Die Großausstellungen des Kunsthaus Zürich im Pfister-Bau sind 2024 dem „Nationalkünstler“ Ferdinand Hodler (8.3.) und der Pionierin der Performance-Kunst Marina Abramović (25.10.) gewidmet. „APROPOS HODLER“ wirft „aktuelle Blicke auf eine Ikone“, indem sein Werk in vier Themenblöcken – Natur / Landschaften, Körperlichkeiten, Zugehörigkeiten sowie Rätselhaftigkeit / Transzendenz – gemeinsam mit zeitgenössischer Kunst präsentiert wird. Die erste umfassende Werkschau „MARINA ABRAMOVIĆ“ wirft im Herbst 2024 einen Rückblick auf das nunmehr fünfzigjährige Schaffen der Künstlerin.
Im Chipperfield-Bau werden 2024 drei Ausstellungen vier Kunstschaffende ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken: „KIKI KOGELNIK“ (ab 22.3.) präsentiert die österreichische Künstlerin der Pop Art, während „WALID RAAD. Cotton under my Feet: The Zurich Chapter” (ab 16.8.) einen Eingriff in die Sammlung erlaubt. Mit „MATTHEW WONG – VINCENT VAN GOGH” (ab 20.9.) werden zwei Autodidakten einander gegenübergestellt und stilistische wie biografische Parallelen aufgedeckt.
Im Kabinett des Moser-Baues sind „BARBARA VISSER. Alreadymade“ (ab 9.2.), „BORN DIGITAL. Videokunst im neuen Millennium“ (ab 7.6.) sowie „ALBERT WELTI und die Grafik des Fantastischen“ (ab 15.11.) zu sehen.
Moser-Bau, Kabinett
„Fountain“, ein Urinal, welches 1917 von Marcel Duchamp zum Kunstwerk erklärt wurde, ist vielleicht eines der bekanntesten konzeptionellen Kunstwerke unserer Zeit. Seit Langem kursieren Gerüchte, dass nicht er, sondern die Künstlerin Baroness Elsa von Freytag-Loringhoven (Swinemünde 1874– 1927 Paris) Schöpferin dieses Werks war. Die schillernde, aber vergessene radikale Dichterin verkörperte als lebendiges Kunstwerk buchstäblich die Ideale des Dadaismus.
Die niederländische Künstlerin Barbara Visser (*1966 Haarlem) geht in ihrem neuen Film dieser Legende nach und hinterfragt sie. Zürich, wo Dada seinen Anfang nahm (→ Dadaismus), ist der ideale Ort, um die Ergebnisse dieser Spurensuche zu präsentieren. In ihrem Werk erforscht Visser konsequent die Grenzen zwischen dem Echten und dem Gefälschten, zwischen Authentizität, Autorschaft und Wert. Ihre filmische Installation ist ein veritabler Krimi, in dem alle Beteiligten versuchen herauszufinden, was ihre Rolle ist.
Pfister-Bau, großer Ausstellungssaal
Wie kaum ein anderer seiner Generation hat der Maler Ferdinand Hodler (Bern 1853–1918 Genf) das kulturelle Selbstverständnis der Schweiz geprägt. Obwohl das Konzept des „Nationalkünstlers“ heute als überholt gilt, hat es sich fest in unser kollektives Bewusstsein eingeschrieben. Althergebrachte Werte wie Bodenständigkeit („Holzfälleridylle“) und nationale Souveränität werden mit Hodlers Werken in Verbindung gebracht, ungeachtet der ursprünglichen Intention des Künstlers, der sich durchaus in der progressiven Linie der Wiener Secession verstand.
Die Ausstellung, die in konzeptueller Zusammenarbeit mit Sabian Baumann, Ishita Chakraborty und RELAX (chiarenza & hauser & co) entsteht, erforscht vier Themenblöcke: Natur / Landschaften, Körperlichkeiten, Zugehörigkeiten sowie Rätselhaftigkeit / Transzendenz. Das Kunsthaus Zürich kann diesbezüglich auf seinen großen Bestand von Hodler-Werken zurückgreifen. Die Szenografie wird von Nicolas Party verantwortet.
