Was ist Romanik?

Die Kunst der Romanik gilt als die erste, ganz Europa umfassende Epoche mittelalterlicher Kunst. Sie ist zwischen 1000 und 1250 zu datieren und löste die karolingische bzw. ottonische Kunst ab.1 Charakteristisch für romanische Kunst ist ihre Ausrichtung auf christliche Inhalte. Dies führte dazu, auch von Ars Sacra zu sprechen. Auf die Romanik folgt die Gotik.

Romanische Architektur

Da die romanische Kunst eng mit dem Mönchtum verbunden ist, sind Sakralbauten die wichtigsten Zeugnisse dieser Epoche. Die unter den Saliern errichteten, monumentalen Dome des Mittelrheins werden als „kaiserliche Romanik“ bezeichnet und stellen einen Sondertypus dar. Daher verband sich im Heiligen Römischen Reich der Stil mit der Vorstellung der Größe des Reiches, von Glanz und Macht des Kaiserums (Schütz/Müller). Vor allem die Zisterzienser waren für die Verbreitung des romanischen Stils verantwortlich. Sie machten mit ihren Neugründungen nicht nur ländliche Gegenden urbar, sondern auch den Sakralbau der Romanik international bekannt.

Vorbild für die mittelalterliche Sakralarchitektur war die konstantinische Basilika mit ihrem hohen Mittelschiff und den niedrigeren Seitenschiffen. Dadurch können Fenster in die Hochwände des Mittelschiffs (Obergaden) eingebaut werden. Der direkte Lichteinfall in den Kirchenraum machte die Basilika wohl zum beliebtesten Bautypus der Romanik.

Romanische Kirchen zeichnen sich durch die Klarheit ihrer Anlage, sowohl in Grund- wie im Aufriss, aus.

Bautypen der Romanik

  • Langhausbauten
    • Basilika: dreischiffig, Mittelschiff höher als die Seitenschiffe, Fenster im Obergaden
    • Saalkirche: leitet sich von der frühmittelalterlichen Hauskirche ab, homogener Innenraum, nicht durch Stützen gegliedert
    • Hallenkirchen: vor allem in Südwesteuropa geschätzt, alle Schiffe sind gleich hoch
    • Staffelkirchen: Seitenschiffe sind ein wenig niedriger als in der Hallenkirche
    • Kuppelkirchen: über jedem Joch eine Kuppel (Sonderfall im Périgord)
  • Zentralbau
    • kreisförmige Anlage
    • quadratische Anlage
    • polygonale Anlage

Bauteile des romanischen Sakralbaus

  • Narthex oder Atrium
  • Vorhalle, häufig als Paradies ausgebildet
  • Westfassade (Ein- oder Doppelturmfassade, Schirmfassade mit skulpturalem Schmuck und Blendarkaden)
  • Westlicher Vierungsturm
  • Westseitentürme
  • Haupt- oder Mittelschiff mit Obergaden und Emporen, die Joche werden mit Gurtbögen getrennt
  • Seitenschiff (halbe Breite des Mittelschiffs, jochgebundenes System)
  • Vierungsturm über der Vierung
  • Querschiff mit zwei Querhausarmen
  • Querschifftürme
  • Chorschranke oder ab 1125 Lettner (Trennung der Laien von den Brüdern bzw. Schwestern)
  • Chor, manchmal mit Chorumgang
  • Krypta (Unterkirche, häufig unter dem Chor gelegen)
  • Apsis
  • Chorapsiden

Baustil der Romanik

  • massive Wände, modelliert durch Blendnischen und Zwerggalerien
  • Fenster (eher klein)
  • Rundbogen
  • Säulen oder Pfeiler mit Zierkapitelle (Figurenkapitelle)
    • einfacher (rheinischer) Stützenwechsel: Pfeiler-Säule-Pfeiler
    • doppelter (niedersächsischer) Stützenwechsel: Pfeiler-Säule-Säule-Pfeiler)
  • Gesimse oder Friese werden verkröpft, d.h. um Wand- oder Pfeilervorlagen herumgeführt
  • Dienste
  • Kreuz- und Tonnenwölbung
  • Kreuzrippenwölbung (Pilaster setzen sich als Gurtbögen fort)
  • Portale: Rundbogenportal, Stufenportal, Säulenportal
  • Ikonografisches Schema der Portale: Sockelzone, Gewändefiguren, Kapitelzone, Türsturz, Tympanon, Archivolten

Spätromanisch oder schon frühgotisch?

