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New York | David Zwirner: Gerhard Richter 3 Scheiben | 2023

Gerhard Richter, Abstrakte Bild, 2016, Öl-Lw, 200 cm x 250 cm, Werkverzeichnis 946-2

Gerhard Richter, Abstrakte Bild, 2016, Öl-Lw, 200 cm x 250 cm, Werkverzeichnis 946-2

Gerhard Richter stellt im Frühjahr 2023 in der Galerie David Zwirner einige seiner letzten abstrakten Ölgemälde aus den Jahren 2016/17 sowie jüngere Arbeiten auf Papier und die aktuelle Skulptur „3 Scheiben“ aus. Der Galerist hatte im Dezember 2022 die Vertretung des deutschen Künstlers angekündigt und präsentiert – parallel zur Ausstellungseröffnung in Berlin – die erste Soloshow in seiner New Yorker Galerie.

Richters letzte Ölgemälde aus den Jahren 2016/17 sind abstrakt, vielschichtig, farbintensiv. Der Künstler trug mit der Rakel Ebenen von vibrierenden Buntfarben auf und wieder ab, bis ein dichtes Geflecht einander überlagernder Farbschlieren entstand. Dabei bewegte sich der Maler stets zwischen Planung und Spontaneität, zwischen Konzept und Freude an der Farbe. Mit dem 200 x 200 cm großen Gemälde „Abstraktes Bild“ (2017, Werkverzeichnis 952-1) schloss der heute 91-Jährige sein malerisches Werk ab.

„Ich sehe mich als Erben einer ungeheuren, großen, reichen Kultur der Malerei, der Kunst überhaupt, die wir verloren haben, die uns aber verpflichtet. Und da ist es nicht leicht, nicht zu restaurieren oder, was genau so schlimm wäre, nicht zu resignieren, nicht zu verkommen.“1 (Gerhard Richter, 1986)

 

 

3 Scheiben (2023)

Im Mittelpunkt der Ausstellung bei Zwirner steht „3 Scheiben“ von 2023, eine neue Glasskulptur, die Richters Auseinandersetzung mit der menschlichen Wahrnehmung und der gebauten Umwelt fortsetzt. Die Installation besteht aus drei aufeinanderfolgenden rechteckigen Scheiben aus transparentem, aber reflektierendem Glas, von denen jede aufrecht steht und fast drei Meter hoch ist.

Die Installation lädt die Betrachter:innen ein, auf, durch und über ihre Oberfläche hinaus zu blicken, und enthüllt die inhärent subjektive und situative Natur der wahrgenommenen Realität. Richter hat seit 1967 konsequent Glas- und Spiegelarbeiten geschaffen, die er oft neben seinen Gemälden und Zeichnungen präsentiert und in den größeren Kontext ihrer umgebenden Architektur stellt. Entscheidend ist, dass diese freistehenden Glasarbeiten, obwohl sie skulptural sind, auch als buchstäbliche Reflexion über Malerei und Bildgestaltung positioniert sind; sie reagieren auf die kunsthistorische Vorstellung des Gemäldes als Spiegel und Fenster und wirken gleichzeitig als kraftvolle Konsequenz auf die Unschärfewirkung von Richters Fotomalereien, mit denen der Künstler in den 1960er Jahren zu experimentieren begann.

„Die gefühlte Analogie zwischen einem komponierten Gemälde und einem kontemplativen Betrachter ist so grundlegend, dass wir uns dessen nicht bewusst sind, bis daran eingegriffen wird. Und genau das tun die Glasstücke: unser Spiegelbild im Sinne unseres reflektierten Bildnisses stört unser Spiegelbild im Sinne unserer Betrachtung.“2 (Hal Foster)

 

 

Arbeiten auf Papier (2021/22)

Eine umfangreiche Reihe neuer Arbeiten auf Papier aus den Jahren 2021/22 – einige mit Tusche und andere mit Grafit und Buntstift – sind ebenfalls zu sehen. Richters Zeichnungen stellen ein wesentliches Element seiner Praxis dar und ermöglichen es ihm, einen weiteren Aspekt der Rolle der Hand des Künstlers bei der Schaffung einer dynamischen und abstrakten Bilderzählung zu untersuchen. Viele dieser Werke weisen Passagen aus wolkigen Grafitabrieb auf, die ebenso verschwommenen, halb gelöschten Teilen gegenüberstehen.

Gerhard Richter bettet ein spärliches Netzwerk aus sich kreuzenden Bögen und Linien in diesen Hintergrund ein und bildet eine rätselhafte Topografie, die die Möglichkeiten der Bildherstellung selbst zu skizzieren scheint. Andere ausgestellte Zeichnungen bestehen aus abstrakten monochromen Tusche- und Graphittuschen, die ein entschieden malerisches Erscheinungsbild annehmen. Wie Richter beschreibt, schlagen diese Arbeiten auf Papier einen parallelen, aber komplementären Weg zu seinem malerischen Œuvre ein, ähnlich dem eines „Gedichts und eines Romans desselben Autors“.

Ebenfalls zu sehen ist „Mood“, eine Gruppe von Tintenstrahldrucken, die sich auf eine aktuelle Serie farbiger Tuschezeichnungen von Richter beziehen, die beide erstmals 2022 in der Fondation Beyeler in Basel gezeigt wurden. Sie gehören zu den umfangreichen Experimente Richters mit der schrittweisen Übersetzung und dem Zusammenspiel von Medien. Durch die Übersetzung und das Zusammenspiel der Medien sind diese farbigen Drucke kaum von ihren Gegenstücken mit Tinte zu unterscheiden, was Richters anhaltende Faszination für die Möglichkeiten der Bildreproduktion offenbart.

Anlässlich seiner Ausstellung bei David Zwirner gibt Richter ein neues, limitiertes Künstlerbuch mit dem Titel „100 Abstrakte Bilder“ heraus. Diese Ausstellung wird von einem vollständig bebilderten Katalog begleitet.

Quelle: Galerie David Zwirner

 

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  1. Interview mit Benjamin H. D. Buchloh 1986, in: Hans-Ulrich Obrist, Gerhard Richter. Text, Frankfurt am Main/Leipzig 1993, S. 123–155, hier S. 137.
  2. Zitiert nach Hal Foster, In a Glass, Darkly, in: Gerhard Richter: Painting After All (Ausst.-Kat. The Metropolitan Museum of Art, New York, 2020), S. 96.
  3. Interview mit Benjamin H. D. Buchloh 1986, in: Hans-Ulrich Obrist, Gerhard Richter. Text, Frankfurt am Main/Leipzig 1993, S. 123–155, hier S. 137.
  4. Zitiert nach Hal Foster, In a Glass, Darkly, in: Gerhard Richter: Painting After All (Ausst.-Kat. The Metropolitan Museum of Art, New York, 2020), S. 96.
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.