0

München | Pinakothek der Moderne: K. H. Hödicke Arbeiten auf Papier in der Staatlichen Graphischen Sammlung München

K. H. Hödicke, Entwurf, Detail, 1972, Bleistift und Wachsmalstift auf Papier, 297 x 210 mm (Staatliche Graphische Sammlung München, Schenkung S. K. H. Herzog Franz von Bayern 2019, Foto: Staatliche Graphische Sammlung München © VG Bild-Kunst, Bonn 2020)

K. H. Hödicke, Entwurf, Detail, 1972, Bleistift und Wachsmalstift auf Papier, 297 x 210 mm (Staatliche Graphische Sammlung München, Schenkung S. K. H. Herzog Franz von Bayern 2019, Foto: Staatliche Graphische Sammlung München © VG Bild-Kunst, Bonn 2020)

K. H. Hödicke, der Berliner Maler, wird in der Pinakothek der Moderne und einem zweibändigen Katalog als Zeichner von duftigen DIN-A4-Blättern und monumentalen malerischen Gouachen vorgestellt. Der Erwerb von 53 Arbeiten auf Papier durch die Staatliche Graphische Sammlung München wie eine zweijährige Zusammenarbeit ihres Direktors Michel Hering mit dem Künstler ermöglichen, Hödicke als gewitzten, sich mit der Pop-Art, Konzeptkunst und seiner Umgebung höchst innovativ beschäftigenden Maler kennenzulernen.

Der in den 1960er Jahren als Wortführer einer kleinen Gruppe figurativer Maler erstmals auftretenden Hödicke prägte neben Markus Lüpertz u.a. die deutsche Malerei maßgeblich. Als Schüler von Fred Thieler an der Westberliner Kunsthochschule wandte sich der 1938 geborene Künstler von der zum Akademismus erstarrenden Abstraktion (→ Abstrakter Expressionismus | Informel) ab und einer neuen figurativen Malerei mit expressivem Duktus zu. Etwa gleichzeitig begann er sich in seinen DIN-A4-Zeichnungen mit der Großstadt auseinanderzusetzen: Neonreklame, Fenster mit Spiegelungen, kleine Objekte des Alltags, formale Entsprechungen (Kirschen – Fahrradfahrer) und damit ausgesuchte Bildwitze. Die kleinformatigen Zeichnungen dienten dem Maler als Notizbuch, als Bildquelle, als Experimentierfeld und sprühen vor subtilem Humor, ohne auf Selbstironie zu vergessen.

 

 

Die ab Mitte der 1970er Jahre entstehenden großformatigen Gouachen hingegen changieren zwischen Proben für Gemälde und eigenständigen Werken. In ihnen zeigt der seit 1974 an der Westberliner Akademie lehrende Hödicke, wie figurative Malerei neben Konzeptkunst und Minimalismus weiterexistieren kann: direkte alla-prima-Malerei mit expressiver Pinselschrift und leuchtendem Kolorit, mit reduzierter Formensprache und subjektiver Motivwahl. Seine Suche nach dem „Wesen“ der Dinge führte ihn über einen abstrahierenden Weg. Weniger ist mehr, lässt sich zu den Gouachen Hödickes sagen.

Mit München verbindet ihn viel, hat K. H. Hödicke hier einen Teil seiner Kindheit und Jugend verbracht. Museumsbesuche im Lenbachhaus und der Pinakothek zählten kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs zu seinen Lieblingsbeschäftigungen, wobei ihn die Farbenpracht der Bilder des Blauen Reiter und die Bravourmalerei der Alten Meister nachhaltig prägten. Und doch war es die Großstadt Berlin, in der er zum Künstler ausgebildet zu einem „Klassiker“ der jüngeren deutschen Kunstgeschichte wurde. Dass das geteilte Berlin die einzige Großstadt mit einer Stadtmauer war und er lange in der Nähe des Brachlandes an der Mauer arbeitete, prägte K. H. Hödickes Bildwelt nachhaltig. Dass dieses Berlin längst der Vergangenheit angehört, erweitert den Blick auf seine Bilder um den Aspekt der Erinnerung. Da sich der Maler nicht als „Chronist“ bezeichnen lassen will, und künstlerische, formale Fragen in den Vordergrund stellt, fragt Michael Hering spannenderweise danach, ob nicht der Einfluss des Informel größer war, als die figurative Malerei Hödickes prima vista vermuten lässt. Die Auseinandersetzung war eine produktive, wie der „Informel-Saal“ veranschaulicht.

 

 

Hödicke auf Papier in München

„K. H. Hödicke. Eine Retrospektive“ thematisiert die Grafiken des in Berlin lebenden Malers, ohne auf eine Auswahl an malerischen Werken zu verzichten. Die bereits ikonischen Bilder aus den Serien „Reflexionen“ und „Spiegelungen“ werden mit Werken aus den 80ern und 90ern sowie einer Gruppe von kleinformatigen Bronzen gruppiert. Und dennoch: Michael Hering stellt großformatige Malereien auf Papier der 1970er und 1980er Jahren ins Zentrum der Schau. Die kleinformatigen DIN-A4-Zeichnungen der späten 1960er bis 1970er gingen diesen autonomen Kunstwerken als Ideenpool voraus. In der Pinakothek der Moderne sind 80 DIN-A4-Zeichnungen zu sehen. In den späten 1980ern und frühen 1990ern schuf Hödicke sogenannten Croquis-Studien auf vorgefundenen Kartonpappen.