Auch wenn der Beginn der Gotik in Frankreich mit dem Neubau des Chores der Abteikirche von Saint-Denis verbunden wird, so äußern sich Kenner der französischen Romanik auch kritisch zu dieser Epochenteilung. Hans Erich Kubach meldete dazu vor einigen Jahrzehnten Bedenken an:

„Im französischen Kronland schießen seit etwa 1140 vielerlei Tendenzen zusammen, die auf immer stärkere Vereinheitlichung des Kirchen baues und imm er stärkere Durchstrukturierung des Gefüges hinwirken. Doch bleibt diese Entwicklung bis gegen Ende 1200 so stark mit ihren romansichen Ursprüngen verbunden, dass man sie als spätromanisch auffassen kann.“ (Hans Erich Kubach, Die Zeit der Staufer, 1977)

Es ist gleichermaßen richtig, die Zeit der Frühgotik in Frankreich sowohl der Romanik wie der Gotik zuzurechnen. Desgleichen lässt sich beobachten, dass in verschiedenen Regionen zur gleichen Zeit unterschiedliche Stile im Einsatz waren. Verwandte Formen und Gestaltungen können aber auch das Ergebniss unterschiedlicher Prozesse sein. Da es sich bei Kunst und Architektur um Prozesse handelt, die nie ohne Vorbilder entstanden sind, wird die Epocheneinteilung in Romanik und Gotik (wie auch aller anderen Epochen & Kunststile) immer wieder kritisch zu hinterfragen sein. Schlussendlich handelt es sich um Setzungen, auf die sich eine Reihe von Experten im Laufe der Kunstgeschichtsschreibung geeinigt haben.

Romanische Skulptur

Die skulpturale Ausstattung von Portalen und Tympana sowie die Entwicklung des Altarretabels zeigen ab 1000 Tendenzen zur Monumentalität. Hölzerne Kruzifixe und Madonnen mit Kind, bronzene Taufbecken und Türbeschläge, vor allem aber die Schatzkunst in Elfenbein, Email und vergoldetem Metall faszinieren bis heute.

Hauptaufgabe der romanischen Skulptur ist die Ausstattung der Sakralbauten und daher fest mit der Architektur verbunden. Eine Konsequenz ist, dass die Bauplastik vornehmlich als Relief auftritt, was sie von der freistehenden, rundplastischen Skulptur der Antike und der Renaissance unterscheidet. Formal und inhaltlich ist die romanische Skulptur an etablierte Vorbilder gebunden.

Wenn in der Romanik künstlerische Arbeit als Handwerk angesehen wurde und viele Künstler daher anonym blieben, sind doch einige Bildhauer der Romanik namentlich bekannt: Benedetto Antelami (1178 bis kurz nach 1200 in Parma tätig) und der Goldschmied bzw. Bronzegießer Reinier de Huy († um 1150).

Wichtige Skulpturen der Romanik

  • Moissac (Tarn-et-Garonne), ehem. Abteilkirche Saint-Pierre, Südportal (1120–1135)
  • Autun (Saône-et-Loire), Kathedrale Saint-Lazare, Nordquerhausportal, Kapitelle (1120–1130)
  • Vézelay (Yonne), ehem. Abteikirche Sainte-Madelaine, Hauptportal, im Tympanon: Das Pfingstwunder (1125–1130)
  • Frómiste (Provinz Palencia), San Martin, Kapitelle (1066–1085/1090)
  • Fidenza (Emilia-Romagna), Kathedrale, Nischenfiguren: David und Ezechiel, Benedetto Antelami (zugeschrieben) (Ende 12. Jahrhundert)
  • Freiberg (Sachsen), Münster Unser Lieben Frau, Goldene Pforte (um 1230)
  • Bamberg (Bayern), Dom, König zu Pferd, sog. Bamberger Reiter, H. 233 cm (vor 1237)
  • Hildesheim (Niedersachsen), Dom, Westportal, Bernwards-Tür, Taufbecken
  • Köln, Dreikönigsschrein, H: 153 cm, B: 110 cm, L: 220 cm (um 1181–um 1230; Köln, Hohe Domkirche)

Romanische Malerei

Die romanische Malerei ist als Wandmalerei und natürlich auch als Buchmalerei bedeutend. Der Übergang zur Gotik ist mit der Entwicklung der Glasmalerei verbunden. Zu den außergewöhnlichsten Werken der Romanik zählt zweifellos der Teppich von Bayeux (1077).

