„Leben? oder Theater?“ ist das Lebenswerk der Künstlerin Charlotte Salomon (1917–1943), das innerhalb von zwei Jahren nach ihrer Flucht 1939 aus Berlin nach Südfrankreich entstanden ist. Dieses von ihr so genannte „Singspiel“ besteht aus 1325 Blättern, die in drei Akte eingeteilt sind und Zeichnungen, Textzeilen sowie szenische Anmerkungen in Gouache umfassen.
Deutschland | München: Lenbachhaus
31.3. – 10.9.2023
Das reichhaltige Konvolut, welches seit 1971 vom Jüdischen Historischen Museum in Amsterdam aufgearbeitet und verwaltet wird, ist nicht nur ein herausragendes künstlerisches Werk des 20. Jahrhunderts, sondern gibt gleichzeitig auf einzigartige Weise Aufschluss über Salomons wendungsreiches und selbstbestimmtes Leben. Es besticht durch die Vielfalt von Salomons Bildern sowie durch die reichen Bezüge zu Kunst, Film, Musik und Philosophie ihrer Zeit.
Die Erzählform von „Leben? oder Theater?“ ist bis heute aktuell geblieben. Die Illustrationen und Texte fügen sich wie Szenenbilder einer Theaterinszenierung oder eines Drehbuchs zusammen und nehmen gleichzeitig den hybriden Charakter aus Text- und Bildebene von Graphic Novels vorweg. Die Figuren des Werks beruhen auf Salomons persönlichem Umfeld, sind von ihr jedoch subjektiv herausgearbeitet und somit zu fiktiven Charakteren abstrahiert.
Auch die Erzählung selbst ist nicht als autobiographischer Tatsachenbericht zu verstehen, sondern bringt unterschiedliche Situationen und Lebensumstände in einen freien Sinnzusammenhang. So gibt Salomon in ihrem „Singspiel“ vor allem den zwischenmenschlichen Begebenheiten ihres Lebens Bedeutung; die Bedrohungen der NS-Zeit bilden den Hintergrund, vor dem sich ihre Erzählung entfaltet.
„Leben? oder Theater?“ zeugt durch innovative und kraftvolle Bildfindungen sowie feine ironische Nuancen von einer selbstbewussten künstlerischen Praxis. Auch außerhalb ihrer Kunst tritt Salomon – trotz familiärer Schicksalsschläge und antisemitischer Verfolgung – als souveräne Protagonistin ihres Handelns in Erscheinung. Ihr Lebenswerk bietet so einen einmaligen Einblick in das komplexe und gewaltsam verkürzte Leben einer jungen Künstlerin.
Eine Ausstellung des Lenbachhaus München in Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Historischen Museum, Amsterdam
Kuratiert von Irene Faber, Sammlungskuratorin Jüdisches Historisches Museum Amsterdam, am Lenbachhaus betreut von Dierk Höhne und Stephanie Weber.
Quelle: Lenbachhaus, München