Chipperfield-Bau, Ausstellungen
Die österreichische Künstlerin Kiki Kogelnik (Graz 1935–1997 Wien) war ihrer Zeit voraus. Einst sagte sie, dass Frauen wie Samurais wirken sollten. Sie selbst ging kämpferisch mit Materialien, Farben und sozialen Themen um. Sie arbeitete zuerst als expressionistische Malerin und entwickelte sich zu einem Pop Art-Phänomen, experimentierte mit der Collage und mit Airbrush, mit neuen Materialien wie Vinyl genauso wie mit althergebrachten wie Keramik. Nun ist es an der Zeit, dieser außergewöhnlichen Künstlerin endlich den ihr gebührenden Raum mit der ersten umfassenden Retrospektive in der Schweiz zu gewähren.
Warum ist das Werk von Kiki Kogelnik heute derart relevant? Das wohl stärkste Argument hierfür ist ihre visionäre Vorwegnahme von Themen, die heute mehr denn je von Aktualität sind: die Errungenschaften und Auswüchse der Konsumgesellschaft, Nutzen und Probleme des technischen Fortschritts, Medizin und moderne Diagnostik sowie die omnipräsenten Diskurse zu Geschlechtergerechtigkeit, medizinischer Ethik, Digitalisierung und Nachhaltigkeit.
Die Ausstellung vermittelt mit rund 150 teils sehr großen Formaten aus vier Jahrzehnten künstlerischer Produktion ein Gesamtbild von Kogelniks vielfältigem Werk und zeigt dessen kunsthistorische Bedeutung. Kogelnik war eine Pionierin:
“KIKI IS KICKS … NO QUESTION … HER PAINTING IS OF THE FUTURE. HER CLOTHES ARE UNIQUE […] Kiki may or may not become the girl of the year, but she undoubtedly is the girl of the future.” (Women's Wear Daily, 1966)
Eine Ausstellung in Kooperation mit dem Kunstforum Wien.
Moser-Bau, Kabinett
Man könnte es ein verstecktes Juwel nennen: Das Kunsthaus Zürich besitzt eine der größten Medienkunstsammlungen der Schweiz. Aktuell werden digital-born-Videowerke der 1990er und 2000er Jahre konserviert und wiederentdeckt. Ab den 1990er-Jahren fand ein technologischer Wandel statt: Digitale Speichermedien wie DVDs lösten analoge Videokassetten ab. Die Arbeiten von vielen Kunstschaffenden aus dieser Zeit sind geprägt von der Globalisierung und einer radikalen Technologisierung der Gesellschaft.
Die zehn für die Ausstellung ausgewählten Arbeiten aus der Sammlung entstanden alle zwischen 2000 und 2005 und atmen den Geist des neuen Millenniums. Präsentiert werden unter anderem Werke von Com & Com (*1969 / *1971), Cao Fei (*1978), Gabriela Gerber / Lukas Bardill (*1970 / *1968), Tatjana Marušic´ (*1971) und Zilla Leutenegger (*1968).
Chipperfield-Bau, Sammlung
Wessen Geschichte erzählt ein Museum oder eine Sammlung? Und wie können die Lücken und bisher nicht thematisierte Narrative ins Licht gerückt und neu vermittelt werden? Diese heute für Museen zentralen Fragen sind gerade für das Kunsthaus Zürich von besonderer Relevanz, was die Diskussionen im Umgang mit der Sammlung Emil Bührle gezeigt haben. Walid Raad (*1967 Chbanieh, Libanon) thematisiert diese Geschichte nicht direkt, aber sie schwingt in seinen Überlegungen zum Thema (Privat-)Sammlungen mit. Der libanesisch-US-amerikanische Künstler inszeniert einen Parcours durch verschiedene Sammlungsräume des Kunsthauses und stellt dabei eigene Werke den Objekten der Sammlung gegenüber. Zentrales Element der Ausstellung ist eine Performance von Walid Raad, die in Zusammenarbeit mit dem Zürcher Theater Spektakel entsteht und in regelmäßigen Abständen stattfindet.
Eine Ausstellung in Kooperation mit dem Zürcher Theater Spektakel, TBA 21 und der Sammlung Thyssen-Bornemisza, Madrid.
