Vom 10. Februar bis zum 17. März 1968 präsentierte Pontus Hultén erstmals Andy Warhols (1928–1987) Kunst in einer musealen Schau in Europa. Der ehemalige Werbefachmann hatte sich seit den frühen 1960er Jahren der Kunst zugewandt, bewegte sich bis 1964 im Kreis der Pop Art Künstler und bis 1968 die Silver Factory geleitet. Dabei positionierte er sich als Gegenentwurf zu den Abstrakten Expressionisten als rational und kalkulierender Künstler, dessen Werke keine wie auch immer geartete Botschaft tragen würden. Neben den heute so berühmten Siebdrucken nach amerikanischen Hollywoodstars, Konsumartikeln oder Medienbildern drehte er schon früh Avantgarde-Filme.
Schweden | Stockholm: Moderna Museet
15.9.2018 – 17.2.2019
Schweden | Malmö: Moderna Museet
23.3. – 8.9.2019
„Wenn du alles über Andy Warhol wissen möchtest, sieh dir nur die Oberfläche meiner Gemälde und Filme und mich an, und hier bin ich. Da gibt es nichts dahinter.”1 (Andy Warhol)
Anfang 1968 eröffnete Andy Warhols erste Einzel-Museumsausstellung im Moderna Museet in Stockholm. Es foglte ein politisch turbulentes Jahr in Schweden aber auch international, geprägt von Reaktionen gegen den Vietnamkrieg, der Ermordung von Martin Luther King, der sowjetischen Invasion in der Tschechoslowakei, Studentendemonstrationen und den Tennisunruhen in Båstad. Aufgrund des in Schweden vorherrschenden linken Klimas, vor allem in der Kunstwelt, erwarteten die Organisatoren einen Ansturm der Kritik, eine Ablehnung der Ausstellung als amerikanische Propaganda. Die Meinungen der schwedischen Kunstkritiker waren jedoch sehr unterschiedlich. Aftonblaets Kunstkritiker Bengt Olvång schrieb: „Wir können Warhol nicht seine Position als intensiver, desillusionierter Wahrheitssucher verweigern“, während Ulf Linde von Dagens Nyheter ausrief: „Warhol hat mich mit Widerwillen erfüllt.“
Ende 1968 veränderte Andy Warhol seine künstlerische Praxis, hatte doch Valerie Solana am 3. Juni 1968 versucht, ihn zu erschießen. Obwohl der Künstler im Krankenhaus bereits für klinisch tot erklärt wurde, überlebte er. Warhol war zuvor mit seiner Silver Factory umgezogen und wollte nicht mehr „nur herumhängen“, sondern arbeiten. Dass er ein Skript Solanas verlegt und nicht gelesen hatte, war für diese der Auslöser der Tat. Danach verband Andy Warhol Arbeit, Geld, Glamour und Kunst noch stärker als er es während der Sechziger Jahre getan hatte.
Andy Warhol wurde Teil der zeitgenössischen Populär- und Massenmedienkultur, die er zuvor mehr oder weniger kritisch beschrieben hatte. In den 1970er Jahren war er New Yorks glamouröseste Berühmtheit und verkörpert gleichsam den Nachtclub Studio 54. Er entwarf die erste Werbekampagne für Absolut Vodka, die dem schwedischen Staat gehörte. Warhol rettete das Auftragsporträt, denn er wurde beauftragt, berühmte Menschen oder weniger berühmte Menschen, die es sich aber leisten konnten, zu porträtieren. Nicht einmal Mao blieb vor seinem Zugriff verschont. Als massenhaft vervielfältigte Ikone, die zum Abziehbild ohne Inhalt verkommen ist, präsentierte er den chinesischen Staatslenker. Ob Marilyn, Mao, Lenin oder Joseph Beuys, Berühmtheiten und Sternchen, viele fanden sich im Netz des sammelwütigen Künstlers.
„Warhol 1968“ ist eine Ausstellung über die „Andy Warhol“-Ausstellung im Moderna Museet im Jahr 1968.2 Seine legendäre Kuhtapete zierte die Fassade des Moderna Museet. Heute so bekannte Werke wie „Marilyn Monroe in Black and White” (1962), der Film „Chelsea Girls” (1966), „Ten-Foot Flowers” (1967), „Electric Chair” (1967) und mehrere Versionen der Brillo Boxen forderten das Publikum heraus. Letztere stellten auf unverhohlene Art die Frage nach Original und Kopie in der Kunst. Dass es sich hierbei um Ausstellungskopien handelte, machte es auch späteren Generationen nicht leichter. Fotografische Dokumentation der Hängung der Ausstellung, Zitate und Kritiken, in denen Warhols Werke mit Arbeiten aus der Sammlung des Moderna Museet verglichen wurden, ergänzen die Kunstwerke.
Die Ausstellung „Warhol 1968” präsentiert die Oscar-nominierte Dokumentation „Brillo Box (3¢ Off)” (2016) von Lisanne Skyler. Darin erzählt sie die unglaubliche Geschichte der Brillo Box (1964), die ihre Eltern im Jahr 1969 für 1.000 Dollar erworben und zwei Jahre später wiederverkauft hatten. Mehr als 40 Jahre später war jemandem dieses Objekt 3 Millionen Dollar wert.
Die Ausstellung in Schweden endete in Bezug auf die Brillo-Box mit einem handfesten Kunstskandal: Da sich das Museum den Transfer der originalen Skulpturen nicht leisten konnte, lieferte Brillo 500 originale Verpackungskartons aus seiner Fabrik. Darüber hinaus produzierte Pontus Hultén einige Stück aus Holz. Aus diesen, von Andy Warhol abgesegneten Boxen aus Holzfaserplatten ließ der ehemalige Direktor 1990 105 Brillo Boxen in Malmö herstellen, die als „Stockholm Typ“ in die Geschichte eingingen und er fälschlich als Produkte des Jahres 1968 auswies. Sie waren für Ausstellungen, die Pontus Hultén in St. Petersburg und im Louisiana Museum of Modern Art kuratierte, hergestellt worden. Wohl ohne betrügerische Absicht (Kaspar König) gerieten die Objekte in den Kunstmarkt, wo sie heute als Risikoanlage gelten.
Kuratiert von John Peter Nilsson – sein Artikel zur Ausstellung erscheint online: Essay by John Peter Nilsson