Das Ausstellungsprogramm des mumok 2018 ist dicht gefüllt mit zwei bedeutenden Retrospektiven zum zeichnerischen Werk von Bruno Gironcoli und Ernst Caramelle. Mit beiden Personalen betreten die Kuratorinnen und Kuratoren Neuland, handelt es sich doch – man glaubt es kaum – um erste institutionelle Präsentationen! Karola Kraus, Direktorin des mumok, kuratiert selbst zwei Sammlungspräsentationen mit Werken aus der Sammlung Alexander Schröder sowie Gaby und Wilhelm Schürmann. Beide charakterisieren sich durch ihre Kunstförderung der letzten 30 Jahre – und geben damit auch gemeinsam einen Überblick über wichtige Fragestellungen und Themen der Kunstproduktion seit den 1980er Jahren.
Der Beitrag des mumok zum Gedenkjahr 1918-2018 ist eine Ausstellung zur Fotografiegeschichte des besagten Zeitraums, gemeinsam kuratiert mit Monika Faber und dem Photoinstitut Bonartes. Wie stellen Fotografien historische Ereignisse dar? Was zeigen sie, und was blenden sie aus?
In der zweiten Jahreshälfte treffen Musik und bildende Kunst aufeinander. Eva Badura-Triska und Edek Bartz zeigen einen Überblick über die Musik-Kunst-Geschichte des 20. Jahrhunderts anhand von „Doppelbegabgungen“: Von Marcel Duchamp bis Nam June Paik und in die Gegenwartskunst gibt es Personen, die in beiden Bereichen tätig sind und maßgebliche Entwicklungen vorangetrieben haben. Die Malerei gelangte den 1960er Jahren unter Druck der medialen Erweiterung des Kunstfeldes, text- und konzeptbasierter Strategien. Die Reaktion der Maler_innen darauf thematisiert Rainer Fuchs und gibt einen Einblick in die mannigfaltigen Formen der Arbeit mit Leinwand und Farbe im Sinne des erweiterten Malerei- und Bildbegriffs.
Zwei Projekte gehen „entgrenzen“ das mumok in Richtung Niederösterreich:
Während des Sommers zeigen acht Künstler_innen Innen- und Außenprojekte in Schloss Buchberg in Gars am Kamp. Gemeinsam mit dem Forum Frohner Krems organisiert das mumok das Symposium zu Werner Hofmann (28.9.2018 mumok, 29.9.2018 im Forum Frohner Krems)
Das zeichnerische Werk des österreichischen Bildhauers ist bislang wenig öffentlich rezipiert worden. Der international für seine Großplastiken bekannte Bruno Gironcoli schuf ein spannungsreiches, erzählerische Zeichnungen, aus denen sowohl seine Arbeitspraxis wie die Entwicklung seiner Themenwelten destilliert werden können: seine Auseinandersetzung mit der Waren- und Konsumwelt des 20. Jahrhunderts, mit Plastik und Verpackungen, mit einer Welt, die zunehmend aus Reproduktionen besteht. Während der Ausstellungsdauer werden zwei Plastiken Gironcolis im MQ Hof zu sehen sein.
Kuratiert von Manuela Ammer
→ Bruno Gironcoli: Das zeichnerische Werk
→ Bruno Gironcoli. In der Arbeit schüchtern bleiben
Die Privatsammlung von Alexander Schröder aus Berlin erlaubt einen Einblick in die Kunstentwicklung der letzten 30 Jahre. Erkennbar sind Bezüge auf das Soziale, queeres Leben, Institutions- und Ökonomiekritik, Auseinandersetzungen mit öffentlichen Räumen und Architektur, Poesie und aktuelle Formen der Kritischen Malerei. Das Arbeiten in Kollektiven kann ebenfalls als strategisches Unterlaufen des Kunstmarktes. Die Auswahl der Werke berücksichtigt die Ausstrahlung Wiener Kunstschaffens in internationalem Kontext.
