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Wiener Volksgarten. Anlage, Caféhaus und Theseustempel

Der Wiener Volksgarten, Blick über das Rosarium zum Grillparzer-Denkmal und dem Naturhistorische Museum © Foto: Alexandra Matzner.

Der Wiener Volksgarten, Blick über das Rosarium zum Grillparzer-Denkmal und dem Naturhistorische Museum © Foto: Alexandra Matzner.

Die Geschichte des Wiener Volksgartens ist eng mit der Stadterweiterung und dem Bau der Ringstraße verknüpft. In Folge des Krieges gegen Napoleon wurde 1809 ein Teil der alten Bastionen gesprengt und 1812 schlussendlich geschliffen. 1814/15 wurde der Schutt abgetragen und das Areal eingeebnet. Die „kleine Stadterweiterung“ unter dem Gartenfreund Kaiser Franz II. (I.) ermöglichte, dass der Volksgarten an die künftige Ringstraße herangerückt und vergrößert werden konnte. Die als „Hornwerkskurtine“ bekannte, neu errichtete Befestigungsanlage schloss den nach Plänen von Ludwig Gabriel Remy angelegten Volksgarten ein und bot den Spaziergängern bereits eine schöne Aussicht auf das muntere Treiben.

Vom Corti`schen Caféhaus zum Volksgartenpavillon

1819 gibt der Hof dem aus Mailand gekommenen Kaffeesieder Pietro Corti die Erlaubnis zur Errichtung eines „Kaffee- Thee-, und Chokoladen-Ausschanks mit practicablen Tischen, Bänken und auch Gestühle“. Der ungewöhnliche, runde Grundriss des 2. Cortischen Caféhauses folgte dem inneren Wallfuß der „Hornwerkskurtine“ (im 20. Jahrhundert dann liebevoll „Banane“ genannt). Das spätklassizistische Kaffeehaus von Pietro Nobile hatte eine verglaste ionische Steinsäulenkolonnade und eine Terrasse. Hier werden ab 1831 Johann Strauß (Vater) und Josef Lanner auftreten und bis zu 1.500 Besucher anlocken. Am 10. März 1867 dirigierte Johann Strauß (Sohn) hier die erste Aufführung des Donauwalzers in seiner heute überwiegend bekannten Instrumentalfassung.

Da das Kaffeehaus durch Bombentreffer im 2. Weltkrieg schwer beschädigt worden war, wurde es in den Jahren 1947 bis 1953 von Oswald Haerdtl (1899–1959) wieder aufgebaut und um ein Restaurant sowie um eine Milchbar, einen Gastgarten und eine Terrasse erweitert. 1958 wurde das Lokal im Stile der 1950er-Jahre von Oskar Haerdtl umgestaltet. Hinzu kam ein Wintergarten mit ausfahrbarem Glasdach. Der Holzriegelbau mit stark auskragendem Flachdach und die Leichtigkeit des Baukörpers definierte gemeinsam mit dem inzwischen abgerissenen Café Arabia den sog. „Espresso-Stil“ der 50er Jahre. Haerdtl liebte Italien, v.a. Mailand, und seine italienisch-stämmige Frau Carmela Prati-de Vitorelli machte ihn mit italienischen Fachkreisen bekannt, so dass Haerdtl direkten Austausch pflegen konnte.

Pietro Nobile: Theseustempel (1819–1823)

Der Theseustempel wurde 1819–1823 vom Architekten Pietro Nobile (1774–1854; Hofbaurat ab 1818; Prof. für Architektur an der Akademie seit 1819) im Rahmen der Neugestaltung des Volksgartens erbaut. 1817 entschloss sich Kaiser Franz I., die Vollendung der Theseus-Gruppe zu finanzieren, die 1805 von Napoleon in Auftrag gegeben worden war. 1820 findet sich das erste Dokument, dass die Verbringung der Statue nach Wien thematisiert und aus dem Jahr 1821 eine Nachricht, über die Baupläne des Kaisers. Bei dem spätklassizistischen Bauwerk handelt es sich um eine verkleinerte Nachbildung des sog. „Theseions“ in Athen, die speziell für die Aufstellung eines einzigen zeitgenössischen Kunstwerkes, der Figurengruppe „Theseus besiegt den Kentauren“ von Antonio Canova gebaut wurde. Antonio Canova (1757–1822) wird auch die Idee zur Gestaltung als dorischen Tempel zugeschrieben. Canova wollte zur feierlichen Eröffnung nach Wien kommen, verstarb jedoch. Die Theseus-Statue kam 1822 in Wien an und erst 1823 waren alle Arbeiten vollendet. Tempel und Souterrain fungierten bis zur Eröffnung der Hofmuseen als öffentliche Antikensammlung des Hofes. 1890 wurde die Theseus-Statue in das Stiegenhaus des KHM transferiert.

Hier geht es zu:
Wiener Volksgarten. Brunnen und Café Meierei (Teil 2)
Wiener Volksgarten. Das Grillparzer-Denkmal (1876─1889) (Teil 3)
Wiener Volksgarten. Kaiserin Elisabeth-Denkmal (Teil 4)

Zeitgenössische Kunst im Theseus-Tempel

Seit einigen Jahren nutzt das Kunsthistorische Museum den Theseus-Tempel als Ort für zeitgenössische Kunst. In den letzten Jahren hat Kurator Jasper Sharp folgende Künstler_innen eingeladen, für Wien ortsspezifische Arbeiten zu entwickeln bzw. ältere Arbeiten auszuleihen:

24. April 2018
Felix González-Torres, Untitled (Lovers - Paris), Detail, 1993, Installationsansicht Theseustempel 2018, Foto: Alexandra Matzner, ARTinWORDS.

