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Lotte Laserstein: Biografie Leben und Werke der Berliner Malerin

Alle wichtigen Daten und Fakten zum Leben und Werk der Berliner Malerin zw. Realismus und Neuer Sachlichkeit (1928-1937), Durchbruch und Ausstellungen, Diffamierung im NS-Staat, Exil in Schweden.

Lotte Laserstein (1898–1993) war eine deutsch-schwedische Malerin, die ab 1928 in Berlin mit einem realistischen Stil zu reüssieren begann. Ihre Darstellungen der „Neuen Frau“ begeisterte bereits die Zeitgenossen, die sich auch aufgrund ihrer suppenden malerischen Technik und Fähigkeit zu komponieren zunehmend schätzten.Ihre in der Tradition von Realismus (Leibl, Trübner) und Impressionismus stehenden Gemälde sind nur schwer der Neuen Sachlichkeit einzuordnen (→ Neue Sachlichkeit). Dennoch sind Lasersteins Werke aufgrund ihrer Motivik höchst aktuelle Schöpfungen, in denen der weibliche Blick - auch auf den weiblichen Akt im Atelier - mit der Tradition verknüpft wird. 1929 trat Lotte Laserstein dem Verein der Berliner Künstlerinnen bei, der die künstlerische Entwicklung und öffentlichen Entfaltungsmöglichkeiten von Frauen förderte. Neben Käthe Kollwitz engagierte sich Laserstein zeitweilig auch im Vorstand (bis 1933).

Die vielversprechende Karriere Lasersteins wurde durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten jäh beendet, da die Malerin aufgrund der Religionszugehörigkeit ihrer Großeltern als Jüdin eingestuft wurde. Zwar gelang Lotte Laserstein 1937 die Flucht nach Schweden, wo sie weiterhin als Porträtistin und Landschaftsmalerin überzeugen konnte. Dennoch fühlte sie sich zunehmend als traditionelle, von den Avantgarden der Nachkriegskunst abgeschnittene Künstlerin. Während die 1993 verstorbene Laserstein in Schweden als anerkannte Porträtmalerin bekannt war, wurde ihre Kunst – vor allem das Frühwerk der späten 1920er und frühen 1930er Jahre – erst jüngst in Deutschland wiederentdeckt.

Beiträge zu Lotte Laserstein

Biografie von Lotte Laserstein (1898–1993)

  • 28. November 1898

    Am 28. November 1898 wurde Lotte Meta Ida Laserstein als Tochter des gut situierten Apothekers Hugo Laserstein in Preußisch-Holland (ehemals Ostpreußen, heute Polen) geboren und christlich getauft.
  • 1900

    Geburt der Schwester Käte. Die Familie Laserstein zog in den hessischen Kurort Bad Nauheim.
  • 1902

    Tod des Vaters an einem Herzleiden. In der Folge zog die Mutter mit ihren Töchtern zur verwitweten Großmutter Ida Birnbaum nach Danzig, die eine wichtige Bezugsperson für Lotte wurde.
  • 1909

    Lotte Lasersteins Tante, Elsa Birnbaum, begann sie in ihrer kleinen Malschule zu unterrichten. Selbstgewiss erklärte Lotte, dass sie beabsichtigte, in Zukunft ihren Lebensunterhalt als Künstlerin zu bestreiten. „Ach, du verschwendest Deine Zeit mit mir. Ich werde nicht heiraten, sondern mein Leben der Kunst widmen.“
  • 1912

    Die Familie von Lotte Laserstein zog in die Stierstraße 19 in Berlin-Friedenau.
  • 1914–1918

    Wie die Malerin die Schrecken des Ersten Weltkriegs erlebte, ist nicht bekannt. Die deutsche Hauptstadt wurde zwar von Bombenangriffen verschont, Hunger und Elend waren nichtsdestotrotz überall präsent. Lotte Laserstein legte ihr Abitur an der anerkannten und ziemlich teuren Chamisso-Schule ab, einem Mädchengymnasium in Berlin-Schöneberg. Da der Zugang zu Kunstakademien Frauen bis 1919 verwehrt war, schrieb sie sich zunächst für ein Studium der Philosophie und Kunstgeschichte an der Universität ein.
  • 1920

    Lotte Laserstein nahm Unterricht bei dem Maler Leo von König, der sich in den Bereichen Aktzeichnen und Porträtmalerei einen Namen gemacht hatte.
  • 1921

