Die Dulwich Picture Gallery präsentiert die erste große Ausstellung von Holzschnitten der führenden Abstrakten Expressionistin Helen Frankenthaler (1928–2011) in Großbritannien (→ Abstrakter Expressionismus | Informel). Die bahnbrechenden Holzschnitte der Künstlerin wurden teils noch nie zuvor in Großbritannien gezeigt. Sie zeigen Frankenthaler als kreative Druckgrafikerin, die die Möglichkeiten des Mediums auf erstaunliche Art vorangetrieben hat.
Großbritannien | London: Dulwich Picture Gallery
15.9.2021 – 18.4.2022
Im Alter von nur 23 Jahren schuf Frankenthaler mit „Mountains and Sea“ (26.10.1952), das erste Gemälde mit ihrer charakteristischen Soak-Stain-Technik. Die Malerin goss verdünnte Farbe direkt von oben auf die Leinwand, um breite Flächen durchscheinender Farbtöne zu erzeugen. Es war ein Durchbruch, der Frankenthaler ins Rampenlicht der New Yorker Kunstszene rückte, als Jackson Pollock und Willem de Kooning dominierten. Diese Technik beeinflusste die Künstler der Color Field School of Painting, darunter Morris Louis und Kenneth Noland, und hatte einen tiefgreifenden Einfluss auf ihre Karriere als Grafikerin.
Zehn Jahre nach ihrem Tod eröffnet „Radical Beauty“ in der Dulwitch Picture Gallery Frankenthalers revolutionäre Herangehensweise an den Holzschnitt und positioniert sie als eine der großen Innovatorinnen des Mediums. Wie bei ihren früheren Gemälden sprengte Frankenthaler die Grenzen der Technik: Sie fand neue Ausdrucksmöglichkeiten des Mediums, experimentierte mit verschiedenen Richtungen und Farbgebungen und einer Vielzahl neuer Werkzeuge und Methoden. So entstand ein vielschichtiges Werk, in dem Holzschnitte malerisch und spontan mit Farbflächen und fließenden Formen erscheinen.
Von Frankenthalers erstem Holzschnitt im Jahr 1973, „East and Beyond“, bis zu ihrem letzten Werk im Jahr 2009 versammelt diese große Grafik-Retrospektive 36 Leihgaben der Helen Frankenthaler Foundation, darunter „Madame Butterfly“ (2000), um die enorme Vielfalt an Umfang und Technik in ihrem Œuvre zu präsentieren. Frankenthalers Drucke stellen traditionelle Vorstellungen des Holzschnitts in Frage und zeigt die Energie hinter ihrem „No Rules“-Ansatz. Die Ausstellung ist thematisch organisiert. Die Kapitel kreisen um jene Elemente, die für Frankenthalers einzigartigen Stil der „mark-marking“ entscheidend sind – vom Experimentieren bis zur Inspiration und Zusammenarbeit.
Zu den Höhepunkten in der Ausstellung gehört Frankenthalers erster Holzschnitt „East and Beyond“ (1973), der durch Bedrucken mehrerer Blöcke entstand, um negativen Raum zu vermeiden. Das Werk hat macht zum einen Farbe und Form greifbar, hat aber gleichzeitig eine Fluidität, die es von anderen Werken der Zeitgenossen, darunter Jasper Johns, unterscheidet. Weitere herausragende Arbeiten sind „Cameo“ (1980) und „Freefall“ (1993), sie zeigen, wie Frankenthaler die Herausforderung der Holzschnittkunst annahm und Wege fand, sie ihrem Kunstwollen anzupassen. In „Cameo“ arbeitete Frankenthaler erstmals mit Farbschichten und nutzte ihre unverwechselbare, von ihre selbst so benannte „Guzzying“-Technik – bei der sie ihre Oberflächen mit Schleifpapier und in einigen Fällen mit Zahnarztbohrern bearbeitete, um verschiedene Effekte zu erzielen.
Ein Schwerpunkt der Ausstellung wird Frankenthalers Hauptwerk „Madame Butterfly“ (2000) sein. Das Triptychon, das seinen Titel mit der Oper von Giacomo Puccini aus dem Jahr 1904 teilt, zeigt Frankenthaler in seinen ausdrucksstärksten und lyrischsten Farben. Das Werk entstand in Zusammenarbeit mit Kenneth Tyler und Yasuyuki Shibata aus 46 Holzschnitten und 102 Farben; es ist über zwei Meter lang und wird einen ganzen Raum in der Ausstellung einnehmen. Gemeinsam mit einem Probedruck und einer Studie soll die Komplexität seines evokativen Titels beleuchtet werden. In den Drucken lässt sich Frankenthalers Arbeitsprozess nachvollziehen und wie sie jede Zusammenarbeit kreativ vorangetrieben hat.
Die Ausstellung stellt auch alle sechs Holzschnitte der Serie „Tales of Genji“ (1998) vor. In dem sehr ambitionierten Werk setzte Helen Frankenthaler ihre Soak-Stain-Technik ein – diesmal mit Farben auf Wasserbasis auf Sperrholzplatten. In Zusammenarbeit mit Tyler und seinem Grafikeratelier ließ sich Helen Frankenthaler erneut auf einen Prozess des ständigen Experimentierens ein, einen Prozess von Versuch und Irrtum, um ihre künstlerische Vision zu realisieren.