeitgenossen und künstlerischen "Nachkommen" von Matisse, Gris und Duchamp über Johns & Rauschenberg zu Warhol und Bob Wilson.
21. März 2022
Marcel Duchamp, Verrou de sûreté à la cuiller (The Locking Spoon), 1957, © Association Marcel Duchamp / VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Foto Courtesy Collection Attilio Codognato, Venedig

Frankfurt | MUSEUM MMK: Marcel Duchamp Was ist Kunst? | 2022

„Marcel Duchamp“ ist die erste umfassende Ausstellung seit zwei Jahrzehnten, die Werke aus allen Schaffensphasen von 1902 bis 1968 zeigt.
9. Oktober 2021
Krefeld: Beuys - Duchamp

Krefeld | Kaiser Wilhelm Museum: Beuys & Duchamp. Künstler der Zukunft Berührungsprunkt zwischen ironischem Skeptiker & gesellschaftsveränderndem Visionär

Zum ersten Mal stellt das Kaiser Wilhelm Museum in Krefeld das Werk von Joseph Beuys (1921–1986) dem Œuvre des französisch-amerikanischen Objektkünstlers und Wegbereiters der Konzeptkunst Marcel Duchamp (1887–1968) gegenüber.
4. Februar 2013
Poster Picasso/Duchamp - He was wrong, Detail, 2012 © Moderna Museet.

Picasso/Duchamp

Picasso und Duchamp steigen erstmals in den Ring! Zumindest inszeniert das Stockholmer Moderna Museet derzeit Picasso als den „Maler“ gegen Duchamp als das „Gehirn“. Kuratorin Annika Gunnarsson spielt mit dem Gedanken, zwei der wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts wie Boxer gegeneinander antreten zu lassen.