    Lotte Laserstein schrieb sich an der traditionsverbundenen Akademischen Hochschule für die Bildenden Künste ein (ab 1924: Vereinigte Staatsschulen für freie und angewandte Kunst). Neben der Preußischen Akademie der Künste war sie die wichtigste Ausbildungsstätte für junge Künstler und Künstlerinnen in Berlin.
  • 1922

    Die angespannte wirtschaftliche Lage spiegelte sich auch im Leben der Malerin wider: „Obwohl ich so viel wie möglich kunstgewerblich arbeite, reicht der Verdienst nicht aus, Schulgeld und Material, geschweige denn den Lebensunterhalt zu bestreiten“, schrieb Laserstein an den Rektor der Hochschule und bat um Erlass der Studiengebühren.
  • 1924

    Lottes Schwester Käte schloss ihr Germanistik- Studium mit Promotion ab und wollte Lehrerin werden.
  • 1925

    Lotte Laserstein wurde Meisterschülerin von Erich Wolfsfeld (1884–1956), dessen Werk stark vom Realismus des 19. Jahrhunderts – wie die Kunst Wilhelm Leibls‚ Adolph von Menzels oder Carl Schuchs – beeinflusst war. Die als Fleißig und hoch begabt beschriebene Studentin erhielt die sogenannte Ministermedaille, die vom Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung als Anerkennung für Studientalente vergeben wurde. Im selben Jahr freundete sie sich mit Traute Rose an, die zum wichtigsten Modell ihrer Berliner Schaffenszeit werden würde. Traute Rose ist in vielen Aktdarstellungen wie „In meinem Atelier“ (1928) wiederzuerkennen.
  • 1927

    Abschluss des Studiums an der Akademie mit Auszeichnung. Lotte Laserstein bezog ihr erstes eigenes Atelier, in dem sie – nach dem Vorbild ihrer Tante – zugleich Privatunterricht gab.
  • 1928

    Erste Teilnahme an der Frühjahrsschau der Preußischen Akademie der Künste (als eine von acht ausgestellten Künstlerinnen von 182). Im Juni erwarb die Stadt Berlin das Gemälde „Im Gasthaus“ für 950 Reichsmark. Zudem nahm Laserstein am Preisausschreiben zur Ermittlung des „schönsten deutschen Frauenporträts“ erfolgreich teil, organisiert von der Kosmetikfirma Elida in Zusammenarbeit mit dem Reichsverband bildender Künstler und mit dem spektakulären Hauptpreis von 10 000 RM prämiert. Die mediale Aufmerksamkeit, die dem Wettbewerb zuteilwurde, verschaffte Laserstein wachsende Bekanntheit in der gesamten Republik. Das Wettbewerbsbild „Russisches Mädchen mit Puderdose“ (Städel Museum) wurde aus 365 eingereichten Arbeiten für die Endrunde der letzten 26 nominiert. Die Auswahl an Frauenporträts, darunter Bildnisse von Werner Peiner, Christian Schad und dem späteren Wettbewerbssieger Willy Jaeckel, wurden im November 1928 in der Berliner Galerie Gurlitt ausgestellt. Die Ausstellung wurde von Publikum und Medien begeistert aufgenommen und im Anschluss in weiteren deutschen Städten gezeigt, darunter auch Frankfurt, Karlsruhe, München, Stuttgart und Weimar. So kam Wolfgang Gurlitt wohl in Kontakt mit Lotte Laserstein, der er 1931 ihre erste Einzelausstellung ausrichtete.
  • 1929

    Auf der „Frühjahrs-Ausstellung“ der Preusißchen Akademie in Berlin zeigte Lotte Laserstein 1929 ihr erstes Hauptwerk: „In meinem Atelier“ (1928, Öl auf Holz, 46 × 73 cm, Privatbesitz). Sie nahm am Wettbewerb des Vereins der Berliner Künstlerinnen teil, wobei auch hier die „Frau von heute“ – nun allerdings in Form von bürgerlichen Auftragsporträts – im Zentrum stand. Lotte Laserstein trat dem Verein der Berliner Künstlerinnen bei, der die künstlerische Entwicklung und öffentlichen Entfaltungsmöglichkeiten von Frauen förderte. Neben Käthe Kollwitz engagierte sich Laserstein zeitweilig auch im Vorstand (bis 1933).
  • 1930

