Sigmar Polke. Alchemie und Arabeske in Baden-Baden
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Sigmar Polke. Alchemie und Arabeske Linien zwischen Fläche und Raum

Sigmar Polke. Alchemie und Arabeska (Museum Frieder Burda; Schirmer/Mosel)

Sigmar Polke. Alchemie und Arabeska (Museum Frieder Burda; Schirmer/Mosel)

Sigmar Polke (1941–2010) gehört zu der Generation deutscher Maler, die während der 1960er Jahre auf die amerikanische Pop Art reagierten und in Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte neue Ausdrucksformen innerhalb ihrer Gemälde fanden. Für Polke spielten Fotografie, Druckgrafik und Filmkamera wichtige Rollen in der Bildproduktion, was sich vom Entwurf bis zur technischen Ausführung zog. Die Ausstellung des Museum Frieder Burda unter dem Titel „Alchemie und Arabeske“ fokussiert auf die Malgründe und Beweggründe des Kölner Künstlers. Linien in den Gemälden können als Arabesken oder Tilgungen auftreten, können dekorativ, weil funktionslos verbinden, ohne je ihre Beweglichkeit zu verlieren. Zitate aus Werken von Albrecht Altdorfer (→ Albrecht Altdorfer und das Expressive in der Kunst um 1500) und Albrecht Dürer bezeugen die kreative Auseinandersetzung Polkes mit den berühmten deutschen Renaissance-Künstlern. Viele Arabesken schwingen sich scheinbar vor der Bildebene, wodurch er die Illusion des Tiefenraums in ein spannungsvolles Verhältnis mit der Fläche brachte.

Sigmar Polke im Museum Frieder Burda

Frieder Burda gehörte bereits seit Jahrzehnten zu den großen Sammlern von Sigmar Polkes Werk. In einem Gespräch mit Götz Adriani meinte er 2005, dass seine Hinwendung zum Mitbegründer des Kapitalistischen Realismus für ihn eine Art Bruch darstellte. Von den deutschen Expressionisten (wie Emil Nolde. In Glut und Farbe) ausgehend, gefällt ihm „seine Ironie, das Sich-selbst-auf-den-Arm-Nehmen“ neben „der Lust an der Farbe“ als Sammler am meisten. Er hatte Polke in den 1980er Jahren kennengelernt und ihn Anfang der 1990er dann in dessen Atelier in Köln besucht und begonnen seine Werke zu sammeln.

Biografie von Sigmar Polke (1941–2010)

Am 13. Februar 1941 wurde Sigmar Polke in Oels (Schlesien) geboren.
1945 Flucht der Familie nach Thüringen
1953 Flucht der Familie aus der DDR nach West-Berlin, weiter nach Willich bei Mönchengladbach.
Übersiedlung nach Düsseldorf
1959/60 Studium an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf
1961–1967 Studium an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf bei Karl Otto Götz und Gerhard Hoeme
1963 Gemeinsam mit seinen Studienkollegen Gerhard Richter (→ Gerhard Richter. Bilder einer Epoche), Konrad Lueg und Manfred Kuttner begründete Sigmar Polke den Kapitalistischen Realismus, beginnend mit der Konzeption und Realisation der Aktion „Leben mit Pop – Eine Demonstration für den Kapitalistischen Realismus“
1966 Kunstpreis der deutschen Jugend, Baden-Baden
1967 Sigmar Polke schloss sein Studium ab.
1970/71 Gastprofessur an der Hochschule für Bildende Künste, Hamburg
1972 Sigmar Polke lebte in einer Kommune auf dem Gasperlshof in Willich (Niederrhein). Teilnahme an der documenta 5, Kassel, in der Abteilung „Individuelle Mythologien“.
1973 Ausstellung im Westfälischen Kunstverein, Münster; malte „Franz Liszt kommt zu mir zum Fernsehen“.
1974 Reise nach Pakistan und Afghanistan. „Original + Fälschung“. Ausstellung im Städtischen Kunstmuseum, Bonn.
1975 Teilnahme an der XIII. Bienal de São Paulo, wo Sigmar Polke den Preis der Stadt São Paulo gewann.
1976 Die Kunsthalle Tübingen richtete Sigmar Polke die erste Retrospektive aus: „Sigmar Polke – Bilder Tücher Objekte“; Reise nach Papua Neuguinea.
1977 Teilnahme an der documenta 6 in Kassel.
1977–1991 Professur an der Hochschule für Bildende Künste, Hamburg.
1978 Reisen nach Australien und Asien; Übersiedlung nach Köln
1982 Sigmar Polke gewann den Will-Grohmann-Preis der Akademie der Künste, Berlin. Teilnahme an der documenta 7 in Kassel und der Ausstellung „Zeitgeist“.
1983 Ausstellungen im Museum Beymans van Beuningen, Rotterdam, und im Städtischen Kunstmuseum, Bonn.
1984 Sigmar Polke gewann den Kurt-Schwitters-Preis, Hannover. Einzelausstellung im Kunsthaus Zürich und in der Kunsthalle Köln.
1986 Goldener Löwe für Malerei auf der „XLII. Biennale di Venezia“.
1987 Lichtwark-Preis, Freie und Hansestadt Hamburg
1988 Ausstellung im Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris
1990 Wanderausstellung ausgehend vom San Francisco Museum of Modern Art, Hirshhorn Museum and Sculpture Garden, Washington; Museum of Contemporary Art, Chicago; Brooklyn Museum, New York.
1995 Polke gewann den Carnegie International Prize, Pittburgh (Pennsylvania)
1997 Retrospektive in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn; Hamburger Bahnhof, Museum der Gegenwart, Berlin.
1999 Frühe Arbeiten auf Papier wurden im Museum of Modern Art, New York, sowie der Hamburger Kunsthalle.
2000 Die Sammlung von Josef Froehlich wurde im Museum für Neue Kunst, Karlsruhe ausgestellt.
2002 Praemium Imperiale der Japan Art Association, Tokio.
2003/04 Ausstellung im Dallas Museum of Art, dann Tate Modern, London.
2005 Ausstellung im Kunsthaus, Zürich.
2006 Polke gewann den Künstlerwettbewerb um die Glasfenster des Großmünster in Zürich: Er entwarf fünf Glas- und sieben Achatfenster (November 2009 fertiggestellt).
2007 Rubenspreis der Stadt Siegen
Am 10. Juni 2010 starb Sigmar Polke in Köln an einer Krebserkrankung. Er wurde am Melaten-Friedhof in Köln bestattet.

Sigmar Polke: Bilder

  • Sigmar Polke, Kartoffelköppe (Mao & LBJ), 1965 (Museum Frieder Burda, Baden-Baden)
  • Sigmar Polke, Dürer Hase, 1968 (Museum Frieder Burda, Baden-Baden)
  • Sigmar Polke, Tree of Life, 1983 (Museum Frieder Burda, Baden-Baden)
  • Sigmar Polke, Zwei Steine feiern Doppelhochzeit, 1984 (Museum Frieder Burda, Baden-Baden)
  • Sigmar Polke, Nach Altdorfer, 1986 (Museum Frieder Burda, Baden-Baden)Sigmar Polke, Atemkristall, 1997 (Sammlung Speck, Köln)
  • Sigmar Polke, Lieber Eberhard! Damit dem Kunibert das Licht leuchtet voran …, 2000/01 (Städtische Galerie Karlsruhe, Stiftung Fotografische Werke Sigmar Polke aus der Sammlung Garnatz)
  • Sigmar Polke, Ohne Titel, 2002 (Privatbesitz)
  • Sigmar Polke, Ohne Titel, 2004 (Privatbesitz)

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Alexandra Matzner
Gründerin von ARTinWORDS * 1974 in Linz, Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Romanistik in Wien und Rom. Seit 1999 Kunstvermittlerin in Wien, seit 2004 Autorin für verschiedene Kunstzeitschriften. Jüngste Publiktionen entstanden für das Kunsthaus Zürich, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Albertina und Belvedere in Wien.