Félix González-Torres: Untitled (Lovers – Paris) Romantische Lichterketten im Theseustempel, Wien

Zwei Mal 42 Glühbirnen, in unregelmäßigen Abständen zu zwei Lichterketten verknüpft, hängen von der tonnengewölbten, klassizistischen Decke des Theseustempels. Ihrer beachtlichen Länge zum Trotz winden sie sich am Boden zu kleinen Lichtanhäufungen. Félix González-Torres' „Untitled (Lovers – Paris)“ (1993) bringt romantische Stimmung in den Volksgarten.
25. April 2017
Kathleen Ryan, Bacchante, Installation Theseustempel 2017, Foto: Alexandra Matzner, ARTinWORDS.

Kathleen Ryan: Bacchante Theseustempel 2017

Die amerikanische Bildhauerin Kathleen Ryan (* 1984) legt ihre Bacchantin mitten in den Theseustempel. Für ihre erste Museumsaustellung – der Theseustempel wird vom Kunsthistorischen Museum bespielt und von Jasper Sharp kuratiert – lässt sie die Gefährtin des Gottes Bacchus (Dionysos) als Weintraube sensualistisch über einige Kaminrohre gleiten.
11. November 2016
Edmund de Waal, 2014 © Edmund de Waal, Foto: Alexandra Matzner.

Edmund de Waal. Lichtzwang Weiße Porzellangefäße in weißem Raum

Was bedeutete es wohl für Edmund de Waal für eine Ausstellung nach Wien eingeladen zu werden? Beim Pressegespräch fand er dafür keine Worte, sie waren für ihn, der seine Familiengeschichte in Romanform aufgearbeitet hatte, nicht fassbar. Stattdessen schuf er im Theseustempel einen weißen Raum, meditative Grundstimmung und ein musikalisches Werk aus unzähligen, kleinen, aber individuell geformten Porzellanbechern in zwei Vitrinen. Das Regal erinnern nicht von ungefähr an eine aufgeschlagene Doppelseite einer Publikation.
19. April 2016
Ron Mueck, Man in a Boat, Detail von vorne (2000-2002), Ausstellungsansicht Theseustempel, Wien 2016, Installationsfoto: Alexandra Matzner.

Ron Mueck „Man in a Boat“ im Theseustempel Ein Mann im Boot als Metapher für Leben und Tod

Ron Mueck ist weltberühmt für hyperrealistische Skulpturen, in denen er Ängste, ja "Archetypen" (Anthony d'Offay) ausdrückt. Leicht unterlebensgroß sitzt ab nun ein nackter Mann in riesigem Boot im Theseustempel. Was mag er wohl sehen?
30. April 2015
Susan Philipsz, War Damaged Musical Instruments (Pair), Lautsprecher, 2015, Zweikanalklanginstallation, Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin, der Tanya Bonakdar Gallery, New York, und der Galerie Isabella Bortolozzi, Berlin © Foto: KHM-Museumsverband.

Susan Philipsz War Damaged Musical Instruments (Pair)

Für die diesjährige Installation im Theseustempel beauftragte Jasper Sharp die britische Sound- und Installationskünstlerin Susan Philipsz. Die 1965 im schottischen Glasgow geborene Bildhauerin war jüngst auf der Manifesta 10 in St. Petersburg (2014) und der documenta 13 (2013) zu hören. Im Gespräch erklärt sie, wias sie aüf die Idee für das Wiener Stück brachte, und welche Schwierigkeiten bei der Umsetzung aufgetreten sind.
16. April 2013
Besucher vor Richard Wright, No title, temporäre Wandzeichnung im Theseustempel, Wien, 2013, Foto: Alexandra Matzner (fotografiert am 16.4.2013, 10-11 Uhr)

Richard Wright Silberne Pyramide im Theseustempel

Richard Wright verwandelt das Innere des Theseustempels mittels einer silbernen Zeichnung an der Wand. Jasper Sharp, Kurator für zeitgenössische Kunst am KHM, lud den Turner Preisträger (2009) aus Schottland ein, eine temporäre Arbeit für den klassizistischen Bau im Volksgarten zu entwerfen. Mit einem subtilen Eingriff greift dieser nun die strenge Symmetrie des Gebäudes auf, spielt mit dem klassizistischen, vegetabilen Dekor der Decke und setzt der ondulierenden Linie eine messerscharf geformte Pyramide entgegen.

Der Volksgarten in Wien: Bilder

  • Der Wiener Volksgarten, Blick über das Rosarium zum Grillparzer-Denkmal und dem Naturhistorische Museum © Foto: Alexandra Matzner.
  • Pietro Nobile mit Umbauten von Oswald Haerdtl, das ehemalige 2. Corti`sche Caféhaus © Foto: Alexandra Matzner.
  • Ehemalige Milchhalle von Oswald Haerdtl, 1947–1953 © Foto: Alexandra Matzner.
  • Pietro Nobile, Theseustempel, 1819–1823 © Foto: Alexandra Matzner.
  • Pietro Nobile, Theseustempel, Frontalansicht, 1819–1823 © Foto: Alexandra Matzner.
  • Pietro Nobile, Theseustempel, von hinten, 1819–1823 © Foto: Alexandra Matzner.
Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.