    Laserstein gestaltete das Plakat für die Ausstellung „Die gestaltende Frau“ des Deutschen Staatsbürgerinnen-Verbandes. Sie war auf der „Deutschen Kunstausstellung“ im Münchner Glaspalast vertreten. In diesen Jahren stellte sie im Deutsche Lyceum-Club, die Deutsche Kunstgemeinschaft oder der Deutsche Kunst aus. Letzte organisierte Themenausstellungen wie „Der Mensch unserer Zeit“ (1930). „Frauenbildnisse unserer Zeit“ (1931) und „Das Kind“ (1932).
  • 1931

    Erste Einzelausstellung von Lotte Laserstein in der renommierten Berliner Galerie Gurlitt: Das 1930 gemalte Bild „Abend über Potsdam“ (Öl auf Holz, 110 × 205,5 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie) war der Höhepunkt der Schau. Weitere Ausstellungsbeteiligungen, darunter auch in der Großen Berliner Kunstausstellung im Schloss Bellevue.
  • 1932

    Zweite Einzelausstellung der Malerin im Württembergischen Kunstverein in Stuttgart.
  • 1933

    Im Zuge des Gesetzes zur Wiedereinführung des Berufsbeamtentums wurde Käte Laserstein, Lottes Schwester, als „nichtarisch“ eingestuft und aus dem Schuldienst entlassen. Auch Lotte wurde die Ausübung ihres Berufs zunehmend unmöglich gemacht. So durfte sie keine Werbung für ihre private Malschule am Schwarzen Brett der Akademie anbringen. Es wäre nicht mehr angebracht, „daß in einer deutschen Akademie für derartige Unternehmen Reklame gemacht wird“, heißt es in dem Schreiben, in dem auch Laserstein namentlich erwähnt wurde.
  • 1934

    Lotte Laserstein wandte sich vermehrt der Landschaftsmalerei zu, viele Bilder entstanden während Studienreisen mit ihren Privatschülern. Präsentation ihrer Werke in der Schau des Vereins der Berliner Künstlerinnen in der Galerie Nierendorf. Mit Hilfe des Vereins der Berliner Künstlerinnen konnte Laserstein in den Londoner Parsons Galleries zum Thema „German-Jewish Artists“ ausstellen.
  • 1935

    Mit der erzwungenen Schließung ihrer Malschule fiel für Laserstein eine wichtige Einkommensquelle weg. Sie fand eine Anstellung als Kunstlehrerin an der höheren jüdischen Privatschule von Luise Zickel in Berlin-Schöneberg, wo auch ihre Schwester und deren Lebensgefährtin Rose Ollendorf unterrichteten. Alle Kulturschaffenden mussten ab nun einer Kammer angehören. Wer dieser Pflicht nicht nachkam, wie Lotte Laserstein, verlor die Voraussetzungen, seinen Beruf weiter ausüben zu dürfen. Ab 1935 konnte Lotte Laserstein in Deutschland nur mehr im Rahmen des jüdischen Kulturbundes ausstellen. Dieser wies sie jedoch mit dem Hinweis zurück, man wollte sich „auf den Kreis der Mitglieder der Berliner jüdischen Gemeinde“ beschränken.
  • 1936

    Lotte Laserstein begann über eine Flucht nachzudenken, zunächst wollte sie nach Italien emigrieren.
  • 1937

    Lotte Laserstein nutzte eine Einladung der Stockholmer Galerie Moderne, um einen Großteil ihrer Werke nach Schweden zu überführen und sie so vor dem NS-Regime in Sicherheit zu bringen. Sie selbst emigrierte im Dezember 1937 in den neutralen Norden. In den Münchner Hofgartenarkaden eröffnete die nationalsozialistische Propagandaausstellung „Entartete Kunst“, wo Werke der Moderne diffamiert wurden. Gemälde von Lotte Laserstein waren nicht unter den Exponaten. Allerdings wurde das Gemälde „Im Gasthaus“ (1927) im Rahmen der nationalsozialistischen Propaganda als „entartete Kunst“ beschlagnahmt. Im gleichen Jahr stellte sie im Pariser Salon d‘Automne in der deutschen Abteilung aus – ihre letzte öffentliche Präsentation vor Lasersteins Flucht nach Schweden.
  • 1938

    Am 11. Juni 1938 schloss Lotte Laserstein eine Scheinehe mit dem jüdischen Kaufmann Sven Jakob Marcus und sicherte sich damit die schwedische Staatsbürgerschaft sowie ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht. Die beiden begegneten einander nur zur Trauung. Nach der Pogromnacht in Deutschland gründeten jüdische Flüchtlinge in Stockholm die Emigrantenselbsthilfe, die elementare Hilfstätigkeiten und kulturelle Arbeit leisteten. Lotte Laserstein führte im Rahmen dieser Organisation durch die Gemäldegalerie des Stockholmer Nationalmuseums und entwarf Einladungs- und Informationsblätter.
  • 1939

