Die Fotografie der 1920er und 1930er Jahre in Deutschland steht zwischen Innovation und Kontinuität. Von den einschneidenden gesellschaftlichen Umwälzungen nach dem Ende des Ersten Weltkrieges nicht unberührt, wurden ungewöhnliche Perspektiven, verschiedene Stile und Kontraste zum Ausdrucksmittel der sich verändernden Lebensumstände und politischen Landschaft.
Deutschland | Frankfurt a. M.: Städel Museum
30.6. – 24.10.2021
Das Städel Museum zeigt im Sommer 2021 eine Ausstellung über Tendenzen und Bewegungen in der Fotografie der Moderne, u.a. Neues Sehen. Die Schau präsentiert eine Auswahl von rund 120 wegweisenden Fotografien aus dem mehr als 5.000 Arbeiten umfassenden Bestand der Fotografie-Sammlung des Städel sowie Leihgaben von prominenten Vertreterinnen und Vertretern wie Alfred Ehrhardt, Hans Finsler, Lotte Jacobi, Felix H. Man, Albert Renger-Patzsch, Erich Salomon, August Sander, Lucia Moholy, Umbo (1902–1980), Paul Wolff oder Yva (1900–1944) sowie eine Reihe wenig bekannter, von Carl Albiker, Karl Theodor Gremmler und Paul W. John.
Die Fotografie hat zwischen den Jahren 1918 und 1939 – wie in kaum einer anderen Zeit – die Kunstwelt und den Alltag geprägt. In sieben thematischen Kapiteln werden wesentliche Aspekte der künstlerischen Beschäftigung mit der Fotografie und deren Einsatz in verschiedenen Gebrauchskontexten in ihrer gesamten motivischen Bandbreite vorgestellt.
Historische Zeitschriften, Bücher und Plakate ergänzen die fotografischen Arbeiten und veranschaulichen ihre Verwendung in unterschiedlichen Medien. Die 1920er Jahre boten für Fotografinnen und Fotografen zahlreiche neue Tätigkeitsgebiete, von der Illustration von Zeitschriften und Büchern bis hin zur Gestaltung von Werbung.
Doch ebnete nicht nur diese wirtschaftliche Art der Nutzung der Fotografie den Weg für ihre starke Präsenz im öffentlichen Raum. Als scheinbar authentisches Abbild der Wirklichkeit wurde sie auch von politischen Bewegungen als Mittel der Gewinnung und Steuerung der Massen erkannt. Die in der Weimarer Republik mit der Kamera entwickelten neuen Sehweisen wurden ab 1933 bruchlos übernommen. Im Unterschied zur Diffamierung der Avantgarde in den bildenden Künsten gab es in der Fotografie keine gestalterischen Einschränkungen – die moderne Bildsprache hatte sich bereits fest im visuellen Gedächtnis etabliert und wurde im NS-Staat für propagandistische Zwecke eingesetzt.
Kuratiert von Kristina Lemke (Wissenschaftliche Mitarbeiterin für Fotografie, Kunst der Moderne, Städel Museum)
Quelle: Städel Museum, Frankfurt