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Schirn | Bruno Gironcoli. Prototypen einer neuen Spezies Monumentale Plastiken und irritierende Environments

Veröffentlicht von Alexandra Matzner von 3. Dezember 2018
Bruno Gironcoli, Figur mit großen Scheibenformen und Spitzköpfen sowie zwei (nicht ausgeführten) Spiralformen, 1986–1990/1995, Eisen, Holz, Kunststoff, 300 x 245 x 210 cm (Gironcoli Museum, Herberstein, © the Estate Bruno Gironcoli, Foto: Hans Christian Krass)

Bruno Gironcoli, Figur mit großen Scheibenformen und Spitzköpfen sowie zwei (nicht ausgeführten) Spiralformen, 1986–1990/1995, Eisen, Holz, Kunststoff, 300 x 245 x 210 cm (Gironcoli Museum, Herberstein, © the Estate Bruno Gironcoli, Foto: Hans Christian Krass)

Der Österreicher Bruno Gironcoli (1936–2010) ist einer der wichtigsten Bildhauer seiner Generation. In einer persönlich gefärbten, individuellen Bildsprache schuf er ab den frühen 1960er Jahren in einer schier nicht enden wollenden erfinderischen Unersättlichkeit ein sehr eigenwilliges, singuläres Œuvre. Mit immer neuen Werkgruppen gelang es ihm, eine jeweils unverkennbare, überraschende Sprache zu finden. Nacheinander entstanden Drahtplastiken, Hohlkörperformen, Polyesterobjekte und irritierende Environments. Der Mensch mit seinen Abgründen befand sich dabei im Zentrum der künstlerischen Arbeit Gironcolis. Existenzielle Fragen und einen durchaus politisch motivierten Avantgardegedanken teilte er mit den Kollegen der Wiener Szene.

Bruno Gironcoli. Prototypen einer neuen Spezies

Deutschland | Frankfurt a. M.: Schirn Kunsthalle Frankfurt
14.2. – 12.5.2019

Gironcolis Ästhetik der Maßlosigkeit und der Opulenz, die ständig Wucherungen und Schnörkel ausbildete, hat unzählige jüngere Künstler inspiriert. 1977 übernahm der Exzentriker Gironcoli die Leitung der Bildhauerschule der Akademie der bildenden Künste in Wien. Ermöglicht durch die nun großzügige Ateliersituation entstanden erstmals raumfüllende, oft raumsprengende Skulpturen. In einer eindringlichen Ausstellung präsentiert die Schirn Kunsthalle Frankfurt Ausschnitte aus Gironcolis monumentalem Spätwerk. Als seien sie einem Theater des Absurden oder einer surrealen Traumwelt entsprungen, erscheinen die gigantischen Objekte wie Prototypen einer neuen Spezies, getaucht in glänzende, verführerische Oberflächen aus Gold, Silber und Kupfer. Fremdartig und doch vertraut sind sie mit ihren organischen Formen und den Versatzstücken einer Alltagskultur, die sich häufig am Lokalen orientiert: Bald glaubt man ein Weinfass zu erkennen, eine Ähre, eine Weinrebe. Dann wieder inszeniert Gironcoli einen seltsamen Aufmarsch von Säuglingen oder eine imposante ameisenartige Skulptur. Seine grandiosen und irritierenden Werke überraschen stets als postmoderne Pastiches.

Gironcolis Großplastiken wirken in der lichtdurchfluteten Halle der Schirn Kunsthalle wie riesige, eigentümliche Konstrukte. Ihre metallisch wirkenden Oberflächen lassen sie wie überdimensionierte Festwägen oder gar UFOs erscheinen. Dem Wiener Objektkünstler gelingt es, unterschiedlichste Assoziationsketten in Gang zu setzen. Themen wie Fruchtbarkeit und Sexualität, Religiosität, Körper-Seele-Dichotomie werden ergänzt mit Symbolen der Macht und der Repräsentation. An diese fügen sich Elemente des Österreich-Kitschs an, wie das Edelweiß. Obschon die Werke Gironcolis wie metallgegossene Ungetüme aussehen, sind sie doch fragile Objekte. Dass die Schirn sechs der monumentalen Arbeiten, die seit 1977 entstanden sind, nach Frankfurt holt, belegt die internationale Bedeutung Gironcolis. Streng im Raster positioniert, verstromen sie ihre Aura des Archaischen genauso wie des Technoiden. Die Archäologie der Zukunft, die der langjährige Akademieprofessor Gironcoli unternahm, wirft einen Blick auf Vergangenes und noch nicht Seiendes. Eine "Erklräung" muss man daher schuldig bleiben.

Kuratiert von Dr. Martina Weinhart, Schirn Kunsthalle Frankfurt.