    In Deutschland wurde Käte Laserstein der Pass entzogen, sie erhielt eine sogenannte J-Kennkarte, die ihr den Zwangsbeinamen „Sara“ aufzwang und sie mit einem rot aufgestempelten J als Jüdin auswies. Im Zuge der „Säuberungskampagne“, bei der als „entartet“ gebrandmarkte Kunst aus deutschen Museen entfernt wurde, wurde Lotte Lasersteins Gemälde „Im Gasthaus“ aus dem Stadtbesitz konfisziert und mit der Beschlagnahmenummer 14607 versehen (2012 wieder auf einer Münchner Auktion aufgetaucht, heute: unbekannter Privatbesitz).
  • 1941

    Käte und ihre Mutter wurden verpflichtet, den gesetzlich eingeführten Judenstern zu tragen. Immer wieder versuchte Lotte ihre Familie nach Schweden nachzuholen, was ihr verwehrt blieb.
  • 1942

    Knapp entging Käte Laserstein der Verfolgung durch die Gestapo und tauchte mit ihrer Lebensgefährtin in den Untergrund ab. Zunächst wurden sie von Bekannten versteckt. Die letzten beiden Kriegsjahre verbrachten sie unter widrigsten Bedingungen in einer Gartenhütte. „Dort gab es weder Licht noch Heiz- oder Kochmöglichkeit und während der Wintermonate kein Wasser, dafür aber Nachbarn, die wir weit mehr zu fürchten hatten als Bomben und Minen. In diesem ‚Heim‘ haben wir zu dritt (1943 war Fräulein Lucie Friedländer, 1945 durch Selbstmord verstorben, zu uns gestoßen) bis zum Ende des Krieges und der Naziherrschaft gehaust“, berichtet Rose Ollendorf 1953.
  • 1943

    Am 16. Januar wurde Lottes Mutter Meta Laserstein im Alter von 73 Jahren im Frauenkonzentrationslager in Ravensbrück ermordet.
  • 1945

    Nach dem Ende des Kriegs zog Lotte Lasersteins Schwester zu ihr nach Stockholm, entschied sich aber wenige Jahre später, wieder nach Deutschland zurückzukehren. Die Künstlerin blieb in Schweden und schaffte es, sich einen Namen in der neuen Heimat zu machen.
  • 1948

    Lotte Laserstein wurde zu einer gefragten Gesellschaftsporträtistin, die sich zunehmend schmerzlich bewusst wurde, wie groß der Unterschied zwischen ihrer „hoffnungslos altmodischen“ Malerei und der Nachkriegsavantgarde war. Dennoch schuf die arbeitsame Malerin in den folgenden Jahrzehnten etwa 10.000 Werke, wovon 1.000 Auftragsporträts ihr den Unterhalt verdienten.
  • 1952

    Lotte Laserstein gelangte vornehmlich mit Auftragsarbeiten zu gewissem Wohlstand, der ihr ermöglichte, 1952 ein Ferienhaus auf der Insel Öland zu kaufen.
  • 1957

    Lotte Laserstein verlagert ihren Hauptwohnsitz von der schwedischen Hauptstadt in das rund 300 Kilometer entfernte Kalmar im Süden Schwedens. Mit dem Umzug ging auch eine Verbesserung ihrer beruflichen Situation einher.
  • 1987

    Eine Ausstellung bei Thos. Agnew & Sons und The Belgrave Gallery in London brachte die hochbetagte Lotte Laserstein international wieder in Erinnerung.
  • 21. Januar 1993

    Im Alter von 94 Jahren starb Lotte Laserstein am 21. Januar 1993.
  • 2003

    Durch die Ausstellung „Lotte Laserstein. Meine einzige Wirklichkeit“ wurde die Malerin in Deutschland wiederentdeckt. Die Schau war von Anna-Carola Krausse für Das Verborgene Museum in Zusammenarbeit mit der Stiftung Stadtmuseum Berlin im Ephraim-Palais kuratiert worden. Krausse hat mit dieser Präsentation und ihrer 2006 veröffentlichten Disseration den Grundstein für die weitere Forschung zur Künstlerin gelegt.
  • 2009

    Der schriftliche Nachlass der Künstlerin gelangte in die Berlinischen Galerie.
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.