Der Fülle an Werken auf Papier wird eine konzentrierte Auswahl malerischer Hauptwerke aus der Serie Reflexionen aus der Mitte der 1960er Jahre und Spiegelungen aus den späten 1960er und frühen 1970er Jahren gegenübergestellt, ergänzt um einige wenige charakteristische Gemälde der 1980er und frühen 1990er Jahre sowie nicht zuletzt einer Gruppe kleinformatiger Bronzen.

 

K. H. Hödicke. Eine Retrospektive: Ausstellungskatalog

Band 1: K. H. Hödicke. Din A 4, ca. 400 Seiten, mit einem Vorwort und Essay von Michael Hering sowie mit einer Biographie und einem Ausstellungsverzeichnis
Band 2: K. H. Hödicke. Mixed Media, ca. 400 Seite, mit einem Vorwort von Michael Hering und 100 Aphorismen, Sentenzen und Zitaten von K. H. Hödicke
370 ganzseitige Farbabbildungen
Verlag der Buchhandlung Walther König

 

K. H. Hödicke: Bilder

  • K. H. Hödicke im Atelier Dessauer Straße, 1982, Foto: Elvira Hödicke
  • K. H. Hödicke, Entwurf, 1972, Bleistift und Wachsmalstift auf Papier, 297 x 210 mm (Staatliche Graphische Sammlung München, Schenkung S. K. H. Herzog Franz von Bayern 2019)
  • K. H. Hödicke, Doppel-Pappel, 1989/1990, Kunstharzfarbe auf Leinwand, 190 x 150 cm (Privatbesitz)
  • K. H. Hödicke, Monumentale Stadtansicht, 1976, Mischtechnik auf Papier, 606 x 897 mm (Staatliche Graphische Sammlung München)

Aktuelle Ausstellungen

1. Februar 2025
Ithell Colquhoun, Scylla, 1938 (Tate. © Spire Healthcare, © Noise Abatement Society, © Samaritans)

St Ives | Tate St Ives: Ithell Colquhoun Between Worlds | 2025

Über 200 Kunstwerke und Archivmaterialien zeichnen Ithell Colquhouns Entwicklung nach, von ihren frühen Studienarbeiten und ihrer Auseinandersetzung mit der surrealistischen Bewegung bis hin zu ihrer Faszination für die ineinandergreifenden Bereiche von Kunst, sexueller Identität, Ökologie und Okkultismus.
30. Januar 2025
Ivan Grohar, Das Feld von Rafolče, 1903 (Foto: Belvedere, Wien)

Wien | Unteres Belvedere: Slowenische Malerei 1848−1918 Die Welt in Farben | 2025

Die slowenische Malerei um 1900 begeistert mit einer intensiven Beschäftigung mit der Farbe. Das Studium ihrer dekorativen Wirkung, Symbolik, Ausdruckskraft und technischen Anwendung stand selten so sehr im Mittelpunkt.
30. Januar 2025
Manufaktur Du Paquier, Trembleuse, Wien, um 1725, Hartporzellan, Eisenrot, Aufglasurfarben, Tasse: 8,0 × 9,0 × 6,5 cm, Untertasse mit Trembleusegalerie: 3,8 × 12,7 cm Dm (The Princely Collections, Vaduz–Wien, PO 2642)

Wien | Gartenpalais Liechtenstein: Porzellan und Sammellust im barocken Wien Wunder und Wissenschaft | 2025

Die Porzellane der Manufaktur Du Paquier sind gemeinsam mit asiatischen Vorbildern, kostbaren Lack- und Silberarbeiten sowie Gemälden ausgestellt.
29. Januar 2025
Félix Vallotton, Große Wolke bei Honfleur, 1909, Öl auf Leinwand, 89 x 116 cm (Kunstmuseum Bern, Leihgabe)

Vevey | Musée Jenisch Vevey: Hommage an Félix Vallotton Vallotton und die zeitgenössische Kunst | 2025

Félix Vallotton im Dalog mit Caroline Bachmann, Mathieu Dufois, Valérie Favre, Nicolas Party, Françoise Pétrovitch, François Réau und Denis Savary.
28. Januar 2025
Djanira da Motta e Silva, Três Orixás, 1966, Öl auf Leinwand, 130,5 x 195,5 cm (Pinacoteca do Estado de São Paulo, São Paulo)

London | Royal Academy of Art: Geburt der Moderne in Brasilien Kulturen, Idetitäten und Landschaften | 2025

Die Ausstellung bietet einen erweiterten Einblick in die brasilianische Moderne und zeigt Werke von Künstler:innen, die bislang wenig Beachtung fanden, darunter Tarsila do Amaral und Anita Malfatti, die Autodidakten Alfredo Volpi und Djanira da Motta e Silva, der afrobrasilianische Künstler Ruben Valentim und der Performancekünstler Flávio de Carvalho.
26. Januar 2025
Edvard Munch, Zugrauch, 1900, Öl auf Leinwand, 84,5 x 109 cm (Munchmuseet, Oslo, Foto: Munchmuseet / Halvor Bjørngård)

Riehen b. Basel | Fondation Beyeler: Nordlichter Skandinavische und kanadische Landschaften | 2025

Landschaften von Künstler:innen aus Skandinavien und Kanada, die zwischen 1880 und 1930 entstanden sind, vermitteln die "Seelenlandschaft" der borealen Wälder (südlich und nördlich des Polarkreises).
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.