 

Bruno Gironcoli, Ohne Titel, 1996, Eisen, Holz, Kunststoff, 460 x 220 x 410 cm (Gironcoli Museum, Herberstein, © the Estate Bruno Gironcoli, Foto: Hans Christian Krass)
Bruno Gironcoli, Ohne Titel, 1996, Eisen, Holz, Kunststoff, 460 x 220 x 410 cm (Gironcoli Museum, Herberstein, © the Estate Bruno Gironcoli, Foto: Hans Christian Krass)

 

Schirn: Bruno Gironcoli. Prototypen einer neuen Spezies: Bilder

  • Bruno Gironcoli, Figur mit großen Scheibenformen und Spitzköpfen sowie zwei (nicht ausgeführten) Spiralformen, 1986–1990/1995, Eisen, Holz, Kunststoff, 300 x 245 x 210 cm (Gironcoli Museum, Herberstein)
  • Bruno Gironcoli, Ohne Titel, 1996, Eisen, Holz, Kunststoff, 460 x 220 x 410 cm (Gironcoli Museum, Herberstein)
  • Bruno Gironcoli, Ohne Titel, 2001, Eisen, Holz, Kunststoff, 230 x 260 x 230 cm, Gironcoli Museum, Herberstein)
  • Bruno Gironcoli im Frankfurter Kunstverein 1981, Foto: Walter Kranl

Beiträge zur Kunst von Bruno Gironcoli

3. April 2024
Bruno Gironcoli, Ohne Titel, 1980-1985 (ALBERTINA, Wien – Schenkung von Agnes Essl © Bruno Gironcoli)
Veröffentlicht von ARTinWORDS.de Redaktion von 3. April 2024

Wien | Albertina modern: Bruno Gironcoli – Toni Schmale Zeichnungen und Skulpturen | 2023/24

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13. Juli 2022
Cornelius Kolig, Variationsobjekt aus dem Plexi-Plastik-Baukasten, 1969, Plexiglas. Hartschaum, Polyester, Eisen vernickelt (ALBERTINA, Wien – Schenkung Dagmar Chobot 2020)
Veröffentlicht von ARTinWORDS.de Redaktion von 13. Juli 2022

Wien | Albertina: Die Sammlung Chobot

Die 2022 gezeigte Auswahl ermöglicht einen umfassenden Einblick in die wichtigsten Werke der Schenkung von Sammlung von Dagmar und Manfred Chobot: über 800 Werke der österreichischen Kunst nach '45.
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2. Februar 2018
Bruno Gironcoli, Entwurf IV, 1967–1970, Tusche, Deckfarben auf Papier, 62 x 89 cm (mumok Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Leihgabe der Artothek des Bundes seit 1976, © BRUNO GIRONCOLI WERK VERWALTUNG GMBH / ESTATE BRUNO GIRONCOLI)
Veröffentlicht von Alexandra Matzner von 2. Februar 2018

Bruno Gironcoli. In der Arbeit schüchtern bleiben Zeichnungen des österreichischen Bildhauers

Der Bildhauer und Objektkünstler Bruno Gironcoli (1936–2010) schuf kontinuierlich großformatige, grafische Arbeiten. Im Laufe der Jahre wurden die Blätter zunehmend malerischer– mehr als bloße Skizzen für die Bildhauerei.
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Aktuelle Ausstellungen

12. Dezember 2025
Albrecht Dürer, Jakob Fugger, Detail, um 1520, Tüchlein Leinwandgewebe in Leinwandbindung, 69,4 x 53 cm(Bayerische Staatsgemaeldesammlungen, München)
Veröffentlicht von Alexandra Matzner von 12. Dezember 2025

Augsburg | Schaezlerpalais: Jakob Fugger und sein Erbe. Reichtum der Kunst

Anlässlich der 500. Wiederkehr von Jakob Fuggers Todestag widmet Augsburg des Geschäftsmann und Kunstsammler einer große Ausstellung - mit Werken aus den Fürstlich und Gräflich Fuggerschen Stiftungen!
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5. Dezember 2025
Helene Schjerfbeck, Selbstporträt, Detail, 1912, Öl auf Leinwand, 43.5 × 42 cm (Finnish National Gallery Collection, Ateneum Art Museum, Helsinki (A-2016-51). Foto: Finnish National Gallery / Yehia Eweis)
Veröffentlicht von ARTinWORDS.de Redaktion von 5. Dezember 2025

New York | The Met Fifth Avenue: Helene Schjerfbeck Seeing Silence | 2025/26

Die Ausstellung im Met Fifth Avenue verfolgt Helene Schjerfbecks Wandel von traditionellen, realistischen Motiven zu einem vereinfachenden, konzentrierten Stil, der ihr einen Platz unter den Pionierinnen der Moderne sichert.
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28. November 2025
Giorgio Morandi, Natura Morta, 1959 (Privatsammlung, © VG Bild-Kunst, Bonn 2025)
Veröffentlicht von ARTinWORDS.de Redaktion von 28. November 2025

Siegen | MGKSiegen: Giorgio Morandi

Giorgio Morandi (1890–1964) widmete sich der Darstellung einfacher, alltäglicher Objekte wie Flaschen, Krügen, Vasen und Schalen. Gerade in den Wiederholungen immer gleicher Objekte treten die minimalen Differenzen als große Ereignisse hervor. Siegen widmet dem Italiener eine konzentrierte Schau, in der seine ruhigen Stillleben auf Werke von Kolleg:innen treffen.
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Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.
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