Kuratiert von Karola Kraus
Die Videoarbeit „AMOS‘ WORLD: Episode One“ ist der erste Teil einer gerade entstehenden dreiteiligen Fernsehserie der amerikanisch-belgischen Künstlerin. Die fiktive Geschichte des Architekten Amos und der Bewohner_innen einer von ihm erbauten Siedlung stellen Fragen zur Realisation der Vorstellungen des Architekten in der Lebenswirklichkeit. Immer wieder unterlaufen die Nutzer_innen die vom Architekten vorgesehenen Strukturen.
Kuratiert von Marianne Dobner
Bildende Künstler_innen, die auch Musik geschrieben und oder performt haben, stehen im Zentrum dieser Gruppenausstellung. Beide Medien haben unterschiedliche Umfelder, Produktionsbedingungen und Einkommensformen – die Verbindungen in den Œuvres verschiedener Künstler:innen sind daher so mannigfaltig wie die Ausübenden. Kunst- und Musikschaffende des 20. Jahrhunderts von Duchamp und den Futuristen, Fluxus-Künstler wie Nam June Paik bis in die Gegenwart werden historisch aufgearbeitet. Welche Rolle spielen diese absichtsvollen „Dilettanten“ der Musik, man denke an die radikale Erweiterung der Klangmaterialität? Wie beeinflusst die Arbeit mit Tönen und Klängen die Ausübung der bildenden Kunst? Dazu interessiert die Kunsthistorikerin Eva Badua-Triska die Performance-Situation, das sie in großen Videoprojektionen und einer Konzertreihe erfahrbar macht.
Kuratiert von Eva Badura-Triska und Edek Bartz.
Gaby und Wilhelm Schürmann sammeln seit Ende der 1970er Jahre internationale Gegenwartskunst. Die in Herzogenrath bei Aachen und Berlin beheimatete Sammlung umfasst Werkkomplexe von Günther Förg, Georg Herold, Martin Kippenberger und Albert Oehlen, ergänzt durch amerikanische Kunst der 1990er Jahre wie Stephen Prina, Mike Kelley, Paul McCarthy u.v.m. Die Überzeugung des Sammlerehepaars, dass Kunst nicht besessen werden, sondern Teil des öffentlichen Austauschs sein soll, stellen sie die von ihnen erworbenen Werke regelmäßig dem Publikum zur Verfügung.
Kuratiert von Karola Kraus und Wilhelm Schürmann.
Das Außenprojekt in Schloss Buchberg, in Gars am Kamp präsentiert eine jüngere Generation von Künstlerinnen und Künstlern, die starke Architektur, Raum- und Geschichtsbezüge aufweisen. Das Ehepaar Bogner schenkte bereits vor Jahren ihre Sammlung dem mumok, nun kooperierten sie für eine Sommerausstellung mit der Wiener Institution. Die Innen- und Außenprojekte werden von acht Künstler:innen entwickelt: Martin Beck, Michael Beutler, Josef Dabernig, Nikita Kadan, Hanne Lippard, Ulrike Müller, Nicole Six / Paul Petritsch, Sofie Thorsen.
Kuratiert vom kuratorischen Team des mumok.
Wie reflektieren Fotografien die österreichische Zeitgeschichte der letzten 100 Jahre? Gemeinsam mit Monika Faber und dem Photoinstitut Bonartes zeigt das mumok österreichische Fotografiegeschichte von 1918 bis 2018. Dieses Projekt ist der Beitrag des mumok zum Jubiläumsjahr 1918/2018.
Kuratiert von Monika Faber und Susanne Neuburger.
Individuen, sozialen Milieus und Gruppen von Personen, die unter ökonomischem und sozialem Druck stehen, sind die Protagonisten der Filme und Fotografien von Loretta Fahrenholz. Das Gruppenverhalten spiegelt Ängste der aktuellen Mediengesellschaft wider. Farhenberg arbeitet mit Rollenspielen und spielt an unterschiedliche Filmgenres – Science Fiction, Dokumentation,Prono, Fantasy – an. Die sich auftuendenden Brüche zwischen formalen und inhaltlichen Irritationen geben einen Einblick in medial geprägte Verhaltensweisen. Für ihren neuen Film plant sie mit der in New York beheimateten Wooster Group zusammenzuarbeiten, die als Pioniere der Bühnenkunst mit der Verbindung von Tanz, Theater und Medien seit den 70er Jahren das postdramatische Theater vorangetrieben haben.
