Die Geschichte des Wiener Volksgartens ist eng mit der Stadterweiterung und dem Bau der Ringstraße verknüpft. In Folge des Krieges gegen Napoleon wurde 1809 ein Teil der alten Bastionen gesprengt und 1812 schlussendlich geschliffen. 1814/15 wurde der Schutt abgetragen und das Areal eingeebnet. Die „kleine Stadterweiterung“ unter dem Gartenfreund Kaiser Franz II. (I.) ermöglichte, dass der Volksgarten an die künftige Ringstraße herangerückt und vergrößert werden konnte. Die als „Hornwerkskurtine“ bekannte, neu errichtete Befestigungsanlage schloss den nach Plänen von Ludwig Gabriel Remy angelegten Volksgarten ein und bot den Spaziergängern bereits eine schöne Aussicht auf das muntere Treiben.
Österreich / Wien: 1. Bezirk
1819 gibt der Hof dem aus Mailand gekommenen Kaffeesieder Pietro Corti die Erlaubnis zur Errichtung eines „Kaffee- Thee-, und Chokoladen-Ausschanks mit practicablen Tischen, Bänken und auch Gestühle“. Der ungewöhnliche, runde Grundriss des 2. Cortischen Caféhauses folgte dem inneren Wallfuß der „Hornwerkskurtine“ (im 20. Jahrhundert dann liebevoll „Banane“ genannt). Das spätklassizistische Kaffeehaus von Pietro Nobile hatte eine verglaste ionische Steinsäulenkolonnade und eine Terrasse. Hier werden ab 1831 Johann Strauß (Vater) und Josef Lanner auftreten und bis zu 1.500 Besucher anlocken. Am 10. März 1867 dirigierte Johann Strauß (Sohn) hier die erste Aufführung des Donauwalzers in seiner heute überwiegend bekannten Instrumentalfassung.
Da das Kaffeehaus durch Bombentreffer im 2. Weltkrieg schwer beschädigt worden war, wurde es in den Jahren 1947 bis 1953 von Oswald Haerdtl (1899–1959) wieder aufgebaut und um ein Restaurant sowie um eine Milchbar, einen Gastgarten und eine Terrasse erweitert. 1958 wurde das Lokal im Stile der 1950er-Jahre von Oskar Haerdtl umgestaltet. Hinzu kam ein Wintergarten mit ausfahrbarem Glasdach. Der Holzriegelbau mit stark auskragendem Flachdach und die Leichtigkeit des Baukörpers definierte gemeinsam mit dem inzwischen abgerissenen Café Arabia den sog. „Espresso-Stil“ der 50er Jahre. Haerdtl liebte Italien, v.a. Mailand, und seine italienisch-stämmige Frau Carmela Prati-de Vitorelli machte ihn mit italienischen Fachkreisen bekannt, so dass Haerdtl direkten Austausch pflegen konnte.
Der Theseustempel wurde 1819–1823 vom Architekten Pietro Nobile (1774–1854; Hofbaurat ab 1818; Prof. für Architektur an der Akademie seit 1819) im Rahmen der Neugestaltung des Volksgartens erbaut. 1817 entschloss sich Kaiser Franz I., die Vollendung der Theseus-Gruppe zu finanzieren, die 1805 von Napoleon in Auftrag gegeben worden war. 1820 findet sich das erste Dokument, dass die Verbringung der Statue nach Wien thematisiert und aus dem Jahr 1821 eine Nachricht, über die Baupläne des Kaisers. Bei dem spätklassizistischen Bauwerk handelt es sich um eine verkleinerte Nachbildung des sog. „Theseions“ in Athen, die speziell für die Aufstellung eines einzigen zeitgenössischen Kunstwerkes, der Figurengruppe „Theseus besiegt den Kentauren“ von Antonio Canova gebaut wurde. Antonio Canova (1757–1822) wird auch die Idee zur Gestaltung als dorischen Tempel zugeschrieben. Canova wollte zur feierlichen Eröffnung nach Wien kommen, verstarb jedoch. Die Theseus-Statue kam 1822 in Wien an und erst 1823 waren alle Arbeiten vollendet. Tempel und Souterrain fungierten bis zur Eröffnung der Hofmuseen als öffentliche Antikensammlung des Hofes. 1890 wurde die Theseus-Statue in das Stiegenhaus des KHM transferiert.
Hier geht es zu:
Wiener Volksgarten. Brunnen und Café Meierei (Teil 2)
Wiener Volksgarten. Das Grillparzer-Denkmal (1876─1889) (Teil 3)
Wiener Volksgarten. Kaiserin Elisabeth-Denkmal (Teil 4)
Seit einigen Jahren nutzt das Kunsthistorische Museum den Theseus-Tempel als Ort für zeitgenössische Kunst. In den letzten Jahren hat Kurator Jasper Sharp folgende Künstler_innen eingeladen, für Wien ortsspezifische Arbeiten zu entwickeln bzw. ältere Arbeiten auszuleihen: