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Bonn | Bundeskunsthalle: 1920er Im Kaleidoskop der Moderne | 2023

Lotte B. Prechner, Jazztänzerin, Detail, 1929, Öl und Tempera auf Holz (LVR-LandesMuseum Bonn, © Foto: Jürgen Vogel)

Lotte B. Prechner, Jazztänzerin, Detail, 1929, Öl und Tempera auf Holz (LVR-LandesMuseum Bonn, © Foto: Jürgen Vogel)

Die 1920erJahre gelten als Umbruchphase und Experimentierfeld der westlichen Moderne. Die Gleichzeitigkeit und Radikalität dieser Epoche verleiht ihr noch im 21. Jahrhundert eine bemerkenswerte Aktualität und bildet den Ausgangspunkt dieser Ausstellung. Kaleidoskopartig wird die Vielfalt der unterschiedlichen Bilder und Stimmen zu immer neuen Konstellationen zusammengefügt, die den Blick für die Einzigartigkeit der Ereignisse sowie für die Analogien zur heutigen Zeit gleichermaßen schärfen sollen.

Das Jahrzehnt wird einerseits von einer tiefen Zerrissenheit geprägt, andererseits wird es von einem ungebrochenen Fortschrittsglauben und noch nie dagewesenem Innovationsschub in allen gesellschaftlichen Bereichen (Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik) erfasst. Das Wort NEU entwickelt sich zum allgegenwärtigen Schlagwort der Epoche. Obgleich richtungsweisende Entwicklungen bereits vor 1900 einsetzten, kommen sie erst Jahrzehnte später – durch eine immense Beschleunigung und internationale Verflechtungen entfesselt – richtig zum Tragen.

Auch Kunst und Kultur erheben selbstbewusst den Anspruch, die „neue Wirklichkeit“ mitgestalten zu wollen. Weitgespannte Künstlernetzwerke entfalten ihre Wirkungsmacht über die traditionellen Kunstzentren um/nach 1900 – Paris, Wien, München, London – hinaus, die bis in die USA, nach Lateinamerika und Asien ausstrahlt. Die rasante Internationalisierung des Kunstbetriebs erweitert die etablierte Netzgeografie um weitere Kunstmetropolen wie Berlin, Moskau, Rom, Prag, New York oder Mexiko City. Gesellschaftliche Umbrüche, politische Divergenzen, Massenkommunikation und Mobilität tragen zur Ausbildung urbaner, multikultureller Avantgarden bei, deren Mitglieder sich jenseits der Generationsgrenzen durch programmatische Orientierung und multimediale Kunstpraxis definieren. Es ist eine Epoche der Kontraste und Konflikte, in der sich unterschiedliche Kunstpositionen nebeneinander behaupten.

1920er in der Bundeskunsthalle Bonn

Die Disziplinen übergreifend angelegte Ausstellung in der Bundeskunsthalle will dieses kaleidoskopartige Bild der 1920er Jahre einer aktuellen Betrachtung unterziehen. Drei große Themenkomplexe bestimmen und strukturieren das Ausstellungsnarrativ: Das Phänomen der Großstadt als Biotop und Zerrbild der Moderne; der Diskurs über die neuen Rollenbilder von Frau und Mann sowie die Konstruktion und Wahrnehmung der neuen Lebenswelten. Dabei soll nicht nur der Topos der verrückten, wilden Jahre bemüht, sondern die ästhetischen Zirkulationsprozesse zwischen den einzelnen Kunstströmungen und Kunstzentren jenseits der gängigen (geo-kultur-politisch sanktionierten) Denkmuster von Zentrum und Peripherie offengelegt werden.

In der Bundeskunhalle werden die prägenden Phänomene dieser Epoche – Globalisierung, Geschwindigkeit, Experimentierlust, Hinterfragung der Geschlechterrollen, urbane Lebenswelten, die Vielfalt künstlerischer Konzepte, veränderte Sehgewohnheiten, Technisierung, Massenkommunikation – erfasst und ein differenzierter Einblick in das Kaleidoskop der Moderne gewährt. Gleichzeitig stehen mögliche Parallelen zu den Entwicklungen in den ersten Dekaden des 21. Jahrhunderts bewusst im Raum.
Kuratorin und Ausstellungsleiterin: Agnieszka Lulińska

Ausgestellte Künstler:innen

Max BeckmannClaude Cahun | Sonia Delaunay → Sonia Delaunay. Malerei, Design und Mode | Mariano Fortuny | Germaine Krull | Lotte B. Prechner | Madeleine Vionnet

1920er in Bonn: Werke

  • Lotte B. Prechner, Jazztänzerin, 1929, Öl und Tempera auf Holz (LVR-LandesMuseum Bonn, © Foto: Jürgen Vogel)
  • Max Beckmann, Rugbyspieler, 1929, Öl auf Leinwand (© Lehmbruck Museum, Duisburg, Foto: Bernd Kirtz)
  • Sonia Delaunay, Kasak, um 1925, Gewirkte Seide (© Foto: Stiftung August Ohm)
  • Sonia Delaunay, Atelier Simultane: Ses peinture, ses objets, ses tissus simultanes, ses modes / Atelier Simultane: Malerei, Objekte, Stoffe und Mode, 1925, Farbpochoirs auf Vélin (Portfolio) (© Foto: Stiftung August Ohm, Hamburg)
  • Madeleine Vionnet, Gesellschaftskleid, um 1925, Crêpe, Georgette, Glasperlen (Foto: Förderverein Meisterhäuser e.V., © Doreen Ritzau)
  • Mariano Fortuny, Abendkleid „Delphos“, um 1930, Seiden-Plisée (Foto: Förderverein Meisterhäuser e.V., © Doreen Ritzau)
  • Claude Cahun, Aveux non avenus [Ungültiges Geständnis], 1929/2002, Neuabzug Gelantineentwicklungspapier (© Münchner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie)
  • Germaine Krull, Autoportrait (Selbstporträt mit Icarette), 1925, Fotografie (signiert) (Stiftung Ann und Jürgen Wilde, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Sibylle Forster © Estate Germaine Krull, Museum Folkwang, Essen)