Chipperfield-Bau, Ausstellungen
Mit seinen eindrucksvollen Landschaftsbildern wurde der jung verstorbene kanadische Maler und Zeichner Matthew Wong (Toronto 1984– 2019 Edmonton) kurz vor seinem Tod zu einem Phänomen. Als Autodidakt kam er zur Kunst und gelangte in überraschend kurzer Zeit zu Aufmerksamkeit und internationaler Reichweite. Den Schwerpunkt von Wongs Werk bilden Landschaften von expressiv-lyrischer Kraft. Aus der Imagination geschaffen, nahmen sie sowohl Impulse aus der traditionellen chinesischen Malerei wie auch aus der westlichen Kunst auf.
Besonders geprägt wurde Wong von Vincent van Gogh (Zundert 1853– 1890 Auvers-sur-Oise). Dies gilt nicht nur für dessen Einfluss auf Wongs Malstil und Motive, sondern auch für bestimmte Elemente seiner Lebensgeschichte. Beide Künstler waren Autodidakten, haben sich das Zeichnen und Malen selbst beigebracht und kämpften mit psychischen Herausforderungen.
Die Ausstellung ist geprägt von den stilistischen und biografischen Parallelen zwischen Wong und van Gogh. Im Mittelpunkt stehen – eine Premiere für die Schweiz – rund 45 Gemälde sowie Zeichnungen Wongs. Ergänzt werden sie durch eine Gruppe ausgewählter Meisterwerke van Goghs.
Eine Ausstellung in Kooperation mit dem Van Gogh Museum in Amsterdam.
Pfister-Bau, großer Ausstellungssaal
Marina Abramović (*1946 Belgrad) gehört zu den Superstars des zeitgenössischen Kunstbetriebs. Sie blickt auf ein über fünfzigjähriges Schaffen zurück und hat mit ihren legendären Performances (Kunst-)Geschichte geschrieben. Trotzdem wurde ihr Werk in der Schweiz noch nie umfassend gezeigt. Die Ausstellung im Kunsthaus Zürich mit Bildhauerei, Video, Installation und Performance gibt nun Einblick in das Lebenswerk dieser einzigartigen Künstlerin.
In ihrem Werk hat Marina Abramović immer wieder die Grenzen ihrer eigenen körperlichen und psychischen Belastbarkeit getestet – und das Publikum eingeladen, diese Erfahrungen mit ihr zu teilen. In ihrem späteren Werk konzentriert sich Abramović auf die Erhebung des menschlichen Geistes, auf Meditation und Heilung. Der Künstlerin geht es immer auch mental und emotional um eine neue Selbsterfahrung. Sie fordert mit ihren Werken sich und uns heraus.
Das zeigte sich auch in der schon legendären Performance „The Artist Is Present“ (2010) im Museum of Modern Art, New York. Acht Stunden, drei Monate lang saß die Künstlerin täglich an einem Moser-Bau, Kabinett Tisch und lud das Publikum ein, ihr gegenüber Platz zu nehmen. Jeglicher physische oder verbale Kontakt war verboten, die Verbindung entstand nur über den Blick und die Augen. Es war eine kathartische Erfahrung. Oder wie Abramović es selbst beschreibt:
„Ich bin eine Performance-Künstlerin, ich möchte etwas schaffen, mit dem das Publikum interagieren kann, das es fühlen kann, mit dem es eine persönliche Erfahrung mit seiner eigenen Art von Energie machen kann.“
Marina Abramovićs erste große Ausstellung in der Schweiz entsteht in enger Zusammenarbeit mit der Künstlerin. Sie ist eine Kooperation mit der Royal Academy in London, dem Stedelijk Museum in Amsterdam und dem Tel Aviv Museum of Art.
Moser-Bau, Kabinett
Albert Weltis Gemälde, allen voran seine „Walpurgisnacht“, sind bekannt und beliebt bei Kunsthaus-Fans. Weniger bekannt ist, dass sich Welti (Zürich 1862–1912 Bern) gerade in seiner Druckgrafik intensiv mit dem Aspekt einer visionär gesteigerten Wahrnehmung beschäftigt hat. Von Welti besitzt die Grafische Sammlung einen sehr reichen Bestand an Druckgrafiken: von seinen „Phantastereien“, die er in der Gebrauchsgrafik auslebte, bis zu großformatigen, fantasiegeladenen Meisterblättern, darunter „Die Fahrt ins zwanzigste Jahrhundert“.
Quelle: Kunsthaus Zürich