Stilistisch ist die romanische Malerei von der byzantinischen Kunst abhängig:

  • flächige Gestaltung
  • dominante Umrisslinie
  • grafisches Einzeichnen der Details
  • fehlende Organik
  • starkes Lokalkolorit
  • Bedeutungsperspektive
  • Illusion von Tiefenraum durch Übereinanderstapeln von Bildelementen
  • Goldgrund
  • angeschnittene Architektur für Raumeinblicke

Das Himmlische Jerusalem

Die Gottesstadt gehört zu den häufig dargestellten Motiven der romanischen Kunst – von der Architektur, über die Skulptur bis zur Malerei. Kirchenbauten wurden, wie es Augustinus in „De Civitate Dei“ vorgeprägt hatte, als Typus und Sinnbild des Hauses Gottes angesehen.

Romanik und Mönchtum

Romanische Kunst ist eng mit dem klösterlichen Leben verbunden, denn die Orden genossen um 11. und 12. Jahrhundert den besonderen Schutz der Landesfürsten. Die strengen Bauordnungen der neuen Orden (Zisterzienster, Clunyazenser) führte zur raschen Verbreitung der Romanik.

Beiträge zur Kunst der Romanik

26. Dezember 2022
Cappenberger Kopf

Münster | LWL-Museum: Barbarossa Die Kunst der Herrschaft | 2022

Breiter kulturgeschichtlicher Überblick zu dem um Machtausgleich bemühten Politiker, tiefgläubigen Christen, streitbaren Ritter und potenten Kunstförderer Barbarossa - mit dem berühmten „Cappenberger Kopf“ (um 1160).
8. November 2018
Baseler Antependium, Detail, vor 1019, 120 x 175 cm (© Paris, Musée de Cluny - Musée national du Moyen Âge)

Basler Münster 1019–2019: Gold & Ruhm im Kunstmuseum Basel Geschenke für die Ewigkeit

Die Ausstellung "Gold & Ruhm. Geschenke für die Ewigkeit" im Kunstmuseum Basel zeigt die 1000-jährige Geschichte des Münsters: Das berühmte Basler Antependium, das anlässlich der Weihe 1019 von Kasier Heinrich II. und Kunigunde gestiftet worden ist, kehrt für die Schau aus Paris nach Basel zurück.
30. März 2015
Bildstein, Kalkstein Smiss, När, Gotland, Schweden (c) Gabriel Hildebrand /The Swedish History Museum (SHM 11521).

Wikinger! Die Wahrheit hinter dem Mythos

„Wikinger!“ Dieser Ausruf war von Mitte des 8. bis ungefähr zum frühen 12. Jahrhundert an vielen Küsten Europas ein Schreckensschrei - könnte man meinen. Doch nicht so in dieser Ausstellung! Das Schwedische Historische Museum und die Schallaburg rücken dem Mythos der Wikinger an den Leib. Zehn Kapitel - von Familie und Gesellschaft über Religion, Legenden und Handwerkskunst - führen in die Lebenswelt der Nordleute ein.
3. Oktober 2014
Reliefs vom rechten Flügel des Gurker Westportals, Fragment eines typologischen Zyklus, mittleres Kompartiment mit Kreuzigung und Auferstehung Christi im Zentrum © BDA (P. Laubenstein).

Die romanischen Portalreliefs aus dem Dom zu Gurk Fokus Denkmal im KHM

Unter dem Titel „Fokus Denkmal. Die romanischen Portalreliefs aus dem Dom zu Gurk“ präsentiert das KHM in Kooperation mit dem Bundesdenkmalamt (BDA) die frisch restaurierten und erforschten Portalreliefs. Erst der Untertitel enthüllt, worauf der Fokus gelegt wird: Die Holzreliefs gehören zu den bedeutendsten Werken romanischer Kunst in Österreich, sind sie doch die einzigen erhalten, sakralen Türdekorationen im österreichischen Raum.
  1. Ob die karolingische und ottonische Kunst zur Romanik gezählt werden dürfen oder nicht, ist Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion.