„Zärtlicher Tanz“ aus der Sammlung VERBUND inszeniert von und mit Renate Bertlmann das Verhältnis von Körper, Geschlecht, Zärtlichkeit und Mütterlichkeit – spart aber auch Abhängigkeitsverhältnisse nicht aus.
Österreich / Wien: SAMMLUNG VERBUND
Charakteristisch für die Kunst der Wiener Feministin ist ihre Arbeit mit Latex – als Schnuller, als Präservativ, als Badehaube. Das anschmiegsame und in den 1970er Jahren ultramoderne Material lässt sich leicht in Form gießen und erinnert subkutan an den eigenen Kontakt damit. Zentrale Themen Bertlmanns seit den 70ern sind Weiblichkeitsbilder, Eros und Thanatos. Hier inszeniert sie sich in der Pose einer leidenschaftlich Leidenden – oder Genießenden? Dunkle Linien im Gesicht deuten auf vergossene Tränen hin. Tränen der Freude und Glücks oder doch der Verzweiflung? An Kopf und Fingern trägt sie schnullerartige Wülste, die gleichermaßen an Brustwarzen, Phalli oder Warzen erinnern können. Ob es sich um ein Bild der Ekstase oder der Versenkung handelt, ob es eine Obsession oder einen Zwang verhandelt, ob es um Mutterschaft oder Kindsein geht, bleibt – wie so häufig bei der Künstlerin – offen.
Die 1943 in Wien geborene Künstlerin studierte Malerei und Restauration an der Akademie der bildenden Künste, als sie 1969 erste Fotografien mit dem Selbstauslöser in der Wohnung ihrer Eltern schoss. Von 1970 bis 1982 lehrte sie am Institut für Konservierung und Technologie, was ihr finanziellen Freiraum ermöglichte. Bertlmann erzählt, dass der Essay „Why Have There Been No Great Women Artists?“ von Linda Nochlin sie „aus dem Dornröschenschlaf“ gerüttelt hätte. Eine Studentin hatte ihr 1972 den Text gegeben. Nach der Gründung der Frauengruppe Aktion Unabhängiger Frauen (AUF) im Jahr 1973 engagierte sich Bertlmann mit Text- und Bildbeiträgen. Ihre erste Einzelausstellung im Künstlerhaus in Wien begleitete sie mit dem Pamphlet: „Warum malt sie keine Blumen?“. Darin forderte sie Künstlerinnen auf, das „feminine Prinzip in eine maskuline Welt zu bringen, und dadurch die Welt menschlich anstatt männlich zu machen“. 1978 wählte Renate Bertlmann AMO ERGO SUM (Ich liebe, also bin ich) als künstlerische Maxime: Sie gliedert ihr Werk in Pronografie, Ironie und Utopie, um die Ganzheit von Körper, Geist und Seele auszudrücken.