Kuratiert von Matthias Michalka.
Das gemeinsam mit Jakob Lena Knebl entwickelte Vermittlungsbuch „55 Dates“ enthält eine Reise durch die Sammlung des mumok. In der gleichnamigen Sammlungspräsentation kommt es zu überraschenden Begegnungen zwischen Kunstwerken, verspricht Kuratorin Susanne Neuburger.
Kuratiert von Susanne Neuburger und Jörg Wolfert.
Der wissenschaftliche Nachlass von Ernst Schmidt und eine Dauerleihgabe von Kurt Kren, bestehend aus Partituren, Notizen, Skizzen, Filmen (gehört der Republik Österreich), werden in einer Gegenüberstellung präsentiert. Beide Werkkomplexe sollen einander gegenseitig erhellen und kontextualisieren, so das Ziel des Kuratorenteams.
Kuratiert von Marie-Therese Hochwartner, Naoko Kaltschmidt, Matthias Michalka, Susanne Neuburger.
Zehn Expert_innen nominieren jeweils zwei Künstler_innen mit Lebensmittelpunkt in Österreich. Aus dieser Gruppe wählt eine international besetzte Jury unter Vorsitz von mumok Direktorin Karola Kraus und Georg Kapsch, CEO der Kapsch Group, im Frühjahr 2018 eine:n Preisträger:in. Der mit 5.000 EURO dotierte Preis wird im Herbst durch eine Einzelausstellung im mumok samt Publikation und Ankauf für die Sammlung des mumok ergänzt.
Das mumok richtet die erste Retrospektive von Ernst Caramelle aus! Caramelle schloss 1976 sein Studium bei Oswald Oberhuber mit einer „Box“ ab, in der er alle seine medialen Arbeiten – Film, Text, Fotos, Tonband, Zeichnung – versammelte. Der Titel „Resumée“ war Programm. Er bringt, so die Kuratorin Sabine Folie, die Zeichnung, das disgeno, die Figuration mit der Farbe zusammen. Er konterkariert den Konstruktivismus mit Hilfe der shandy‘istischen Linie, mit Bild- und Wortwitz. Caramelles Leichtigkeit und Unangestrengtheit ist legendär. Die Ausstellung, die Sabine Folie mit dem Künstler gemeinsam erstellt, wird in einem Künstlerbuch / Überblickspublikation weitergeführt.
Kuratiert von Sabine Folie
Die Krise der Malerei der Neoavantgarde in den 60er und 70er Jahren war durch theorieaffine, mediengestützte, textorientierte Kunst ausgelöst worden. Die Innovationen hinterließen Spuren in der Malerei. Roman Opalka entzog sich beispielsweise der Frage, wann ein Gemälde abgeschlossen wäre, indem er begann auf der Leinwand von 1 bis Unendlich zu zählen. Erst der Tod beendete 2011 dieses Projekt, das eine Pionierarbeit der konzeptbasierten Selbstbesinnung, Selbstfindung der Malerei (Metamalerei, Verhältnisse der Farben zueinander, Farbwirkungen beispielsweise). Die Minimal Art hat dies durch Nüchternheit und Objekthaftigkeit, Antiillusionismus, „Inhaltslosigkeit“ erweitert – Frank Stella, Jo Baer. In Fotografien und Filmen dachte John Baldessari über Malerei nach, das Werk von Dan Flavin immaterialisiert die Malerei durch Licht. Österreichische Kunst ist neben Ernst Caramelle, Mark Adrian, Roland Goeschl, Helga Philipp und einige mehr vertreten, die für den erweiterten Malerei- und Bildbegriff stehen.
Kuratiert von Rainer Fuchs